Wer
einmal ausgiebig Genuss klettern - und zudem
die Pracht der umliegenden Gebirge geniessen
will - der wird den Mittenwalder Klettersteig
in bester Erinnerung behalten. Obwohl es uns
unterwegs anders vorkam, geht es bergauf laut
Höhenprofil nur 269 Meter... Wir vermuten:
da mogelt der Rechner ein wenig. Denn am nächsten
Tag läßt der Muskelkater nicht
auf sich warten
Diese
Wanderung war eine spontane Idee, weil das
Wetter "ausnahmsweise" mal langanhaltend
schön bleiben sollte. Wir fuhren mit
der Seilbahn zur Karwendelstation hinauf -
und gingen von dort aus links herum über
den ganzen Kessel hinauf zur Nördlichen
Linderspitze, die mit ihren
2372m
Höhe auch schon
den höchsten Punkt der Tour darstellt.
Gleich
zu beginn ging vor uns eine Asiatin in grellrotem
Pulli und hübschem weiten Krempenhut
- mit ihrem Begleiter zur ersten Leider,
die noch keinen Schwierigkeitsgrad darstellt.
Dort brauchte sie eine Weile - und wir konnten
ihre Unsicherheit sehen. Ihr Begleiter war
flott ausser Sichtweite - und sie tat sich
auf der Leiter sichtlich schwer. Die Leiter
ist schwar leicht zu erklimmen, doch wer
sich nicht nach unten sehen traut, tut sich
auch hier schon schwer mit der Höhenangst,
denn vor der Leiter geht es neben dem schmalen
Steig, der zur Leiter führt, gleich
mal senkrecht hinunter. Nach der Leiter
gab es gleich eine weitere schwierige Stelle
(für Ungeübte), an welcher der
Fels ein wenig abgebrochen ist. Es ist zwar
eine Seilsicherung dort - aber man muß
sich mutig ins Seil hängen, um mit
den Füßen am Boden wirklich Halt
zu haben. Zu allem Überfluss gingen
beide, sowohl die Asiatin, als auch ihr
Begleiter - der schon "über alle
Berge" war - ohne Klettergeschirr-Sicherung.
Das muss ja auch jeder für sich selbst
entscheiden. Doch wenn man so unsicher ist,
sollte man dringend eines benützen!
Nun - der Begleiter war außer Sichtweite
und so riefen wir ihn zurück, indem
wir ihm erklärten, dass es im Gebirge
äußerstes Gebot sei, zusammen
zu bleiben, zumal wenn jemand so unsicher
ist, wie seine Partnerin. Er kam zurück,
murmelte etwas und half ihr, indem er dortstand
und ihr unbeholfen Anweisungen gab. Zuletzt
rief sie auf Deutsch, dass wir sie in Ruhe
machen lassen sollten, was wir auch taten.
Im Allgemeinen ist aber zu sagen, dass eine
solche Tour nicht unter den vorgegebenen
Umständen zu empfehlen ist. Uns raubte
dieser Vorfall erstmal eine Menge Energie,
da wir ständig gegen das Gefühl
in unserem Magen kämpfen mussten, dass
sie abstürzen könnte. Wir ließen
die beiden eine ganze Weile vorgehen, bis
wir dann weitergingen. Zum Glück sahen
wir von weitem, dass die beiden in nicht
allzugroßer Entfernung den Steig ins
Tal wählten.
Es
geht nun über teils sehr luftige Routen
über etliche Zinnen und einige Berggipfel.
Nördliche
Linderspitze -
2372m,
Am Gatterl 2266m, Mittelinderspitze
2300m, Südl. Linderspitze 2305m, Gamsanger
2188m (Unterstand), Sulzliklammspitze 2321m,
Kirchlspitze 2301m, Brunnsteinanger 2100m
Brunnsteinhütte 1560m, Mittenwald 915m,
An
allen schwierigen Stellen gibt es eine Seilsicherung
oder Trittstufen für die Füsse.
Dennoch ist gute Kondition unbedingte Voraussetzung.
Teilweise muss man sich wirklich ins Seil
hängen, um gut über die Stellen
zu kommen. Der Fels bietet ebenfalls immer
gute Griffmöglichkeiten. Die Landschaft
ist grandios und gibt einen Blick auf die
umliegenden Gebirge. Das Zusammenspiel von
Wolken und Sonnenlicht lässt alles in
schönstem Licht erscheinen. Wir sind
- wie sollte es auch anders sein - wie immer
die letzten, als wir am Berghang vor dem Brunnsteinanger
Rast machen und das herrliche Abendrot bewundern.
Auf
der Brunnsteinhütte machen wir noch einmal
Rast und freuen uns über die wirklich
glücklichen Bergschafe und Ziegen - im
Wald treffen wir in der Dämmerung noch
eine trächtige Ziege ganz mutterseelen
allein - aber glücklich - und einen Esel,
der ihr Gesellschaft leistet an.
Den
Weg im Dunkeln machen wir wie immer unter
meiner Anleitung ohne Stirnlampe - bis auf
die wenigen Meter ganz unten im Wald. Seit
Jahren gehen wir gemütlich so gut wie
fast nie mit Stirnlampe, obwohl wir beim Abstieg
immer die Letzten sind - und oft erst gegen
21-23 Uhr am Parkplatz ankommen. Der Gewinn
ist: 100% gefühlte Natur!
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