wichtige Botschaften zu unserer Zeit
FRANZ SUSMAN - KIRCHENHISTORIKER
Und die Erde wird neu erblühen



Der neue Mensch
im ersten und zweiten Jahrhundert


 

Der neue Mensch
im ersten und zweiten Jahrhundert

Eusebius von Caesarea wird allgemein als der "Vater der Kirchengeschichtsschreibung" angenommen. Er lebte ca. von 260 - 340 nach Christus. Ungefähr um das Jahr 315 wurde er Bischof von Caesarea. Im Jahre 324 wurde er von der Synode zu Antiochia exkommuniziert, aber schon 325 in Nicaea wieder rehabilitiert.

Er war der Sprecher Kaiser Konstantins und daher gilt er mit diesem zusammen als der Begründer der katholischen Kirche.

Eusebius versuchte, als Historiker zu beweisen, dass die neue Kirche die wahre Kirche schlechthin sei. Dazu galt es, die bisherige Geschichte so zu ordnen, zu interpretieren oder auch etwas zu erfinden, dass man alle Gegner der neuen Kirche als gottwidrig einstufen konnte, ja sogar musste.

Aus historisch einwandfreien Quellen wissen wir, dass im ersten Jahrhundert pythagoräische Philosophen im östlichen Mittelmeerraum lebten. Ihre Existenz und ihr Wert werden von solchen Historikern bezeugt, die selbst kein Interesse hatten, diese Gruppe besonders hervorzuheben.

Eusebius schreibt nun im zweiten Buch seiner Kirchengeschichte, Kap. 16: "Markus soll als erster in Ägypten das von ihm niedergeschriebene Evangelium gepredigt und in Alexandrien selbst als erster Kirchen gegründet haben.
So groß war schon beim ersten Beginnen die Menge der daselbst gläubig gewordenen und in größter Enthaltsamkeit und strengster Entsagung lebenden Männer und Frauen, dass Philon ihr Leben, ihre Zusammenkünfte, ihre Mahlzeiten und die ganze übrige Lebensführung einer schriftlichen Darlegung würdigte.

Philons Berichte

Philon soll unter Claudius in Rom mit Petrus, als er damals den Bewohnern predigte, verkehrt haben.
Dies dürfte nicht unwahrscheinlich sein. Denn die Schrift, von welcher wir sprechen und welche Philon später nach Jahren verfasst hat, enthält offenbar Gemeinde-Vorschriften, welche noch heute bei uns beobachtet werden. Da er das Leben unter Asketen so deutlich wie möglich beschreibt, so dürfte es auch klar sein, dass er die zu seiner Zeit lebenden apostolischen Männer, welche, wie es scheint, aus dem Judentum stammten und daher noch in echt jüdischer Weise die meisten alten Bräuche beobachteten, nicht nur kannte, sondern auch voll Bewunderung anerkannte. In der Schrift, welche er betitelte "Das beschauliche Leben" verwahrt er sich zunächst dagegen, dass er seiner Darstellung über die Tatsachen hinaus noch etwas aus eigenen Bräuchen und eigenem Geist beifügte.

Lebensweise der Therapeuten

Er berichtet sodann, dass man jene Männer Therapeuten und die gemeinsam mit ihnen lebenden Frauen Therapeutriden nenne. Diese Bezeichnung begründete er entweder damit, dass diese Leute gleich Ärzten die Seelen derer, die zu ihnen kommen, von der Sünde der Leidenschaften (apoche) befreien, um sie zu heilen und gesunden zu lassen, oder damit, dass sie Gott in reinem lauterem Dienst verehren.

Ob Philon selbst ihnen diese Bezeichnung beilegt, das heißt, sie ganz ihrer Lebensweise entsprechend so benennt, oder ob schon von Anfang an, als der Name 'Christen' noch nicht überall verbreitet war, die Stifter selbst tatsächlich diesen Namen gebrauchten, ist wohl nicht zu erörtern.
Philon bezeugt vor allem von ihnen, dass sie auf Besitz verzichteten. Er erzählt, dass sie, sobald sie anfin-gen, sich ihrer Philosophie zu widmen, ihr Vermögen an ihre Verwandten abtraten. Nachdem sie alle Sorgen um das Leben abgeworfen hatten, verließen sie die Mauern (ihrer Städte) und nahmen ihre Wohnungen an einsamen Orten und in Gärten, da sie wohl wussten, dass der Verkehr mit Andersgesinnten unnütz und schädlich ist. Im mutigen, glühenden Glauben lebten sie das Prophetenleben derer nach, welche wohl schon dereinst in gleicher Weise als Asketen gelebt hatten. In der als echt anerkannten Apostelgeschichte ist nämlich berichtet, dass alle Schüler der Apostel ihr Hab und Gut verkauften, um es an alle unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des einzelnen zu verteilen, so dass es unter ihnen keine Armen gab.

