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                   Um 
                    eines kleinen Bissens Fleisches willen ... 
                    Praktikumsbericht 
                    der Veterinär-Studentin Christiane 
                    M. Haupt 
                    in einem ganz normalen 
                    Schlachthof - publiziert 17. August 2012  
                  
                     
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                         Erzählen 
                          möchte ich, dass immer wieder inmitten dieses schleimigen, 
                          blutigen Berges ein trächtiger Uterus zu finden 
                          ist, dass ich kleine, schon ganz fertig aussehende Kälbchen 
                          in allen Grössen gesehen habe, zart und nackt und 
                          mit geschlossenen Augen in ihren schützenden Fruchtblasen, 
                          die sie nicht zu schützen vermochten,  das 
                          kleinste so winzig wie ein neugeborenes Kätzchen 
                          und doch eine richtige Miniatur-Kuh, das grösste 
                          weich behaart, braunweiss und mit langen seidigen Wimpern, 
                          nur wenige Wochen vor der Geburt.  
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                         Die Veterinär-Studentin 
                          Christiane M. Haupt im Schlachthof : Es werden 
                          nur Tiere angenommen, die tierschutzgerecht transportiert 
                          werden und ordnungsgemäss gekennzeichnet sind, 
                          steht auf dem Schild über der Betonrampe. Am Ende 
                          der Rampe liegt, steif und bleich, ein totes Schwein. 
                          Ja, manche sterben schon während des Transportes. 
                          Kreislaufkollaps..  
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                  Wie alles beginnt 
                   Was 
                    für ein Glück, dass ich die alte Jacke mitgenommen 
                    habe. Obwohl erst Anfang Oktober, ist es schneidend kalt, 
                    aber ich friere nicht nur deswegen. Ich vergrabe die Hände 
                    in den Taschen, zwinge mich zu einem freundlichen Gesicht 
                    und dazu, dem Direktor des Schlachthofes zuzuhören, der 
                    mir eben erklärt, dass man längst keine Lebenduntersuchung 
                    mehr vornimmt, nur eine Lebendbeschau. 700 Schweine pro Tag, 
                    wie sollte das auch gehen. Es sind eh keine kranken 
                    Tiere dabei. Die würden wir sofort zurückschicken, 
                    und das kostet den Anlieferer eine empfindliche Strafe. Das 
                    macht der einmal und dann nicht wieder. Ich nicke pflichtschuldig 
                    - durch, nur durchhalten, du musst diese sechs Wochen hinter 
                    dich bringen -, was passiert mit kranken Schweinen? Da 
                    gibt es einen ganz speziellen Schlachthof. Ich erfahre 
                    einiges über die Transportverordnungen, und wieviel genauer 
                    man es heutzutage mit dem Tierschutz nimmt. Das Wort, an diesem 
                    Ort gesprochen, klingt makaber. Inzwischen hat sich der vielstimmig 
                    grunzende und quiekende Doppeldecktransporter unter uns bis 
                    an die Rampe heranrangiert. 
                  
                    
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                         schweineschlachtung 
                          ...berauben wir eine Seele des Lichtes und der Spanne 
                          von Zeit, 
                          in die sie hineingeboren wurde, sich daran zu erfreuen 
                           
