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Vor
einer Woche rief mich meine Schwester an und
fragte mich, was ich von der Idee hielte, wenn
wir unsere "verstaubten" Motorradhelme
und Nierengurte aus dem Keller holen, und ich
mich mit ihr zusammen an die Straße stellte
um zu trampen. "Vielleicht kommen ein paar
nette Bikers und nehmen uns mit...", meinte
sie. Meine Antwort war sofort: "JA Vroni,
das machen wir" Und bevor wir besagtes
Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, bekam ich
plötzlich einen Anruf von einer Freundin,
die mich fragte, ob ich Lust auf eine Ganztages-Motorradtour
hätte.
Da
war es wieder. Ist das nicht unglaublich - vor
ein paar Tagen sozusagen die "Bestellung"
aufgegeben, fast postwendend geliefert.
Und
ob ich wollte! Meine Freundin fragte mich, ob
ich denn auch wirklich den ganzen Tag als Sozi
(Beifahrer) mitfahren könnte und ob ich
mich einer solchen Tour gewachsen fühlen
würde. Ich erinnerte mich daran, dass ich
früher (mit 15 Jahren) oft mit meinen Bekannten
bei uns am Kochelsee als Sozi die Serpentinen
rauf und runter "gesägt" war
- und mir dabei auch schon mal einen "abgeschliffenen"
Absatz geholt hatte. Und dass ich einmal Regenwetter,
Blitz und Donner über 500 km weit mit nassen
Klamotten auf dem Motorrad gesessen war. Als
wir angekommen waren, hatte man mich im "Klammer-Sitzstellung"
vom Motorrad heben müssen und mich mitsamt
T-Shirt und Hose in die Badewanne gesteckt,
damit ich erst mal wieder warm werden und mich
bewegen konnte.
Also
ja - ich fahre mit! ...
Mein
Helm entpuppt sich als viel zu klein - ist mein
Kopf größer geworden? Also bekomme
ich die ganze Kluft von meiner Freundin geliehen.
Und schon gehts los.
Es
ist 8.15 Uhr. Wir fahren bei strahlendem Sonnenschein
über die B11 Richtung Königsdorf,
die Strecke an Bad Heilbrunn vorbei - Richtung
Kochelsee. Und ich merke schon, sich hinten
festzuhalten ist mit den schweren ungewohnten
Lederhandschuhen gar nicht so leicht, geht ganz
schön in die Muskeln und Sehnen. Und wie
beim Bootfahren vor ein paar Tagen merke ich,
dass es anstrengend werden wird für mich
- weil ich die linke Hand (wegen meinem steifen
Finger) kaum einsetzen kann. Aber ich sage nichts,
will das Experiment für mich nützen.
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Würzjoch
Alm
Foto von Regina |
Würzjoch
Foto von Regina |
Groednerjochstraße
(Blick: Murfreitspitze)
Foto von Regina |
Wir
fahren den "Kesselberg" hinauf. Ich
kann mich erinnern, dass es hier früher
viele Todesfälle gegeben hat. "Geben
Sie Ihrem Schutzengel eine Chance" kann
man heute überall lesen. Aber heute brauch
ich keine Angst zu haben. Es sind so viele "Sonntagsfahrer"
vor uns, dass an eine rasante Fahrt gar nicht
zu denken ist. Wir umfahren den Walchensee links
herum, der wie ein Smaragd vor uns liegt. Hier
fühle ich mich sehr an das Meer erinnert.
Kurz
nach Wallgau kommt langsam rechts das Wettersteingebirge
und links das Karwendelgebirge in seiner ganzen
Pracht Sicht. Die heraufragenden Felsmassive
haben so viel Energie, dass ich andächtig
staune - am liebsten angehalten hätte,
um dort irgendwo hinaufzugehen... ja - vielleicht
einfach immer weiterzugehen, draußen zu
schlafen... Mittenwald liegt einladend in das
von imposanten Bergen umsäumte Tal geschmiegt.