Die Schrift sagt: "Alle nun, welche Grundbesitz oder Häuser hatten, verkauften dieselben und brachten den Erlös und legten ihn zu den Füßen der Apostel, so dass jedem gegeben werden konnte, was er brauchte."

Nachdem Philon ähnliches berichtet hatte, fährt er wörtlich fort: "Das Geschlecht (der Therapeuten) findet sich an vielen Orten auf dem Erdkreis. Sowohl die griechischen als die barbarischen Länder sollten an dem vollkommenen Gut teilhaben. Stark vertreten ist es in Ägypten und zwar in jedem der so genannten Distrikte (í) vor allem in der Umgebung von Alexandrien.
Von allen Seiten her ziehen die edelsten Menschen in die Heimat der Therapeuten, um sich anzusiedeln; sie begeben sich an einen sehr günstigen Ort, der jenseits des Mareiasees auf einer etwas sanften Anhöhe infolge seiner Sicherheit und der Reinheit der Luft sehr glücklich gelegen ist."

Nachdem Philon sodann die Beschaffenheit ihrer Wohnungen beschrieben hat, sagt er von den überall im Lande zerstreuten Versammlungsräumen: "In jedem Haus ist ein heiliges Zimmer, welches Heiligtum und Einsamkeit genannt wird. Hier vollbringen sie in Abgeschlossenheit die Geheimnisse ihres würdigen Lebens. Nichts, weder Trank noch Speise noch sonst etwas, was für den Unterhalt des Leibes notwendig ist, nehmen sie mit sich hinein, sondern Gesetze, von Gott eingegebene Worte der Propheten, Gesänge und anderes, wodurch Weisheit und Frömmigkeit gefordert und vervollkommnet werden."

Später fährt er fort: "Ihre ganze Zeit zwischen Morgen und Abend gehört der Askese. Sie treiben Philo-sophie nach Art ihrer Väter, indem sie die heiligen Schriften lesen und allegorisch erklären. Sie halten nämlich die gebräuchlichen Worte für Sinnbilder eines verborgenen Wesens, das sich in Allegorien offen-bare. Sie besitzen auch Schriften alter Männer, welche Urheber ihrer Richtung waren und zahlreiche Denkmäler ihrer Art zu allegorisieren hinterlassen haben. Sie benützen diese als Muster, um ihre geistige Art nachzuahmen."
So spricht offenbar ein Mann, der es mit eigenen Ohren hörte, wie sie die heiligen Schriften auslegten. Die bei ihnen gebräuchlichen Schriften der Alten, von denen Philon spricht, dürften wohl die Evangelien, die Schriften der Apostel und wahrscheinlich Erklärungen der alten Propheten sein, wie sie der Brief an die Hebräer und noch mehrere andere Briefe des Paulus enthalten.

Über ihre Dichtung neuer Psalmen schreibt er sodann: "Sie geben sich also nicht nur der Betrachtung hin, sondern verfassen auch Gesänge und Hymnen auf Gott in verschiedenen Versmaßen und Gesangsweisen; doch bedienen sie sich hierbei, wie notwendig, nur würdiger Maße."
Zwar behandelt Philon noch viel anderes Einschlägiges im gleichen Buch. Doch scheint es mir notwendig, nur das zu erwähnen, was für das Gemeinde-Leben charakteristisch ist. Wenn aber jemand glauben wollte, die erwähnten Bemerkungen bezögen sich nicht auf das evangelische Leben, sie könnten viel mehr auch auf andere als die Genannten passen, so möge er sich wenigstens durch die weiteren Worte Philons belehren lassen, durch welche er, wenn er klar denkt, ein unbestreitbares Zeugnis hierüber erhält.

