Das Reh © Regina Franziska Rau |
Schon seit einiger Zeit war
mir aufgefallen, dass die Tiere des Waldes mich oft erstaunlich nahe herankommen
ließen, bevor sie Reißaus nahmen. Oder es kam vor, dass sie,
wenn ich schon vor ihnen stand, gemächlich aufstanden und langsam
fortgingen. Dieser Umstand gab mir zu denken. Ich dachte darüber nach, ob es Zufall sei - oder ob es vielleicht etwas mit mir zu tun haben könnte. Zu dieser Zeit wohnte am Rusel bei Deggendorf, im Bayrischen Wald. Ich hatte mich entschlossen zu einer 40 km entfernt liegenden Wallfahrtsstätte - Maria Bründl - zu pilgern. Da kam ich nach einigen Stunden Wanderung an einem Bach vorbei, wo zwei Angler versunken ihren Angelfreuden nachgingen. Ich fragte sie nach dem Weg - und sie erklärten mir beide, dass ich mich auf dem falschen Weg befände. Daraufhin folgte ich ihrer Wegbeschreibung und kam nicht lang darauf an eine Waldlichtung. Dort sah ich von weitem einen Hund im Gras stehen. Ich näherte mich ihm etwas langsamer, weil ich vor großen Hunden eben so großen Respekt habe. Vor allen Dingen, wenn sie mir in so freier Wildbahn begegnen. Ich kam näher, der Hund blieb an seinem Platz stehen. Ich kam noch näher und der 'Hund' neigte sein Haupt, um im Gras zu äsen. Ich konnte es kaum glauben. "'Bist du nun ein Hund - oder nicht?!'" Fragte ich noch aus kurzer Entfernung. Als ich noch näher herangekommen war, sah ich, dass da ein Reh seelenruhig vor mir graste. "'Sag mal, das ist doch auch nicht alltäglich - oder? Machst du das immer so?'" fragte ich das Tier. Es hob kurz denn Kopf, sah mich an - und äste dann ungestört weiter. Ich ging ganz langsam weiter - und kam auf ca. 4 Meter heran. Da hob das Reh seinen Kopf und blickte mich gerade heraus an. Für Momente versanken unsere Blicke ineinander. Das Reh machte sich wieder daran, unbeirrt weiterzugrasen. Und ich stand da - wie angewurzelt und schaute ihm zu. Da hörte ich in der Ferne das Geräusch eines Mofas. Die Straße war von hier etwa 30 Meter entfernt. Als ich gerade den ersten Zipfel des Mofafahrers hinter den Bäumen erblicken konnte, hob das Reh den Kopf, blickte mich an, dann sah es in die Richtung wo der Mann mit dem Mofa auf der Straße fuhr - und es setzte mit Riesensprüngen in den Nahen Wald davon... |
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