                           Plutarch 
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                   Einzelheiten 
                    sind in der morgendlichen Dunkelheit kaum auszumachen; die 
                    Szenerie hat etwas Unwirkliches und gemahnt an jene gespenstischen 
                    Wochenschauen aus dem Krieg, an graue Waggonreihen voller 
                    ängstlicher bleicher Gesichter an Laderampen, über 
                    die geduckte Menschenmengen von gewehrtragenden Männern 
                    getrieben werden. Plötzlich bin ich mittendrin. So etwas 
                    träumt man in bösen Träumen, aus denen man 
                    schweissgebadet aufschreckt: Inmitten wabernden Nebels, in 
                    Eiseskälte und schmutzigem Zwielicht dieses unnennbar 
                    böse Bauwerk, dieser flache, anonyme Klotz aus Beton 
                    und Stahl und weissen Kacheln, ganz hinten am frosterstarrten 
                    Waldesrand; hier geschieht das Unaussprechliche, wovon niemand 
                    wissen will. Die Schreie sind das erste, was ich höre 
                    an jenem Morgen, als ich eintreffe, um ein Pflichtpraktikum 
                    anzutreten, dessen Verweigerung für mich fünf verlorene 
                    Studienjahre und das Scheitern aller Zukunftspläne bedeutet 
                    hätte. Aber alles in mir  jede Faser, jeder Gedanke 
                     ist Verweigerung, ist Abscheu und Entsetzen und das 
                    Bewusstsein nicht steigerbarer Ohnmacht: Zusehen müssen, 
                    nichts tun können, und sie werden dich zwingen mitzumachen, 
                    dich ebenfalls mit Blut zu besudeln. Schon aus der Ferne, 
                    als ich aus dem Bus steige, treffen die Schreie der Schweine 
                    mich wie ein Messerstich. Sechs Wochen lang werden sie mir 
                    in den Ohren gellen, Stunde für Stunde, ohne Unterlass. 
                    Durchhalten. Für dich ist es irgendwann zu Ende. Für 
                    die Tiere nie. 
                  So etwas träumt man 
                    in bösen Träumen, aus denen man schweissgebadet 
                    aufschreckt. 
                  Ein kahler Hof, einige Kühltransporter, 
                    Schweinehälften am Haken in einer grell erleuchteten 
                    Türe. Alles peinlich sauber. Das ist die Vorderfront. 
                    Ich suche nach dem Eingang, er ist seitlich gelegen. Zwei 
                    Viehtransporter fahren an mir vorbei, gelbe Scheinwerfer im 
                    Morgendunst. Mir weist ein fahles Licht den Weg, erleuchtete 
                    Fenster. Ein paar Stufen, dann bin ich drinnen, und jetzt 
                    ist alles nur weissgekachelt. Keine Menschenseele zu sehen. 
                    Ein weisser Gang,  da, der Umkleideraum für Damen. 
                    Fast sieben Uhr, ich ziehe mich um: weiss, weiss, weiss. Der 
                    geliehene Helm schaukelt grotesk auf den glatten Haaren. Die 
                    Stiefel sind zu gross. Ich schlurfe wieder in den Gang, stosse 
                    beinahe mit dem zuständigen Veterinär zusammen. 
                    Artige Begrüssung. Ich bin die neue Praktikantin. 
                    Bevor es losgeht, die Formalitäten. Ziehen Sie 
                    sich mal was Warmes an, gehen Sie zum Direktor und geben Sie 
                    Ihr Gesundheitszeugnis ab. Dr. XX sagt Ihnen dann, wo Sie 
                    anfangen. 
                  Schon aus der Ferne treffen 
                    die Schreie der Schweine mich wie ein Messerstich. 
                  Der Direktor ist ein jovialer Herr, 
                    der mir erst einmal von den guten alten Zeiten erzählt, 
                    als der Schlachthof noch nicht privatisiert war. Dann hört 
                    er leider damit auf und beschliesst, mich persönlich 
                    herumzuführen. Und so komme ich also auf die Rampe. Rechter 
                    Hand kahle Betongevierte, von eisigen Stahlstangen umgeben. 
                    Einige sind bereits mit Schweinen gefüllt. Wir 
                    beginnen hier um fünf Uhr morgens. Geschubse, hier 
                    und da Krabbeleien, ein paar neugierige Rüssel schieben 
                    sich durch die Gitter, pfiffige Augen, andere unstet und verwirrt. 
                    Eine grosse Sau geht beharrlich auf eine andere los; der Direktor 
                    angelt nach einem Stock und schlägt sie mehrfach auf 
                    den Kopf. Die beissen sich sonst ganz böse. 
                    Unten hat der Transporter die Holzklappe heruntergelassen, 
                    die vordersten Schweine schrecken vor dem wackeligen und abschüssigen 
                    Übergang zurück, doch von hinten wird gedrängelt, 
                    da ein Treiber dazwischen geklettert ist und kräftige 
                    Hiebe mit einem Gummischlauch austeilt. Ich werde mich später 
                    nicht mehr wundern über die vielen roten Striemen auf 
                    den Schweinehälften. 
                    Der Elektrostab ist für Schweine inzwischen verboten, 
                    doziert der Direktor. 
                   Einige 
                    Tiere wagen strauchelnd und unsicher die ersten Schritte, 
                    dann wogt der Rest hinterher, eins rutscht mit dem Bein zwischen 
                    Klappe und Rampe, kommt wieder hoch, hinkt weiter. Sie finden 
                    sich zwischen Stahlverstrebungen wieder, die sie unentrinnbar 
                    in einen noch leeren Pferch führen. Wenn es um eine Ecke 
                    geht, verkeilen sich die vorderen Schweine, alle stecken fest, 
                    und der Treiber flucht wütend und drischt auf die hintersten 
                    ein, die panisch versuchen, auf ihre Leidesgenossen zu springen. 
                    Der Direktor schüttelt den Kopf. Hirnlos. Einfach 
                    hirnlos. Wie oft habe ich schon gesagt, dass es doch nichts 
                    bringt, die hintersten zu prügeln! Während 
                    ich noch wie erstarrt dieses Schauspiel verfolge  das 
                    ist bestimmt alles nicht wahr  du träumst , 
                    wendet er sich ab und begrüsst den Fahrer eines weiteren 
                    Transportes, der neben den anderen gefahren ist und sich jetzt 
                    zum Ausladen bereit macht. Warum es hier viel schneller, aber 
                    auch mit noch viel mehr Geschrei vonstatten geht, sehe ich 
                    erst, als hinter den emporstolpernden Schweinen ein zweiter 
                    Mann aus dem Laderaum auftaucht, denn was nicht schnell genug 
                    ist, wird von ihm mit Elektroschocks bedacht. Ich starre den 
                    Mann an, dann den Direktor, und dieser schüttelt ein 
                    weiteres Mal den Kopf: Also, Sie wissen doch, das ist 
                    bei Schweinen jetzt verboten! Der Mann blickt ungläubig, 
                    dann steckt er das Gerät in die Tasche. 
                  Wer spricht von der Intelligenz 
                    und Neugier in den Augen eines Schweines? 
                  Von hinten stupst mich etwas in die 
                    Kniekehle, ich fahre herum und blicke in zwei wache blaue 
                    Augen. Viele Tierfreunde kenne ich, die enthusiastisch schwärmen 
                    von den ach so seelenvollen Katzenaugen, dem treuen Hundeblick, 
                     wer spricht von der Intelligenz und Neugier in den 
                    Augen eines Schweines? Ich werde diese Augen sehr bald noch 
                    anders kennenlernen: Stumm schreiend vor Angst, von Schmerzen 
                    stumpf, und dann blicklos, gebrochen, aus den Höhlen 
                    gerissen, über den blutverschmierten Boden kollernd. 
                    Messerscharf streift mich ein Gedanke, den ich in den folgenden 
                    Wochen monoton noch viele hundert Male im Geiste wiederholen 
                    werde: Fleischessen ist ein Verbrechen  ein Verbrechen
 
