Die
wahre Versuchung des Heiligen Antonius
von Paul Arène
(1843
- 1896) in Sisteron geboren, gestorben in Antibes.
Er schrieb viele provençalische
Erzählungen aus der Gegend um Sisteron.
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"Eines
Tages - es war ein paar Wochen vor Weihnachten - saß
ich vor meiner Tür und ließ mich von der Wintersonne
bescheinen. Da kam ein Mann auf mich zu. Er trug festes Schuhwerk,
einen dicken Stock, einen samtenen karierten Mantel und einen
riesengroßen Rucksack. Mit einem leichten Akzent der
Auvergne rief er: "Bratspieße! Bratspieße
zu verkaufen!"
Dann
blieb er vor mir stehen und fragte: "Braucht Ihr nicht
zufällig einen Bratspieß, Herr?"
Ich
antwortete: "Nein, danke. Ich bin ein frommer Einsiedler
und ernähre mich ausschließlich von Wurzeln und
Beeren und klarem Wasser. Wozu sollte ich da wohl einen Bratspieß
brauchen? Ich bitte Euch, geht weiter und lasst mich in Ruhe!"
"Nichts
für ungut, mein Herr, ich bin gleich wieder weg",
sagte der Fremde. Aber bevor er weiterging, deutete er mit
einem teuflischen Grinsen auf meinen Barrabas (ein Schwein),
der zu meinen Füßen saß und ihn angrunzte,
und meinte: "Der da scheint mir aber recht gesund und
fett. Ich dachte - Gott verzeihe mir -, Ihr wolltet ihn vielleicht
mästen, um ihn an Weihnachten zu braten..."
Bevor
ich noch etwas entgegnen konnte, war der seltsame Mann mit
seinem Rucksack, den Bratspieß in der Hand, hinter dem
Hügel verschwunden. Nun, in einem Punkt hatte er recht
- Barrabas, der alte Schlawiner, hatte früher immer Bauchschmerzen
gehabt und war, seit diese nicht mehr auftraten und es ihm
wieder schmeckte, tatsächlich ein bisschen fett geworden.
Darüber hatte ich mir aber noch nie Gedanken gemacht,
und es wäre mir auf keinen Fall in den Sinn gekommen,
meinen einzigen Freund am Spieß zu rösten! Der
Gedanke kam mir so absurd vor, dass ich lachen musste.
Allmählich
jedoch begann die teuflische Idee in mir zu reifen. Wie ein
Unkraut, von dem man zunächst keine Notiz nimmt, keimte
sie tagelang in mir, ohne dass ich mir dessen bewusst wurde.
Der Mann, der mir diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte, muss
der Teufel selbst gewesen sein, verkleidet als Händler:
Auf einmal sah ich lauter Bratspieße vor mir; sie dufteten
und betörten meine Sinne, bis ich nur noch an Braten
denken konnte.
Vergeblich
steigerte ich meine mir auferlegten Bußhandlungen und
Kasteiungen, doch sie hatten keine Wirkung. Im Gegenteil -
das Fasten ließ meinen Appetit nur noch größer
werden. Ich vermied es, mit Barrabas wegzugehen, und machte
meine Bettelgänge allein - und wenn ich abends heimkam
und er mich mit einem freudigen Schwanzwackeln begrüßte
und seinen Rücken an meinem Knie rieb, sah ich weg und
schämte mich, ihn zu streicheln.
Aber
ich weiß nicht, ob euch das alles überhaupt interessiert,
liebe Kinder. Vielleicht sollte ich euch lieber..."
"Nein,
heiliger Antonius, erzählt bitte weiter!"
"Ja, erzählt weiter, heiliger Antonius!"
"Also
gut, Ihr sollt die Geschichte zu Ende hören, auch wenn
ich damit unangenehme Erinnerungen wecke. Da ging es wirklich
hart auf hart! Ihr müsst wissen, dass es oft die harmlosesten
Kleinigkeiten sind, deren sich der Teufel bedient, um einen
in Versuchung zu führen.
In
der Nähe meiner Behausung stand ein Eichenwäldchen
(ich glaube, ein paar Bäume stehen heute noch dort).
Die Bewohner des nahegelegenen Ortes hatten mir erlaubt, mit
Barrabas dort spazieren zu gehen. Wir pflegten dort gemeinsam
herumzustreifen, besonders abends bei Sonnenuntergang, wenn
der Eichenwald seinen warmen, intensiven Geruch verströmt.
Ich lehnte mich an einen Baum und las, während Barrabas
sich über die Eicheln hermachte. Oft stieß er,
wenn er mit der Schnauze in der feuchten, braunen Erde wühlte,
auf ein paar jener schwarzen, duftenden Kugeln, die er für
sein Leben gern knackte."