Enthaltsamkeit als Grundlage

Philon schreibt: "Zunächst pflanzen sie in ihre Seele die Enthaltsamkeit gewissermaßen als Grundlage, um dann die übrigen Tugenden darauf zu bauen. Vor Sonnenuntergang dürfte wohl keiner von ihnen Speise oder Trank zu sich nehmen. Denn zu philosophieren betrachten sie als des Lichtes würdig; als der Finsternis würdig dagegen erklären sie die Befriedigung des Körpers. Jenem widmeten sie daher den ganzen Tag, dieser dagegen nur einen kurzen Teil der Nacht. Einige, in denen ein besonderes Verlangen nach Weisheit wohnt, denken erst nach drei Tagen an Nahrung. Wieder andere sind durch die Weisheit, welche reichlich und neidlos ihnen ihre Lehre spendet, so sehr mit Freude und Wonne gesättigt, dass sie gewohnt sind, noch einmal so lange zu fasten und kaum alle sechs Tage die notwendige Nahrung zu sich nehmen."

Unseres Erachtens beziehen sich diese Redewendungen Philons deutlich und unwidersprechlich auf unsere Religion. Wenn aber jemand trotzdem noch hartnäckig widersprechen sollte, dann möge er sich bekehren und überzeugen lassen durch noch auffälligere Merkmale, welche nirgends als nur in der christlichen, evangelischen Religion zu finden sind. Wie nämlich Philon erzählt, befinden sich in den erwähnten Kreisen auch weibliche Personen. Die meisten von ihnen waren bejahrte Jungfrauen, welche aber nicht wie manche griechische Priesterinnen aus Zwang die Jungfräulichkeit bewahrten, sondern vielmehr in freiwilligem Entschluss aus eifrigstem Verlangen nach Weisheit. Da sie mit der Weisheit zusammenzuleben strebten, verachteten sie die fleischlichen Freuden und verlangten nicht nach sterblichen, sondern nach unsterblichen Nachkommen, welche nur eine gottliebende Seele aus sich zu gebären vermag.

Etwas später schreibt Philon noch deutlicher: "Die heiligen Schriften werden von ihnen bildlich durch Allegorien erklärt. Nach Meinung dieser Leute gleicht die ganze Gesetzgebung einem lebenden Wesen, dessen Körper der Wortlaut des Gesetzes, dessen Seele aber der in den Worten verborgene geheime Sinn ist. Diese Schule begann vor allem diesen Sinn zu betrachten; sie schaute im Spiegel der Worte sich offenbarende übermäßige Schönheit der Ideen."
Soll ich außerdem noch ihre gemeinschaftlichen Zusammenkünfte, ihre einheitliche, aber von Männern und Frauen getrennt ausgeführte Beschäftigung erwähnen und ihre religiösen Übungen, welche noch bis auf den heutigen Tag bei uns in Brauch sind und welche sich bei uns besonders am Fest des Erlöserleidens in Fasten, nächtlichen Wachen und Betrachtungen des göttlichen Wortes zu äußern pflegen?

Diese Übungen beschreibt der erwähnte Schriftsteller genauso, wie sie einzig und allein bei uns noch heute beobachtet werden, in seiner Schrift. Er erwähnt die Nachtwachen mit den frommen Übungen am großen Fest und die bei uns üblichen Hymnen und berichtet, dass, während ein einziger nach dem Takt würdevoll vorsingt, die übrigen still zuhören und nur am Schluss der Gesänge mit einstimmen; dass sie an den genannten Tagen auf Stroh am Boden liegen, sich, wie er ausdrücklich schreibt, vollständig des Weines, aber auch jeglicher Fleischspeise enthalten und nur Wasser und dazu Brot mit Salz und Ysop genießen. Ferner beschreibt er die Art und Weise, in welcher diejenigen, welche zur Verrichtung und Diensten in der Gemeinde ( í ) und zu der allerhöchsten Würde der Oberaufsicht ( ) erwählt worden sind, ihres Amtes walten.
Wer hierüber noch genauere Aufschlüsse wünscht, kann sie aus dem erwähnten Bericht Philons erhalten. Jedem dürfte aber klar sein, dass Philon, als er hierüber schrieb, an die ersten Verkündiger der evangelischen Lehre und an die ursprünglichen von den Aposteln überlieferten Bräuche dachte.
Beredt in der Sprache und reich an Gedanken, kühn und hochstrebend in der Auslegung der göttlichen Bücher, verfasste Philon mannigfaltige und verschiedenartige Erklärungen der heiligen Schriften.