                    Danach ein kurzer Rundgang durch den Schlachthof, im Pausenraum 
                    beginnend. Eine offene Fensterfront zur Schlachthalle, in 
                    unendlicher Folge schweben am Fliessband fahle, blutige Schweinehälften 
                    vorbei. Dessen ungeachtet sitzen zwei Angestellte beim Frühstück. 
                    Wurstbrot. Die weissen Kittel der beiden sind blutverschmiert, 
                    unter einem Gummistiefel hängt ein Fetzen Fleisch. Hier 
                    ist der unmenschliche Lärm noch gedämpft, der mir 
                    wenig später ohrenbetäubend entgegenschlägt, 
                    als ich in die Schlachthalle geführt werde. Ich fahre 
                    zurück, weil eine Schweinehälfte scharf um die Ecke 
                    saust und gegen die nächste klatscht. Sie hat mich gestreift, 
                    warm und teigig. Das ist nicht wahr  das ist absurd 
                     unmöglich. 
                  Unwillkürlich erwartet man 
                    Ungeheuer, aber es ist der nette Opa von nebenan,  
                    der flapsige junge Mann von der Strasse
 
                   Alles 
                    zugleich stürzt auf mich ein. Schneidende Schreie. Das 
                    Kreischen von Maschinen. Blechgeklapper. Der durchdringende 
                    Gestank nach verbrannten Haaren und versengter Haut. Der Dunst 
                    von Blut und heissem Wasser. Gelächter, unbekümmerte 
                    Rufe. Blitzende Messer, durch Sehnen gebohrte Fleischerhaken, 
                    daran hängende halbe Tiere ohne Augen und mit zuckenden 
                    Muskeln. Fleischbrocken und Organe, die platschend in eine 
                    blutgefüllte Rinne fallen, so dass der eklige Sud an 
                    mir hochspritzt. Fettige Fleischfasern am Boden, auf denen 
                    man ausrutscht. Menschen in Weiss, von deren Kitteln das Blut 
                    rinnt, unter den Helmen oder Käppis Gesichter, wie man 
                    sie überall trifft: in der U-Bahn, im Kino, im Supermarkt. 
                    Unwillkürlich erwartet man Ungeheuer, aber es ist der 
                    nette Opa von nebenan, der flapsige junge Mann von der Strasse, 
                    der gepflegte Herr aus der Bank. Ich werde freundlich begrüsst. 
                    Der Direktor zeigt mir rasch noch die heute leere Rinderschlachthalle 
                     Rinder sind dienstags dran! , übergibt 
                    mich dann einer Dame und enteilt; er hat zu tun. Die 
                    Tötungshalle können Sie sich ja selbst mal in aller 
                    Ruhe ansehen. Drei Wochen werden vergehen, ehe ich mich 
                    dazu überwinde. 
                     
                  Der erste Tag ist für mich noch 
                    Galgenfrist. Ich sitze in einem kleinen Zimmerchen neben dem 
                    Pausenraum und schnippele Stunde um Stunde kleine Fleischstückchen 
                    aus einem Eimer von Proben, den regelmässig eine blutige 
                    Hand aus der Schlachthalle nachfüllt. Jedes Stückchen 
                     ein Tier. Das Ganze wird dann portionsweise zerhäckselt, 
                    mit Salzsäure angesetzt und gekocht, für die Trichinenuntersuchung. 
                    Die Dame zeigt mir alles. Man findet nie Trichinen, aber es 
                    ist Vorschrift. 
                     
                  Am nächsten Tag werde ich dann 
                    selbst zu einem Teil der gigantischen Zerstückelungsmaschinerie. 
                    Eine rasche Einweisung  Hier, den Rest des Rachenringes 
                    entfernen und die Mandibularlymphknoten anschneiden. Manchmal 
                    hängt noch ein Hornschuh an den Klauen, den dann abmachen., 
                    und ich schneide drauflos, es muss schnell gehen, das Band 
                    läuft weiter, immer weiter. Über mir werden andere 
                    Teile des Kadavers entfernt. Arbeitet der Kollege zu schwungvoll, 
                    oder staut sich in der Rinne von mir zuviel blutiger Sud, 
                    spritzt mir der Brei bis ins Gesicht. Ich versuche, zur anderen 
                    Seite auszuweichen, doch da werden mit einer riesigen, wassersprühenden 
                    Säge die Schweine zerteilt; unmöglich kann man hier 
                    stehen, ohne nass bis auf die Knochen zu werden. Mit zusammengebissenen 
                    Zähnen säbele ich weiter, noch muss ich mich zu 
                    sehr eilen, um über all das Grauen nachdenken zu können, 
                    und ausserdem höllisch aufpassen, mir nicht in die Finger 
                    zu schneiden. 
                     