Ringsherum ragen die Felsmassive "grünbeschuht"
in den Himmel, um sich hoch droben in ihrer
ganzen blanken Pracht zu zeigen.
Von
Scharnitz bis Seefeld sieht man die gewaltigen
Bergmassive von der anderen Seite. Das Wetter
ist traumhaft, die Luft so klar. Alles scheint
zum greifen nahe. Ich hätte gerne mehr
Bildmaterial gesammelt - aber auf dem Motorrad
kann man nicht einfach Fotos machen - und man
will auch nicht alle paar Meter halten.
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Grödnerjoch
(am Passo di Gardena) -
Panorama-Montage von Regina |
Der
Mann meiner Freundin und ich an der Grödnerjochstraße
gegenüber vom Langkofel auf dem großen
Parkplatz - Foto
von Regina
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In
Innsbruck ist eine hübsche Metropole. Aber
der Verkehr ist sehr anstrengend. Vermutlich
ist das in jeder größeren Stadt so.
Das ständige Anfahren und Abbremsen strengt
besonders an und ermüdet sehr. Und du schnaufst
direkt die Abgase der Vorgänger ein. Wir
sind froh, als wir endlich durch sind. Es geht
weiter über den alten Brenner in Richtung
und Brixen - die Brenner-Autobahn über
uns wirkt wie ein Ding aus einer anderen Welt
über uns. Von Brixen/Bressanone aus gehts
ins Pustertal und über das Wuerzjoch
(2006 m)/Passo
delle Erbe (Kräuterpass) ins Val
Badia/Gadertal.
Ich
stieg vom Motorrad und war geplättet. Ich
fand mich inmitten eines majestätischen
Bergmassivs auf der einen Seite - und einer
herrlichen Almlandschaft auf der anderen Seite.
Herrlich einsame Gegend, wenn man den Massentourismus,
der sich gerade mal um die paar Hütten
herum abspielt nicht beachtet. Hier oben kommen
alle Elemente zusammen: geballte Kraft und hochschwingende
Energien und ungezügelte Wildheit - gepaart
mit den sanften Hügeln der Almwiesen, lieblichen
Almblumen und sonnenumfluteten an die Hänge
geschmiegten Hütten...
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an der Grödnerjochstraße am großen
Parkplatz - Blick auf die Langkofel (Ostwand)
Foto von Regina |
Die
Sella
Foto von Regina |
an der Grödnerjochstraße am
großen Parkplatz - vom Pordoijoch
nach Canazei - die Langkofelgruppe
Foto
von Regina
|
Nach
kurzer Zeit geht es weiter, vorbei am Pisciadu
(2985 m), hinauf zum Passo
di Gardena/Grödnerjoch
(2121 m). Gerade vor uns die Ostwand
des Langkofel,
rechts von uns die Cirspitzen.
Aber
die Fahrt geht weiter - auf der anderen Seite
des Passo di Gardena hinunter, und gleich wieder
links hinauf, zwischen Sella
und Langkofel,
zum Passo di Sella/Sellajoch
(2240 m).
Kurz
nach dem Sellajoch, in Richtung Pordoijoch,
bietet sich eine herrliche Gelegenheit, links
durch das Val Lasties
hinauf, ganz oben im Hintergrund
den Piz Boé
(3152 m) zu sehen. Weiter geht es
unterhalb der Sella vorbei, immer mit Blick
auf den Piz Pordoi
(2952 m), hinüber zum Pordoijoch
(2242 m). Von da ein grossartiger
Blick auf die Marmolada
(3343 m), die "Königin
der Dolomiten". Die Bilder sprechen
für sich.