Zuerst behandelte er der Ordnung und Reihe nach die Ereignisse der Genesis unter dem Titel:
  "Allegorische Auslegung der heiligen Gesetze"
Dann schrieb er Sonderuntersuchungen mit Fragen und Antworten über wichtige Probleme der Bibel, welchen er die entsprechende Überschrift gab:
  "Untersuchungen und Erklärungen zu Genesis und Exodus"
Weitere Spezialstudien sind:
  Zwei Bücher über den Ackerbau
  Zwei Bücher über die Trunkenheit
Noch andere Schriften (über die Genesis) mit eigenen kennzeichnenden Titeln sind:
  Segenswunsch und Fluch des Noe, als er nüchtern geworden war
  Die Sprachverwirrung
  Flucht und Wiederfinden
  Zusammenkommen um der Nachkommenschaft willen
  Der Erbe der göttlichen Güter oder die Teilung in gleiche, einander gegenüberliegende Stücke
  Die drei Tugenden, welche Moses nebst anderen beschrieben hat.
 

Die Namensänderung und der Grund dafür

In der letzten Schrift weist er hin auf seine zwei Bücher
  Über die Testamente
Ferner verfasste er:
  Die Auswanderung ... und:
  Das Leben eines Weisen, der durch Gerechtigkeit vollendet wurde
  Ungeschriebene Gesetze

Einen ausgezeichneten Kommentar zu diesen Ausführungen von Eusebius finden wir bei Robert Taylor: "The Diegesis". Taylor (1784 - 1844) war einer der gebildetesten Menschen seiner Zeit. Schon in der Volksschule konnte er jedes Gedicht auf Anhieb auswendig aufsagen. Er war Priester in der Anglikanischen Kirche und gleichzeitig Arzt. Wegen seiner Veröffentlichungen, die die historischen Fälschungen aufdeckten, war er mehrere Jahre im Gefängnis. Sein Werk müsste jeder freie Mensch kennen. Natürlich verhinderten die Sektierer, dass sein Werk bekannt wurde, eben weil er ihnen bewies, dass sie Sektierer waren.
Das Wort "Diegesis" kommt oft im NT vor und bedeutet: das ursprüngliche Evangelium. Robert Taylor beendete dieses Buch am 19. Februar 1829 im Gefängnis. Mir liegt die Ausgabe von 1894 vor, die in Boston erschien. Nach Taylor beschäftigten sich noch viele mutige Forscher mit der Frage der Fälschungen. Doch hat mich besonders das Buch "Diegesis" bei meinen folgenden Ausführungen inspiriert.

Eusebius zitiert in seiner Kirchengeschichte Philon. Philon schrieb etwa im Jahre 10 nach Christus. Und er sagte, dass die weit verbreiteten Therapeutengruppen nach alten "kirchlichen Vorschriften" lebten, welche "noch heute (man bedenke zur Zeit Konstantins!) bei uns beobachtet werden." Weiter sagt Eusebius, dass Philon im Jahre 10 "die apostolischen Männer kannte und auch voll Bewunderung anerkannte."
Jene Männer und Frauen, die nach sehr alten Büchern und philosophischen Traditionen lebten, wurden Therapeuten genannt, weil sie gleich Ärzten, die Menschen von den
Leidenschaften befreiten. Die so Gereinigten dienten rein und lauter Gott. Eusebius weiß weiter nicht, ob die Therapeuten von Anfang an so hießen oder ob erst Philon sie so nannte und dies im Jahre 10. Jene "apostolischen Männer" haben also, nach Eusebius, einen sehr alten Ursprung.

Sie lebten an einsamen Orten in Gärten. Dorthin zogen sie sich zurück, um sich ganz ihrem Studium zu widmen. Es wird auch gesagt, dass sie sich in die Wüste zurückzogen. Lebten sie aber dennoch in Gärten, so mussten sie in der Wüste Bäume angepflanzt haben. Es wird ausdrücklich von ihnen gesagt, dass sie sich der Fleischspeisen enthielten. Sie aßen weder Lämmer, noch Schafe und natürlich auch keine Heu-schrecken. Übrigens hätten sie bei der Haltung von Schafen keine Gärten anlegen können, da diese jedes aufkeimende Grün sofort wegfressen.

