wichtige Botschaften zu unserer Zeit
FRANZ SUSMAN - KIRCHENHISTORIKER
Und die Erde wird neu erblühen



Paulus
Spätgeburt - und Spätentwickler


 

Spätgeburt und Spätentwickler Paulus

Vom Paulus wissen wir folgendes:

Als eine Spätgeburt des Christentums bezeichnete sich der Apostel Paulus selbst. Er gehörte nicht zu den Männern der ersten Stunde, wollte nachher aber gern die erste Geige spielen. Er hatte Jesus im Fleische, als Essäer, nicht erlebt. Lange fehlte ihm als altem Pharisäer das Verständnis für den Vegetarismus. Seine Bekehrung zum Vegetarismus war eine schwierige Geburt. Er wollte das Christentum ohne Vegetarismus in aller Welt gesellschaftsfähig machen, was ihm ja auch leider gelungen ist. Damals stieß er damit auf großen Widerstand bei all denen, die in Christo eine neue Kreatur geworden waren. Bevor Paulus nach Rom ging, gab es auch dort schon eine vegetarische christliche Gemeinde und Paulus versuchte, sich vorher schriftlich mit ihr zu verständigen, nach seinen schlechten Erfahrungen im palästinensischen Bereich. Die Macht der vegetarischen Mehrheit und der großen Autoritäten und schließlich eine besondere Offenbarung Jesu selbst hat dann auch ihn zum Vegetarismus bekehrt.

"Er legt ein Bekenntnis ab, als wäre er ein Pythagoreer", schrieb dazu Clemes von Alexandrien (Paed. 2,1,11).
"Darum, weil meine Speise für meinen Bruder ein Skandal ist, esse ich in Ewigkeit (bis zum Ende dieses Äons) kein Fleisch (kreas, nicht nur kein Götzenopferfleisch!) mehr, damit ich meinen Bruder nicht ärgere" (1. Kor. 8,13).
Wenn Paulus sich selbst ernst genommen hat, wenn man sich auf sein geschriebenes Wort verlassen konnte, dann muss er aus sich selbst die Konsequenzen gezogen haben und Vegetarier geworden sein, denn ihrer waren damals sehr viele, die an seiner noachitischen Leichtfertigkeit Anstoß nahmen. Warum nehmen aber die noachitischen Christen diese Worte nicht ernst, die doch sonst jedes Wort ihres Leib-apostels für "Gottes Wort" erklären?

Durch die Paulus-Zeugnisse ist ein historisches Problem gelöst. In ihrem Abwehrkampf gegen den Vegetarismus haben die Theologen gerne so darzustellen versucht, und sie tun es noch, als sei der christliche Vegetarismus erst eine Erfindung der Ebioniten des zweiten Jahrhunderts gewesen, die man dann der ersten Generation des Christentums angedichtet habe. Die paulinischen Brefe beweisen, dass man schon um die Mitte des ersten Jahrhunderts den christlichen Vegetarismus vertreten und verteidigt hat.

Das Damaskus des Saulus / Paulus wird uns in der Apostelgeschichte dreimal erzählt. Einmal berichtet Lukas darüber (9,1 - 22), zweimal erzählt Paulus selbst die Geschichte seiner Bekehrung (22,3-16; 26,9-18). Dabei stellte sich der okkulte Jesus zweimal vor als "Ich bin Jesus, den du verfolgst" (9,5 und 26,15), das dritte Mal dagegen bezeugte er sich als "Ich bin Jesus der Nazoräer, den du verfolgst" (22,8). Der Kampf für oder gegen den Nazoräer erstreckt sich also bis in die Erinnerungen und Handschriften hinein, die zum Teil in Variationen doch noch den Nazoräer bringen. (Das irrtümliche Motiv des Paulus( "Ich meinte bei mir selbst, ich müsste viel gegen den Namen Jesus der Nazoräer tun" (26,9), schlug auch nach Damaskus noch durch und er hat es dann doch noch fertig gebracht, den Namen Nazoräer in sämtlichen paulinischen Briefen zu vermeiden und damit erreicht, dass das gesamte ihm hörige paulinische Weltchristentum bis auf den heutigen Tag in tiefe Umnachtung und Unwissenheit hinsichtlich der nazoräischen Anfangsideale des Christentums geraten ist.

Das unbekannte zweite Damaskus

Das Ziel Jesu des Nazoräers war natürlich, logischerweise, auch aus diesem "auserwählten Werkzeug" (Apg. 9,15) einen nazoräischen, einen Enthaltsamen zu machen. Über dieses wirklich fällige, zu erwartende vegetarische Damaskus des Paulus gibt es nun tatsächlich ein literarisches Dokument, einen erratischen Block, unerwartet allerdings in einer antijesuanischen, jüdischen Schmähschrift. Aber das vergrößert nur das Wunder seiner Herkunft und Wahrheit.