                  Gleich am nächsten Tag leihe ich 
                    mir von einer Kommilitonin, die das Ganze schon hinter sich 
                    hat, einen Kettenhandschuh. Und höre auf, die Schweine 
                    zu zählen, die triefend an mir vorübergleiten. Auch 
                    Gummihandschuhe verwende ich nicht länger. Zwar ist es 
                    grässlich, mit blossen Händen in den warmen Leichen 
                    herumzuwühlen, doch da man sich zwangsläufig bis 
                    an die Schultern beschmiert, läuft das klebrige Gemisch 
                    der Körperflüssigkeiten ohnehin in die Handschuhe 
                    hinein, so dass man sie sich auch sparen kann. Wozu drehen 
                    sie noch Horrorfilme, wenn es das hier gibt? 
                  Die wahren Unmenschen sind all jene, 
                    die diesen Massenmord tagtäglich in Auftrag geben. 
                   Bald 
                    ist das Messer stumpf. Geben Sie her  ich schleif 
                    Ihnen das mal! Der nette Opa, in Wahrheit ein altgedienter 
                    Fleischbeschauer, zwinkert mir zu. Nachdem er das geschärfte 
                    Messer zurückgebracht hat, schwätzt er ein bisschen 
                    herum, erzählt mir einen Witz und geht wieder an die 
                    Arbeit. Er nimmt mich auch künftig ein bisschen unter 
                    seine Fittiche und zeigt mir manchen kleinen Trick, der die 
                    Fliessbandarbeit erleichtert. Gell? Ihnen gefällt 
                    das hier alles nicht. Sehe ich doch. Aber da muss man nun 
                    mal durch. Ich kann ihn nicht unsympathisch finden, 
                    er gibt sich grosse Mühe, mich etwas aufzuheitern. Auch 
                    die meisten anderen sind sehr bemüht zu helfen; sicher 
                    machen sie sich lustig über die vielen Praktikanten, 
                    die hier kommen und gehen, die erst schockiert, dann mit zusammengebissenen 
                    Zähnen ihre Zeit ableisten. Aber sie tun es gutmütig, 
                    Schikanen gibt es nicht.  
                  Es gibt mir zu denken, dass ich  
                    von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen  die hier arbeitenden 
                    Leute gar nicht als Unmenschen empfinden kann, sie sind nur 
                    abgestumpft, wie auch ich selbst mit der Zeit. Das ist Selbstschutz. 
                    Man kann es sonst nicht ertragen. Nein, die wahren Unmenschen 
                    sind all jene, die diesen Massenmord tagtäglich in Auftrag 
                    geben, die durch ihre Gier nach Fleisch Tiere zu einem erbärmlichen 
                    Dasein und einem noch erbärmlicheren Ende  und 
                    andere Menschen zu einer entwürdigenden und verrohenden 
                    Arbeit zwingen. 
                     
                  Langsam werde ich zu einem kleinen 
                    Rädchen in dieser ungeheuren Automatik des Todes. Irgendwann 
                    im Verlauf der nicht enden wollenden Stunden werden die eintönigen 
                    Handgriffe mechanisch, und mühsam. Fast erstickt durch 
                    die ohrenbetäubende Kakophonie und Allgegenwärtigkeit 
                    unbeschreiblichen Grauens, gräbt sich der Verstand aus 
                    den Tiefen betäubter Sinne empor und fängt wieder 
                    an zu funktionieren. Differenziert, ordnet, versucht zu begreifen. 
                    Aber das ist unmöglich. 
                     
                  Als ich zum ersten Mal bewusst erfasse 
                     am zweiten oder dritten Tag  dass ausgeblutete, 
                    abgeflammte und zersägte Schweine noch zucken und mit 
                    dem Schwänzchen wackeln, bin ich nicht in der Lage, mich 
                    zu bewegen. Sie  sie zucken noch
, 
                    sage ich, obwohl ich ja weiss, dass es nur die Nerven sind, 
                    zu einem vorübergehenden Veterinär. Der grinst: 
                    Verflixt, da hat einer nen Fehler gemacht  
                    das ist noch nicht richtig tot! Gespenstischer Puls 
                    durchzittert die Tierhälften, überall. Ein Horrorkabinett. 
                    Mich friert bis ins Mark. 
                  Guck nicht so unfreundlich. 
                    Lächle mal. Du wolltest doch unbedingt Tierarzt werden. 
                  Wieder daheim lege ich mich aufs Bett 
                    und starre an die Decke. Stunde für Stunde. Jeden Tag. 
                    Meine nächste Umgebung reagiert gereizt. Guck nicht 
                    so unfreundlich. Lächle mal. Du wolltest doch unbedingt 
                    Tierarzt werden. Tierarzt. Nicht Tierschlächter. 
                    Ich halte es nicht aus. Diese Kommentare. Diese Gleichgültigkeit. 
                    Diese Selbstverständlichkeit des Mordens. Ich möchte, 
                    ich muss sprechen, es mir von der Seele reden. Ich ersticke 
                    daran.  
                  Von dem Schwein möchte ich erzählen, 
                    das nicht mehr laufen konnte, mit gegrätschen Hinterbeinen 
                    dasass. Das sie solange traten und schlugen, bis sie es in 
                    die Tötungsbox hineingeprügelt hatten. Das ich mir 
                    hinterher ansah, als es zerteilt an mir vorüberpendelte: 
                    beidseitiger Muskelabriss an den Innenschenkeln. Schlachtnummer 
                    530 an jenem Tag, nie vergesse ich diese Zahl. 
                   Ich möchte von den Rinderschlachttagen 
                    erzählen, von den sanften braunen Augen, die so voller 
                    Panik sind. Von den Fluchtversuchen, von all den Schlägen 
                    und Flüchen, bis das unselige Tier endlich im eisernen 
                    Pferch zum Bolzenschuss bereit steht, mit Panoramablick auf 
                    die Halle, wo die Artgenossen gehäutet und zerstückelt 
                    werden,  dann der tödliche Schuss, im nächsten 
                    Moment schon die Kette am Hinterfuss, die das ausschlagende, 
                    sich windende Tier in die Höhe zieht, während unten 
                    bereits der Kopf abgesäbelt wird. Und immer noch, kopflos, 
                    Ströme von Blut ausspeiend, bäumt der Leib sich 
                    auf, treten die Beine um sich
 Erzählen möchte 
                    ich von dem grässlich-schmatzenden Geräusch, wenn 
                    eine Winde die Haut vom Körper reisst, von der automatisierten 
                    Rollbewegung der Finger, mit der die Abdecker die Augäpfel 
                     die verdrehten, rotgeäderten, hervorquellenden 
                     aus den Augenhöhlen klauben und in ein Loch im 
                    Boden werfen, in dem der Abfall verschwindet. 
                    Von der verschmierten Aluminiumrutsche möchte ich berichten, 
                    auf der alle Innereien landen, die aus dem riesigen geköpften 
                    Kadaver gerissen werden, und die dann, bis auf Leber, Herz, 
                    Lungen und Zunge  zum Verzehr geeignet  in einer 
                    Art Müllschlucker verschwinden. 
                  