"Sie lebten das Prophetenleben derer nach, welche wohl schon dereinst in gleicher Weise als Asketen gelebt hatten." Jene Menschen, von Philon Therapeuten genannt, lebten asketisch, d.h. sie hatten schöne, sportliche Körper und trainierten ebenso für eine edle Seele.
In der hellenistischen Welt wusste noch jeder, dass ein guter Geist in einem schönen Körper wohne. Das war nichts anderes als das alte pythagoreische Ideal aller Propheten der damaligen Zeit. Aus anderen Berichten wissen wir auch, dass die Essener ein sehr hohes Alter erreichten, weil sie ihren Körper und ihre moralischen und geistigen Fähigkeiten übten. Propheten waren dann auch die Männer und Frauen, die dem Volk den Willen des Schöpfers deuteten. Sie übten die Gabe der Inspiration aus höheren Welten bei besonderen Zusammenkünften.
"Unter ihnen gab es keine Armen", weil sie alles miteinander teilten. Und so befiel sie auch keine Existenzangst, keine Hungersnot und kein Neid. Dagegen hatten sie sehr viel Zeit für die Dinge auf die es im Leben ankommt.

Ausbreitung der Therapeuten, Propheten, Essener
der später sogenannten (Ur)-Christen


Diese Therapeuten, Propheten, Essener, oder wie sie später rückwirkend "Christen" genannt wurden, waren schon im Jahre 10 in den griechischen Ländern sehr verbreitet, und ebenso in den nichtgriechischen. Es ist anzunehmen, dass Philon sagen wollte, sie wären im ganzen römischen Imperium heimisch.
Überall hatten sie ihre Prophetenschulen: in Nordafrika, im heutigen Spanien, in Frankreich, in Deutschland, im Balkan, in Kleinasien und in Palästina. "Sowohl die griechischen als die barbarischen Länder sollten an dem vollkommenen Gut teilhaben," sagt Philon und Eusebius zitiert ihn. Die Therapeuten also hatten das vollkommene Gut ihrer Lebensweise. Unter Kaiser Augustus war es nicht verboten, dieses pythagoreisch-essenische Lebensideal zu verwirklichen, und so verbreitete es sich gerade in der Zeit besonders rasch. Auch heute noch würde sich diese Lebensweise in alle Länder ausbreiten, wenn nicht die kirchliche Ignoranz und das politische System des Materialismus diese Verbreitung mit allen Mitteln verhinderte. Nicht mal das Wissen, dass eine solche Lebensweise möglich ist, kann ungehindert verbreitet werden.

Die Therapeuten waren die Vorbilder, an denen sich das Volk orientieren konnte in seiner Suche nach dem Glück und dem Sinn des Lebens. "Von allen Seiten her ziehen die edelsten Menschen in die Heimat der Therapeuten, um sich anzusiedeln."

Wo liegt diese Heimat, das Zentrum der Therapeuten? Es liegt sehr günstig, sagt Philon: auf einer Anhöhe, wo die Luft rein ist. Hinter dem See Mareotis erhebt sich die schöne Oase mit Palmen, Johannisbrotbäumen, Dattelpalmen, Feigenbäumen. Die Luft stinkt nicht nach den Exkrementen von Kühen und Schafen. Kein Staub liegt wie eine Dunstglocke über dem Therapeutenzentrum. Im Gegenteil die Luft hier ist frischer als anderswo, in den Bäumen nisten unbekümmert die Vögel, denn die Therapeuten sind ihre Beschützer. Ihre Lebensweise ist umweltfreundlich.

Arnold Toynbee, der bekannte Historiker hat sie die beste Gemeinschaft in der Geschichte genannt, und er kannte den Aufstieg und den Niedergang vieler Nationen. Kein Wunder, wenn sich "die edelsten Menschen bei den Therapeuten ansiedeln" wollten. Ihre Siedlungen waren auch vor Räubern und Seuchen geschützt, weil sich die Siedler untereinander halfen und kannten.