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Foto von Regina |
vom
Pordoj-Joch: Blick auf die Sella
Foto von Regina |
Cirspitzen vom Grödnerjoch aus gesehen
Foto von Regina |
Langsam
machen sich die Anstrengungen bemerkbar. Meine
rechte Hand ist sehr einseitig belastet, weil
ich mich durch die Behinderung des Mittelfingers
an der linken Hand nur mit der rechten wirklich
festhalten kann. Wenn das Motorrad bremst, muss
ich ziehen, damit ich nicht mit dem ganzen Gewicht
auf meinen Fahrer falle. Und wenn er Gas gibt,
muss ich drücken, und mich mit der andern
Hand am Fahrer festhalten, damit ich nicht vom
Motorrad falle. Mein Rücken schmerzt und
ich kann kaum noch sitzen. Ich trage den kleinen
Rucksack, der mir inzwischen sehr unbequem ist.
Aber wer solche Abenteuer erleben will, muss
auch bereit sein, die Strapazen mit dazuzunehmen.
Aber ich habe einen kleinen Trost: den andern
gehts auch so gut... und wir haben noch lange
nicht alle Ziele erreicht.
Jetzt
ziehen Wolken auf, es ist nicht klar, ob es
ein Wetter geben wird. Dann werden die Straßen
schmierig. Aber wir entschließen uns,
auf der Tourenroute zu bleiben. Vom Pordojjoch
geht es hinunter nach Canazei im
Val di Fassa/Fassatal.
Wir kommen in einen kleinen Platzregen
hinein - haben aber Glück, in der Richtung
unserer Route weiteren Regengüssen zu entfliehen.
Dann
geht es weiter über den Karerpass
(1758 m) auch Passo
di Costalunga genannt, mit schönem
Blick auf den Rosengarten
und die "Rote
Wand", und weiter durch das
Eggental nach Bozen.
Von dort aus durch die Talferschlucht ins Sarntal
und den Passo di Pennes
zum Penser Joch (2214
m) hinauf. Die Strecke zieht sich
sehr lange hin - aber es ist alles wie ein Traum.
Überall gibt es märchenhafte Landschaften,
Bauern, die noch ihr Gras mit der Sense mähen.
Ein Bauer sitzt vor der Scheune und dengelt
seine Sense. Und auch die Söhne helfen
schon mit - sie mähen auf einsamen und
mit dem Traktor wegen der hohen Schräglage
unzugänglichen Wiesen mit dem Balkenmäher...
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Passo di Sella - Sellajoch (mit Langkofel)
Foto von www.roberts-1.com |
Foto von Regina |
Penserjoch
Foto von Regina |
Oben
am Penserjoch angekommen
- fühlen wir kaum noch unsere Hinterbacken
- alle Schultergelenke sind ausgekugelt. Rücken
haben wir keinen mehr... Jetzt haben wir auch
alle genug und fahren auf der anderen Seite
des Pennes Passes hinunter nach Sterzing, wieder
auf die alte Brenner Straße. Die Fahrt
nach Hause geht in für mich rasantem Tempo.
Der Verkehr hat sich so gut wie aufgelöst.
Die Strassen sind fast leer. Jetzt macht es
richtig Spaß, sich in die Kurven zu legen.
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Marmolada
Foto nicht von mir |
Das
Wettersteingebirge
Foto nicht von mir |
Die
LKW's stauen sich jetzt Kilometerweit bis nach
Innsbruck hinein. Zusammen mit den Sprungschanzen
sieht es ein bisschen utopisch aus. Innsbruck
von oben wie ein brodelnder Kessel. Es geht
weiter Richtung Heimat über Seefeld, Scharnitz,
Mittenwald. Wir werden gerade noch Zeuge, wie
die Abendsonne das Wettersteingebirge in rotgoldenglühendes
Feuer taucht - auch am Walchensee glühen
die Berge, die smaragdgrünen Seen glimmen
geheimnisvoll im Licht der untergehenden Sonne.
Über
Kochel, Bad Heilbrunn, Königsdorf geht
es zurück nach Geretsried. Als ich mich
ins Bett lege, fahre ich noch immer Kurven...
Was
für ein Tag!
nach
diesem Tag wünsche ich auch euch: träumt
nicht euer Leben, sondern lebt eure Träume
Liebe Grüße
Regina
die
Fotos stammen von mir selbst - bis auf den "Passo
di Gardena" und die letzten beiden Bilder
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