                     
                      |  
                         Kleine, schon 
                          ganz fertig aussehende Kälbchen in allen Grössen, 
                          zart und nackt und mit geschlossenen Augen in ihren 
                          schützenden Fruchtblasen, die sie nicht zu schützen 
                          vermochten
 
                       | 
                     
                   
                  Kleine, schon ganz fertig aussehende 
                    Kälbchen in allen Grössen, zart und nackt und mit 
                    geschlossenen Augen in ihren schützenden Fruchtblasen, 
                    die sie nicht zu schützen vermochten
 
                  
                     
                      |   | 
                       Jede 
                        achte Kuh kommt trächtig zum Schlachter. Das Blut 
                        der Kälberföten stellt eine zusätzliche 
                        Goldgrube für die internationale Pharmamafia und 
                        Kosmetikindustrie dar: Die Kälber werden aus der 
                        Fruchtblase geschnitten, und dem noch schlagenden Herzen 
                        wird mit einer Nadel durchschnittlich ein halber Liter 
                        Blut abgezapft. So verenden jährlich mindestens 2 
                        Millionen ungeborener Kälber qualvoll, um Forschungslabors 
                        und die Pharmaindustrie zu beliefern. 
                        Copyright: 
                        Viva! www.viva.org.uk 
                         | 
                     
                   
                  Erzählen möchte ich, dass 
                    immer wieder inmitten dieses schleimigen, blutigen Berges 
                    ein trächtiger Uterus zu finden ist, dass ich kleine, 
                    schon ganz fertig aussehende Kälbchen in allen Grössen 
                    gesehen habe, zart und nackt und mit geschlossenen Augen in 
                    ihren schützenden Fruchtblasen, die sie nicht zu schützen 
                    vermochten,  das kleinste so winzig wie ein neugeborenes 
                    Kätzchen und doch eine richtige Miniatur-Kuh, das grösste 
                    weich behaart, braunweiss und mit langen seidigen Wimpern, 
                    nur wenige Wochen vor der Geburt. Ist 
                    es nicht ein Wunder, was die Natur so erschafft? 
                    meint der Veterinär, der an diesem Tag Dienst hat, und 
                    schiebt Uterus samt Fötus in den gurgelnden Müllschlucker. 
                    Und ich weiss nun ganz sicher, dass es keinen Gott geben kann, 
                    denn kein Blitz fährt vom Himmel hernieder, diesen Frevel 
                    zu rächen, der seinen Fortgang nimmt, wieder und wieder. 
                     
                  Auch für die erbärmlich magere 
                    Kuh, die, als ich morgens um sieben komme, krampfhaft zuckend 
                    im eisigen, zugigen Gang liegt kurz vor der Tötungsbox, 
                    gibt es keinen Gott und niemanden, der sich ihrer erbarmt 
                    in Form eines schnellen Schusses. Erst müssen die übrigen 
                    Schlachttiere abgefertigt werden. Als ich mittags gehe, liegt 
                    sie immer noch und zuckt, niemand, trotz mehrfacher Aufforderung, 
                    hat sie erlöst. Ich habe das Halfter, das unbarmherzig 
                    scharf in ihr Fleisch schnitt, gelockert und ihre Stirn gestreichelt. 
                     Sie blickt mich an mit ihren riesiggrossen 
                    Augen, und ich erlebe nun selbst, dass Kühe weinen können. 
                  Die Schuld, ein Verbrechen tatenlos 
                    mitanzusehen, wiegt so schwer  
                    wie die es zu begehen. Ich fühle mich so unendlich schuldig. 
                   Meine 
                    Hände, Kittel, Schürze und Stiefel sind besudelt 
                    vom Blute ihrer Artgenossen, stundenlang habe ich unter dem 
                    Band gestanden, Herzen und Lungen und Lebern aufgeschnitten, 
                     Bei den Rindern saut man sich immer total ein, 
                    bin ich bereits gewarnt worden. 
                     