Überall im Land gab es Versammlungsräume. Diese Säle für ihre Zusammenkünfte waren etwas Besonderes. Es war ein geschützter Raum, in dem die Luft immer rein gehalten wurde. Keine Speise durfte dort aufbewahrt werden und es durfte auch nichts verzehrt werden. Für das Abendmahl wurde ein anderer Raum benutzt.
Was geschah bei den Zusammenkünften? Es wurden die Naturgesetze und die Gesetze des Lebens erklärt. Man sang und man hörte die Worte der Propheten. Die Propheten waren die Männer und Frauen, die die besondere Gabe der Vermittlung zwischen Diesseits und Jenseits besaßen. Die Heiligkeit des Versammlungsraumes wurde genauso geschützt wie wir es von den Sitzungsräumen der alten Ägypter her kennen oder von den modernen Räumen der Spiritualisten.

Weil die Therapeuten die Menschheit auf eine höhere Ebene heben wollten, mussten sie im Kontakt mit der geistigen Welt sein. Schon damals konnten sie beobachten, wie der menschliche Geist sich irren kann, wenn er sich selbst überlassen bleibt, oder sich überheblich dünkt, den Willen Gottes selbst interpretieren zu können.

Wie spielte sich der Tageslauf bei den Therapeuten ab? Sie übten den ganzen Tag hindurch ihren Körper und ihren Geist. Sie studierten die Philosophie nach der Art ihrer Väter, in dergleichen Art wie auch Pythagoras und Platon ihre Schüler angeleitet hatten. Sie lernten nützliche Dinge für die Entwicklung des Menschen in Form von Gleichnissen. Sie betrieben einen anschaulichen Unterricht: denn Gleichnisse, alle Allegorien und alle Geschichten, die sie besprachen, waren auf die jeweilige Gegenwart bezogen.

In der Allegorie (Beispiel) des Auszugs der Juden aus Ägypten lernten sie zu verstehen, in welcher Sklaverei diese und mit ihnen die damalige Menschheit lebten und wie man sich daraus befreien konnte. Sie studierten die Ursachen der Krankheiten und des Elends beim Volk, um ihm zu helfen. Sie lasen und studierten mit Vorliebe solche Schriften, wo sie etwas Praktisches lernen konnten. An der äußeren Geschichte waren sie nicht interessiert, weil sie sagten, die Vergangenheit ist vorbei und kann nicht mehr geändert werden. Sie wollten nur in der Wirklichkeit der Gegenwart leben.
Eusebius meint, dass die Therapeuten des Jahres 10 hauptsächlich die Evangelien, die Schriften der Apostel und der alten Propheten studierten. Also hatten die wichtigsten Philosophen der damaligen Zeit jene Bücher in der Hand, die wir heute Evangelien und Apostelgeschichte nennen. Etwa 50 Jahre bevor irgendein Evangelium in der heutigen Form bestand, wussten sie schon Bescheid. Sie schrieben auch selber neue Psalmen und lebten voll in der neuen Zeit der Wende.
Indem sie mit ihren Gemeinden im Mittelmeerraum verbunden waren, wussten sie auch, wo größere Propheten auftraten. Rasch griff diese Lebensweise um sich. Besonders
Flavius Josephus weiß vieles über dieses Erwachen zu berichten.

Gerechtigkeit als die Tugend,
welche die Menschen aus ihrem Leid führt

Gerechtigkeit als die Tugend, welche die Menschen aus ihrem Leid führt

In jedem Fall praktizieren sie die Gerechtigkeit als die Tugend, die alle Menschen zu einem Ideal führen könnte. Deswegen hatte auch der "Lehrer der Gerechtigkeit" bei den Therapeuten auch solch einen hohen Rang.

Die Pharisäer kannten die Gerechtigkeit nicht. Sie besaßen Geld und aus Geld machten sie mehr Geld, und das geschah auf folgende Weise: die Armen bekamen Geld ausgeliehen, wenn sie in Not waren. Die Pharisäer nutzten aber die Lage aus, sie verlangten von ihren Gläubigern mehr, als sie selbst gaben.

Dies war der Hintergrund auf dem das Bild der Tauschwirtschaft gesehen werden muss, von der im Evangelium die Rede ist: du darfst nie mehr verlangen als du gegeben hast!

Es waren die Essener mit ihrem Gerechtigkeitssinn die die ursprüngliche Ordnung wieder ins Volk bringen wollten. Sie lehrten und zeigten es im lebendigen Beispiel.