"Ihr
meint wohl Trüffel, heiliger Antonius?"
"Ja,
mein Kind, genau die meine ich. Ich hatte die edlen Pilze
seit vielen Jahren verschmäht, aber nun erinnerte ich
mich plötzlich wieder an ihren herrlichen Geschmack,
den ich aus früheren Tagen kannte. Immer wenn Barrabas
einen dieser Trüffel ausgrub, haute ich ihm nun mit einem
Stock auf die Schnauze, damit er ihn losließ, anstatt
ihn zu fressen. Und damit der arme Barrabas nicht die Lust
am Suchen verlor, warf ich ihm dafür ein oder zwei Kastanien
hin..."
"Oh
weh! Heiliger Antonius, wie konntet Ihr nur..."
"So
bekam ich nach und nach mehrere Pfund Trüffel zusammen."
"Und
wozu brauchtet Ihr die? Etwa, um später einmal die
Beine des armen Barrabas damit füllen zu können?"
"Das
hatte ich noch nicht entschieden - aber ich muss zugeben,
dass mir der Gedanke nicht fremd war."
Der
Heilige schwieg ein paar Sekunden und fuhr dann fort: "Neben
meiner Tür, zwischen Fels und Wand eingezwängt,
wuchs eine Pflanze, deren Samen der Wind dorthin getragen
hatte. Ihre langen graugrünen Blätter dufteten,
und in ihren kleinen violetten Blüten tummelten sich
im Frühjahr die Bienen. Ich mochte diese genügsame
Pflanze, die anscheinend nur mir zuliebe hier wuchs, ich pflegte
sie regelmäßig und bettete sie in ein Häufchen
Erde. Aber eines Morgens, als ich versehentlich mit dem Fingernagel
einen Spross abgerissen hatte, entströmte der Pflanze
ein Duft, der mich sofort an Schweinebraten denken ließ.
Ich sah das saftige Fleisch förmlich vor mir, wie es
sich am Spieß drehte, benetzt von goldenem, kräuterwürzigem
Saft. Meine geliebte Pflanze war nichts anderes als Salbei,
ein Kraut, das die Köchinnen den Tieren, die sie braten,
gern ins Maul stecken, damit es über der Flamme sein
Aroma an Fleisch und Soße abgibt.
Von
nun an konnte ich die Pflanze nicht mehr sehen, ohne gleichzeitig
den verführerischen Bratenduft in der Nase zu spüren.
Voller
Scham riss ich meine Salbeipflanze aus; am selben Tag leerte
ich alle Trüffel in eine Schüssel und gab sie Barrabas,
der sie gierig verschlang.
Aber
wenn ich geglaubt hatte, es genüge, den Salbei wegzuwerfen
und die Trüffel dem Schwein vorzusetzen, hatte ich mich
getäuscht. Je näher das Weihnachtsfest rückte,
desto heftiger wurden meine Gelüste. Versetzt euch mal
in meine Lage, Kinder: Mein Magen war noch gesund und kräftig,
aber er hatte seit Jahren nur ungewürztes, in Wasser
gekochtes Gemüse bekommen. Und was ich obendrein noch
von meinem Felsen herunter beobachten musste, hätte einen
Heiligeren als mich umgeworfen.
Alle
Bewohner des Ortes, die als brave Christen schon acht Tage
vor dem Fest mit den Vorbereitungen begannen, schleppten ihre
Weihnachtseinkäufe von morgens bis abends an meiner armseligen
Hütte vorbei. Was für eine Prozession! Wie konnte
ich über die Wagenladungen von Hirschen, Wildschweinen,
Hummern, Fischen und Austern hinwegsehen? Da hingen Hühner
und Hähne, die Hälse nach unten, an den Packtaschen
der Reittiere, fette Schafe wurden zum Schlachten geführt,
Enten, Perlhühner und Gänse watschelten vorbei.
Scharen von schwarzen Truthähnen schüttelten ihren
violetten Kropf, dazwischen kamen Bäuerinnen mit großen
Körben voll Obst, das sie auf Stroh gelagert hatten,
voll Trauben, Wintermelonen, frischen Eiern und Milch für
die Nachspeisen, Honig, Käse und getrockneten Feigen.
Das alles quiekte und grunzte, blökte und plapperte,
quietschte und ratterte an meiner Hütte vorbei, erinnerte
mich ständig wieder ans Essen, und manchmal - das war
die schlimmste Versuchung! - kam noch das Quieken eines Schweins
hinzu, das an einen Karren angebunden war und sich in seiner
Schnur verheddert hatte.
Schließlich
wurde es Weihnachten. Nachdem ich die Mitternachtsmesse gelesen
hatte und die Gemeinde gegangen war, schloss ich die Kapelle
ab und verkroch mich unverzüglich in meiner Hütte.