                  Das ist es, wovon ich berichten möchte, 
                    um es nicht allein tragen zu müssen,  aber im Grunde 
                    will es keiner hören. Nicht, dass ich während dieser 
                    Zeit nicht oft genug befragt werde. Wie ist es denn 
                    so im Schlachthof? Also, ich könnte das ja nicht! 
                    Ich grabe mir mit den Fingernägeln scharfe Halbmonde 
                    in die Handflächen, um nicht in diese mitleidigen Gesichter 
                    zu schlagen, oder um nicht den Telefonhörer aus dem Fenster 
                    zu werfen,  schreien möchte ich, aber längst 
                    hat all das, was ich tagtäglich mitansehe, jeden Schrei 
                    in der Kehle erstickt.  
                  Keiner hat gefragt, ob ich es kann. 
                    Reaktionen auf noch so karge Antworten verraten Unbehagen 
                    ob des Themas. Ja, das ist ganz schrecklich, und wir 
                    essen auch nur noch selten Fleisch. Oft werde ich angespornt: 
                    Beiss die Zähne zusammen, du musst da durch, und 
                    bald hast du es ja hinter dir! Für mich eine der 
                    schlimmsten, herzlosesten und ignorantesten Äusserungen, 
                    denn das Massaker geht weiter, Tag für Tag. Ich glaube, 
                    niemand hat begriffen, dass mein Problem weniger darin bestand, 
                    diese sechs Wochen zu überleben, sondern dass dieser 
                    ungeheure Massenmord geschieht, millionenfach,  für 
                    jeden geschieht, der Fleisch isst. Besonders jene Fleischesser, 
                    die von sich behaupten, Tierfreunde zu sein, werden für 
                    mich nun vollends unglaubwürdig. 
                     
                  Hör auf  verdirb mir 
                    nicht den Appetit! Auch damit bin ich mehr als einmal 
                    rigoros abgewürgt worden, gefolgt von der Steigerung: 
                    Du bist ein Terrorist! Jeder normale Mensch lacht dich 
                    doch aus! Wie allein man sich in solchen Augenblicken 
                    vorkommt. Ab und zu sehe ich mir den kleinen Rinderfetus an, 
                    den ich mit heimgenommen und in Formalin eingelegt habe. Memento 
                    mori. Lass sie lachen, die normalen Menschen. 
                  Augen, die ich niemals mehr vergessen 
                    kann, Augen, in die jeder sehen sollte, den es nach Fleisch 
                    verlangt. 
                  Die Dinge abstrahieren sich, wenn man 
                    von soviel gewaltsamen Tod umgeben ist; das eigene Leben erscheint 
                    unendlich bedeutungslos. Irgendwann blickt man auf die anonymen 
                    Reihen zerstückelter Schweine, die mäanderförmig 
                    durch die Halle ziehen, und fragt sich: Wäre 
                    es anders, wenn hier Menschen hingen?  
                  Insbesondere die rückwärtige 
                    Anatomie der Schlachttiere, dick und pickelig und rotgefleckt, 
                    erinnert verblüffend an das, was an sonnigen Urlaubsstränden 
                    fettig unter engen Badehosen hervorquillt. Auch die nicht 
                    endenwollenden Schreie, die aus der Tötungshalle herübergellen, 
                    wenn die Schweine den Tod spüren, könnten von Frauen 
                    oder Kindern stammen. Abstumpfung bleibt nicht aus. Irgendwann 
                    denke ich nur noch, aufhören, es soll aufhören, 
                    hoffentlich macht er schnell mit den Elektrozangen, damit 
                    es endlich aufhört. Viele geben keinen Ton vor 
                    sich, hat einer der Veterinäre einmal gesagt, 
                    andere stehen eben da und schreien völlig grundlos. 
                     
                  Ich sehe mir auch das an,  
                    wie sie dastehen und völlig 
                    grundlos schreien.   
                  Mehr als die Hälfte des Praktikums 
                    ist vorüber, als ich endlich in die Tötungshalle 
                    gehe, um sagen zu können: Ich habe gesehen. 
                    Hier schliesst sich der Weg, der vorn an der Laderampe beginnt. 
                    Der kahle Gang, in den alle Pferche münden, verjüngt 
                    sich und führt eine Tür in einen kleinen Wartepferch 
                    für jeweils vier oder fünf Schweine. Sollte ich 
                    je den Begriff Angst bildlich darstellen, ich 
                    würde die Schweine zeichnen, die sich hier gegen die 
                    hinter ihnen geschlossene Tür zusammendrängen, ich 
                    würde ihre Augen zeichnen. Augen, die ich niemals mehr 
                    vergessen kann. Augen, in die jeder sehen sollte, den es nach 
                    Fleisch verlangt. 
                  Mit Hilfe eines Gummischlauches werden 
                    die Schweine separiert. Eines wird nach vorn in einen Stand 
                    getrieben, der es von allen Seiten umschliesst. Es schreit, 
                    versucht nach hinten auszubrechen, und häufig hat der 
                    Treiber alle Hände voll zu tun, ehe er endlich mit einem 
                    elektrischen Schieber den Stand schliessen kann. Ein Knopfdruck, 
                    der Boden des Standes wird durch eine Art fahrbaren Schlitten 
                    ersetzt, auf dem sich das Schwein rittlings wiederfindet, 
                    ein zweiter Schieber vor ihm öffnet sich, und der Schlitten 
                    mit dem Tier gleitet hinüber in eine weitere Box. Der 
                    danebenstehende Grobschlächter  ich habe ihn insgeheim 
                    immer Frankenstein genannt  setzt die Elektroden 
                    an; eine Dreipunktbetäubung, wie der Direktor mir einst 
                    erklärt hat. Man sieht das Schwein sich in der Box aufbäumen, 
                    dann klappt der Schlitten weg, und das zuckende Tier schlägt 
                    auf einer blutüberströmten Rutsche auf und zappelt 
                    mit den Beinen.  
                  Auch hier wartet ein Grobschlächter, 
                    zielsicher trifft das Messer unter dem rechten Vorderbein, 
                    ein Schwall dunklen Blutes schiesst hervor, und der Körper 
                    rutscht weiter. Sekunden später hat sich bereits eine 
                    Eisenkette um ein Hinterbein geschlossen und das Tier emporgezogen, 
                    und der Grobschlächter legt das Messer ab, greift nach 
                    einer verschmierten Cola-Flasche, die auf dem zentimeterdick 
                    mit geronnenem Blut bedeckten Boden steht, und genehmigt sich 
                    einen Schluck. 
                  Ich folge den am Haken baumelnden, 
                    ausblutenden Kadavern in die Hölle 
                   Feuer 
                    flammt auf, und mehrere Sekunden lang werden die Körper 
                    herumgeschüttelt und scheinen einen grotesken Springtanz 
                    aufzuführen. 
                  Ich folge den 
                    am Haken baumelnden, ausblutenden Kadavern in die Hölle 
                    So habe ich den nächsten 
                    Raum genannt. Er ist hoch und schwarz, voll von Russ, Gestank 
                    und Feuer. Nach einigen bluttriefenden Kurven erreicht die 
                    Schweinereihe eine Art riesigen Ofen. Hier wird entborstet. 
                    Von oben fallen die Tiere in einen Auffangtrichter und gleiten 
                    in das Innere der Maschine. Man kann hineinsehen. Feuer flammt 
                    auf, und mehrere Sekunden lang werden die Körper herumgeschüttelt 
                    und scheinen einen grotesken Springtanz aufzuführen. 
                     
                  Dann klatschen sie auf der anderen 
                    Seite auf einen grossen Tisch, werden sofort von zwei Grobschlächtern 
                    ergriffen, die noch verbliebene Borsten herunterkratzen, die 
                    Augäpfel herausreissen und die Hornschuhe von den Klauen 
                    trennen. Einen Moment nur dauert dies alles, hier wird im 
                    Akkord gearbeitet. Haken durch die Sehnen der Hinterläufe, 
                    schon hängen die toten Tiere wieder und gleiten nun zu 
                    einem stählernen Rahmen, der wie ein Flammenwerfer konzipiert 
                    ist: Ein bellendes Geräusch, und der Tierkörper 
                    wird von einem Dutzend Stichflammen eingehüllt und einige 
                    Sekunden lang abgeflammt. Das Fliessband setzt sich wieder 
                    in Bewegung, führt in die nächste Halle,  
                    jene, wo ich schon drei Wochen lang gestanden habe. Die Organe 
                    werden entnommen und auf dem oberen Fliessband bearbeitet: 
                    Zunge durchtasten, Mandeln und Speiseröhre abtrennen 
                    und fortwerfen, Lymphknoten anschneiden, Lunge zum Abfall, 
                    Luftröhre und Herz eröffnen, Trichinenprobe entnehmen, 
                    Gallenblase entfernen und Leber auf Wurmknoten untersuche. 
                    Viele Schweine sind verwurmt, ihre Lebern 
                    sind von Wurmknoten durchsetzt und müssen weggeworfen 
                    werden.  
                  Alle übrigen Organe wie Magen, 
                    Darm und Geschlechtsapparat landen im Abfall. Am unteren Fliessband 
                    wird der Restkörper gebrauchsfertig gemacht: zerteilt, 
                    Gelenke angeschnitten, After, Nieren und Flomen entfernt, 
                    Gehirn und Rückenmark abgesaugt etc., dann Stempel auf 
                    Schulter, Nacken, Lende, Bauch und Keule aufgebracht, gewogen 
                    und in die Kühlhalle befördert. Nicht zum Verzehr 
                    geeignete Tiere werden vorläufig beschlagnahmt. 
                    Das Stempeln ist für den ungeübten Schweissarbeit, 
                    die lauwarmen, glitschigen Kadaver hängen zum Schluss 
                    des Bandes hin sehr hoch, und will man nicht von ihnen erschlagen 
                    werden, muss man sich beeilen, denn vor der Waage klatschen 
                    die Hälften mit viel Wucht aufeinander. 
                  Mir ist, als 
                    ob diese Besudelung und der Geruch für immer an mir haften. 
                    Hinaus, nur hinaus
 