Draußen
war es bitterkalt, ungefähr so kalt wie heute; der Nordostwind
wehte, und Felder und Wege lagen unter einer dichten weißen
Schneedecke. Das Lachen und Singen der Pfarrkinder, die nach
der Messe nach Hause oder zu Freunden zum Weihnachtsschmaus
eilten, drang durch meine Tür. Ich spähte durch
die Ritze meines Fensterladens: Die Fenster der Bauernhöfe,
die hie und da im Dunkeln aufblitzten, und der Widerschein
des Lichtermeers der Stadt unter mir leuchteten rot wie ein
einziges riesengroßes Herdfeuer.
Ich
musste an all die Köstlichkeiten denken, die ich in meinen
üppigeren Jugendjahren in dieser Nacht begoss, ich sah
dampfende Schüsseln, weiße Tischtücher, Porzellan
und Silberbesteck, das im Schein der Kerzenflammen leuchtete,
vor mir. Und ich? Ich saß hier im Halbdunkel, mit nichts
als meinem Barrabas, einem Teller voll Wurzelgemüse und
einem halb gefrorenen Krug Wasser neben mir!
Auf
einmal erfasste mich eine große Trauer. Ich rief laut
Was für ein Weihnachten!' und brach in Tränen
aus.
Auf
diesen Moment hatte der Teufel nur gewartet. Schon seit einigen
Sekunden hörte man unsichtbare Flügel rauschen;
böse Geister lachten und schlugen sanft gegen Tür
und Fensterläden.
Es
sind die Teufel!' warten ich Barrabas. Versteck dich!'
Und Barrabas, der gute Gründe hatte, die Teufelsbrut
zu meiden, verzog sich in die hinterste Ecke des Raumes.
Ein
dichter Hagel von Schlägen prasselte auf meine Dachziegel
hernieder, und die Rasselbande tobte rings um meine kleine
Hütte, dass ich dachte, mein letztes Stündlein sei
gekommen. Aber der Spuk steigerte sich noch: Anstatt sich
wie sonst mit dem Geschrei von Nachtvögeln, mit Ziegengemecker,
klappernden Knochen und rasselnden Ketten hervorzutun, ließen
die Teufel diesmal zarte Laute vernehmen - etwa so, wie sie
aus einem einladenden Gasthof dringen. Doch allmählich
fügte sich der vage Klang zu einer wundervollen Symphonie
von klappernden Töpfen und Bratspießen, Flaschen,
die geleert, und Gläsern, die gefüllt wurden, Gabeln,
die auf Teller stießen, und klirrenden Bratenwendern.
Dann
war es mit einem Schlag still. Ein heftiger Knall ließ
die Wände meiner Hütte erzittern. Die Fensterläden
gingen auf, die Tür fiel aus den Angeln. Ein Wirbelwind
drang ein und blies meine Lampe aus.
Ich
wähnte mich schon in der Hölle und dachte, jetzt
müsse es gleich nach Ruß und Schwefel riechen,
aber im Gegenteil! Der Höllenwind brachte den Duft von
Zimt und Karamell in meine Hütte. Es roch wie in einer
Backstube.
Im
nächsten Augenblick hörte ich den armen Barrabas
kläglich schreien. Die Teufel hatten ihn in seinem Versteck
aufgespürt. Zunächst dachte ich: Jetzt geht
das alte Spiel wieder los! Sicher haben sie ihm wieder irgend
etwas an den Schwanz gebunden - die Herren Teufel sind wirklich
nicht besonders einfallsreich!'
Ich
sah mich außerstande, Barrabas zu helfen, und flehte
den Himmel an, er möge ihm die Kraft geben, den Spuk
allein durchzustehen. Als jedoch sein Jaulen immer lauter
wurde, wagte ich die Augen zu öffnen und sah beim Schein
meiner inzwischen wieder brennenden Lampe, daß mein
armer Märtyrer gegen eine ganze Schar von weißen
Teufeln zu kämpfen hatte, die ihn am Schwanz und an den
Ohren gepackt hatten."
"Weiße
Teufel, heiliger Antonius?"
"Ja,
weiße Teufel, von wunderschönem Weiß, kann
ich euch versichern - als Bäckergesellen und Küchenjungen
verkleidet, mit Schürze und Kochmütze! Sie fuchtelten
mit Fleischmessern herum und ritten auf Abtropfpfannen durch
die Luft.
Die
Teufel stellten zwei Böcke in die Mitte des Raumes, legten
ein dickes Brett darauf und breiteten Barrabas auf das Brett.
In Reichweite waren ein scharfes Fleischmesser, ein Eimer,
ein kleiner Besen und ein Schwamm. Barrabas heulte auf, und
mir war plötzlich klar, dass sie ihn schlachten wollten.
Wie
haarscharf ans Verderben doch die Gier nach Essbarem führen
kann! Solange der arme Barrabas blutete und heulte, tat er
mir noch leid; aber als er keinen Laut mehr von sich gab,
sagte ich mir: Nun, es ist vorbei und nicht mehr zu
ändern', und sah mit einer für mich selbst erstaunlichen
Mischung aus Kaltblütigkeit und Interesse zu, wie mein
langjähriger Gefährte zerlegt und zu allen möglichen
Delikatessen verarbeitet wurde.
Mit
atemberaubender Geschwindigkeit wurde Barrabas enthäutet
und gegrillt, mit dem Kopf nach unten aufgehängt, der
Länge nach aufgeschnitten ausgeweidet und gewaschen (jetzt
war sein Fleisch schon schneeweiß, und es roch gut über
dem heißen Wasserdampf), tranchiert, gehackt, gesalzen
und zu Fleisch- und Wurstbrät verarbeitet. All das geschah
in wenigen Augenblicken, und bereits in der nächsten
Sekunde hatte sich mein bescheidener Ofen dank der Macht der
Unterwelt, die ja leider immer mit Feuer hantiert, in einen
glühenden Herd mit Kochstellen, Bratrohr und Grill verwandelt,
in dem - wie ich inzwischen, ich gebe es zu, mit Freude und
Appetit feststellte! - die sterblichen Reste meines einstigen
Freundes siedeten, kochten, brieten und garten.
Aber
das war noch nicht genug. Plötzlich verwandelte sich
mein kleines Haus in einen Palast. Der Herd, das Feuer und
die Küche verschwanden, die alte Mauer wurde verputzt
und getäfelt, der Boden mit kostbaren Teppichen belegt.
Nur die Dachziegel behielten ihre Löcher, aber diese
Löcher waren wie Atelierfenster verglast, so dass man
den Himmel über sich betrachten konnte - so, wie ich
es neulich bei einem reichen Mann gesehen hatte, den ich besucht
hatte, um ihm die Beichte abzunehmen.
Aus
diesen Löchern kamen die weißen Teufel in Massen
herab und stellten dampfende Schüsseln mit Delikatessen
auf den Tisch, sie hangelten sich an den Blättern herab,
kletterten die Sprossen der Weinreben hinauf, klammerten sich
an die weichen, schweren Knospen, umarmten die Trauben, ließen
sich die Ranken hinuntergleiten und deckten den Tisch, an
dem ich saß.
Mir
lief das Wasser im Mund zusammen. Vor mir stand alles, was
das Herz begehrt, und noch heute könnte ich...
Es
waren vier Schinken (zwei große und zwei kleine), vier
mit Trüffeln gefüllte Beine, eine mit Pistazien
gefüllte Kopfsülze, Hackfleisch, Würstchen,
Braten, Blutwurst und Soßen. Ich saß da mit offenem
Mund und weit geöffneten Nasenlöchern, dache wehmütig
und dankbar an Barrabas und staunte darüber, dass man
aus einem einzigen Tier so viele Köstlichkeiten machen
kann."
"Und,
habt Ihr davon gekostet, heiliger Antonius?"
"Fast,
meine Freunde - um ein Haar wäre ich schwach geworden!
Gerade wollte ich eine Blutwurst, die ein besonders höflicher
Teufel mir reichte, mit der Gabel aufspießen, da sah
ich im Gesicht des Teufels das hämische Grinsen jenes
Mannes wieder, der mir vor zwei Monaten einen Bratspieß
verkaufen wollte und dessen Idee, Barrabas zu schlachten,
die Ursache allen übels gewesen war.
"Weiche
von mir, Satan!" rief ich entsetzt. Die Erscheinung verschwand,
und mit ihr der gedeckte Tisch, der Palast und alles übrige.
Ich saß wieder in meiner gewohnten Hütte, und neben
mir hockte der gute alte Barrabas, der Gott sei Dank bei bester
Gesundheit war und gerade in aller Ruhe seine müden Knochen
reckte. Es war Morgen, mein Feuer war ausgegangen, und anstelle
einer Horde weißer Teufel flogen faustgroße Schneeflocken
durch Tür und Fensterläden, die der Nachtwind geöffnet
hatte."
"Und
dann?"
fragten die Kinder, die von der unheimlichen Erzählung
ganz rote Ohren bekommen hatten.
"Und
dann? Dann bin ich, weil ich meine Lieblosigkeit bereute,
zu Barrabas hinübergegangen, habe ihm das Fell gekrault
und meine Wurzelmahlzeit mit ihm geteilt.
Seither
hat kein Teufel mehr unsere Weihnachtsruhe gestört."
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