                  Wie oft mein Blick in all diesen Tagen 
                    zur Uhr schweift, die im Pausenraum hängt, vermag ich 
                    nicht zu sagen. Ganz gewiss geht keine Uhr auf der ganzen 
                    Welt langsamer als diese. Jeden Vormittag ist zur Halbzeit 
                    eine Pause erlaubt, aufatmend eile ich in den Waschraum, reinige 
                    mich notdürftig von Blut und Fleischfetzen; mir ist, 
                    als ob diese Besudelung und der Geruch für immer an mir 
                    haften. Hinaus, nur hinaus. Ich habe in diesem Haus nie auch 
                    nur einen Bissen essen können.  
                  Entweder verbringe ich die Pause, so 
                    kalt es auch sein mag, draussen, laufe bis an den Stacheldrahtzaun 
                    vor und starre hinüber auf die Felder und den Waldrand, 
                    beobachte die Krähen. Oder ich gehe zum jenseits der 
                    Strasse gelegenen Einkaufszentrum, dort ist eine kleine Bäckerei, 
                    wo man sich bei einer Tasse Kaffee aufwärmen kann. Zwanzig 
                    Minuten später zurück ans Band.  
                  Fleisch essen 
                    ist ein Verbrechen. Kein Fleischesser kann je wieder mein 
                    Freund sein. Niemals. Niemals wieder. Jeden, denke ich, jeden 
                    der Fleisch isst, sollte man hier durchschicken, jeder müsste 
                    es sehen, von Anfang bis Ende. 
                  Das steril verschweisste Schnitzel 
                    im Supermarkt hat keine Augen mehr, die überquellen vor 
                    nackter Todesangst, es schreit nicht mehr. 
                  Ich stehe hier nicht, weil ich Tierarzt 
                    werden will, sondern weil Menschen meinen, Fleisch essen zu 
                    müssen.  
                  Und nicht nur das allein: Auch, weil 
                    sie feige sind. Das steril verschweisste Schnitzel im Supermarkt 
                    hat keine Augen mehr, die überquellen vor nackter Todesangst, 
                    es schreit nicht mehr. Das alles ersparen sie sich, all jene, 
                    die sich von geschändeten Leichen nähren: Also, 
                    ich könnte das nicht!  
                  Dann, eines Tages, kommt ein Bauer 
                    und bringt Fleischproben zur Trichinenuntersuchung. Sein kleiner 
                    Bub begleitet ihn, zehn oder elf Jahre alt vielleicht. Ich 
                    sehe, wie das Kind seine Nase an der Scheibe plattdrückt, 
                    und denke: Wenn die Kinder es sähen, all dieses Grauen, 
                    all die ermordeten Tiere, gäbe es da nicht noch Hoffnung? 
                  
                     
                      |  
                         Ich sehe, wie 
                          das Kind seine Nase an der Scheibe plattdrückt, 
                          und denke: Wenn die Kinder es sähen, all dieses 
                          Grauen, all die ermordeten Tiere, gäbe es da nicht 
                          noch Hoffnung? 
                       | 
                     
                   
                   Ich kann genau hören, wie der 
                    Bub nach seinem Vater ruft. Papi, schau mal! Geil! Diese 
                    grosse Säge da.   
                    Am Abend, im Fernsehen, berichtet Aktenzeichen XY ungelöst 
                    von dem Verbrechen an einem jungen Mädchen, das ermordet 
                    und zerstückelt wurde, und vom namenlosen Entsetzen und 
                    Abscheu der Bevölkerung auf diese Greueltat.  
                  So etwas ähnliches habe 
                    ich diese Woche 3.700 Mal mitangesehen, werfe ich ein. 
                     
                  Nun bin ich nicht mehr nur ein Terrorist, 
                    sondern obendrein krank im Kopf. Weil ich Entsetzen und Abscheu 
                    nicht nur wegen eines Menschenmordes empfinde, sondern auch 
                    wegen des tausendfach mit Füssen getretenen Mordes an 
                    Tieren: 3.700 mal nur in dieser einen Woche, nur in diesem 
                    einen Schlachthof.  
                  
                     
                      |  
                         Mensch sein 
                           heisst das nicht nein zu sagen und sich zu weigern, 
                           
                          Auftraggeber eines Massenmordes zu sein  für 
                          ein Stück Fleisch? 
                       | 
                     
                   
                  Mensch sein  heisst das nicht 
                    nein zu sagen und sich zu weigern, Auftraggeber eines Massenmordes 
                    zu sein  für ein Stück Fleisch? Sonderbare 
                    neue Welt. Vielleicht hatten die winzigen, dem Mutterleib 
                    entrissenen Kälbchen, die starben, bevor sie geboren 
                    wurden, das beste Los von uns allen. 
                     
                  Irgendwann ist der letzte all dieser 
                    nicht endenwollenden Tage gekommen. Irgendwann halte ich die 
                    Praktikumsbestätigung in Händen, einen Papierwisch, 
                    teurer bezahlt, als ich je für irgend etwas bezahlt habe. 
                    Die Tür schliesst sich, eine zaghafte Novembersonne geleitet 
                    mich über den kahlen Hof zum Bus. Schreie und Maschinenlärm 
                    werden leiser. Als ich die Strasse überquere, biegt ein 
                    grosser Viehtransporter mit Anhänger in die Zufahrt zum 
                    Schlachthof ein. Schweine auf zwei Etagen, dichtgedrängt. 
                    Ich gehe ohne einen Blick zurück, denn ich habe Zeugnis 
                    abgelegt, und jetzt will ich versuchen zu vergessen, um weiterleben 
                    zu können. Kämpfen mögen nun andere; mir haben 
                    sie in jenem Haus die Kraft dazu genommen, den Willen, die 
                    Lebensfreude, und sie gegen Schuld und lähmende Traurigkeit 
                    getauscht. Die Hölle ist unter 
                    uns, vieltausendfach, Tag für Tag. 
                  Eines aber bleibt immer, jedem von 
                    uns: Nein zu sagen. Nein, nein und abermals nein! 
                  Dieser Artikel 
                    wurde im Vegi-Info 98/2 abgedruckt und kann auch einzeln, 
                    als Sonderdruck, bei der SVV angefordert werden (für 
                    SVV-Mitglieder kostenlos).  
                     
                     Falls Sie diesem Wahnsinn ein Ende 
                    setzen wollen, wählen Sie aus einer anderen Speisekarte: 
                    Essen 
                    Sie keine Tiere mehr, leben Sie vegetarisch und unterschreiben 
                    Sie bitte die überall zu findenden Petitionen zur Beendung 
                    jeglicher Grausamkeit an Tieren.!  
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