Paulus bekennt: "Jesus befahl mir, dass ich kein Fleisch esse und keinen Wein trinke, sondern nur Brot, Wasser und Früchte, damit ich rein befunden werde, wenn er mit mir reden will" (Toldot Jeshu, Ms. Vindobona; herausgegeben von Samuel Krauss, Berlin 1902, Seite 113). (Die gültige Weisheit dieser Aussage ließ sich nicht von einem gehässigen Widersacher aus Römer 14,21 und 1. Kor. 8,13 ab- und zusammenschreiben, weil hier ein ganz anderes Motiv und ein anderer Effekt vorliegen als nur der, seinen Bruder nicht ärgern zu wollen) Hier geht es darum, durch reine Ernährung das Gefäß, den Tempel des Leibes, würdig und fähig zu machen für eine spirituelle Kommunikation zwischen dem himmlischen Meister und seinem irdischen Schüler. Reinheit und Wirkung der nazoräischen Diät sind in der Bibel nie so klar formuliert worden. Allenfalls in Daniel, 1,12.15-17 ist auf diesen Zusammenhang zwischen Speise und Spiritualität schon hingewiesen worden. Ähnliche Weisheit ist noch in unseren Tagen von dem Eingeweihten Mahatma Gandhi gelehrt worden: "Wer seine Ernährung auf Tiermord aufbaut, hat Mangel in der Feinfühligkeit des Gewissens und verbaut sich die höchsten Möglichkeiten in seiner Entfaltung." Davon lässt sich unsere akademisch-christliche Theologie allerdings nichts träumen.

Es gibt in der Tat noch weitere große Fortschritte des Paulus in der nazoräischen Gnosis: "Wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert" (1. Kor. 5,7). Das jüdische Passah, das Schlachten und Essen eines Osterlammes gehört also nicht mehr in das Christentum. Paulus bittet uns, die Konsequenzen daraus zu ziehen: "Ich fordere euch nun auf, liebe Brüder, im Hinblick auf die Barmherzigkeit Gottes (die blutigen Tieropfer aufzugeben und statt dessen) euer eigenes Leben in heiliger, Gott wohlgefälliger Aufopferung hinzugeben, welches sei euer vernünftiger (logosgemäßer) Gottesdienst" (Römer 12,1).
Im Jahre 66 praktizierte die gesamte Jerusalemer Urgemeinde als Gruppe Kriegsdienstverweigerung, übte sie auf göttliche Weisung und nationale Fahnenflucht und emigrierte nach Pella im Ostjordanland. Nicht Qumran, sondern Pella war hier die christliche Losung und Lösung. Jerusalem ging zu Grunde, Qumran ging zu Grunde, Pella überlebte.

Bis ins vierte Jahrhundert war Pazifismus eine Selbstverständlichkeit für die Christen und eine Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde, fürwahr eine großartige Neuigkeit in der antiken Welt. Seit dem konstantinischen Sündenfall, der Unterwerfung der Kirche unter den Staat, wurde diese heilige Tradition unterschlagen bis auf den heutigen Tag. Des alles gehörte zum Exodus Jesu und seiner Anhänger aus der jüdischen Volksreligion und Volksgemeinschaft.
Das neue Passah, der neue Exodus war vor allem auch ein Aufbruch aus dem globalen Ägypten dieser Welt mit seinen noachitischen Fleischtöpfen. Zur Erlösung gehört auch die Erlösung von dem noachitischen Fluch, der nach der Sintflut über die Tier- und Menschenwelt gekommen ist. (1. Mose 9,2-6). Das wussten Jesus und die Urchristen. Aber dann haben die so genannten Christen diese ihnen unbequeme Wahrheit fast 2000 Jahre unterschlagen und totgeschwiegen. Während dies in den Urgemeinden, wie wir noch einmal bei Paulus sehen werden, ein Thema Nr. 1 war, wurde es aus dem Bewusstsein der selbstsicheren Pharisäer des christlichen Abendlandes völlig ausgelöscht. Das ist nur zu erklären aus ihrer jahrtausendelangen Vergiftung und Bewusstseinsvernebelung durch den Konsum von Blut, Fleisch, Alkohol, Nikotin und noch stärkeren Rauschgiften.

Wohl gewann Jesus den vegetarischen Impuls unmittelbar aus Urgeschichte und Zukunftsvision und aus Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer", aber er begegnete auch früh den historischen Spuren versuchter und praktizierter Blut- und Alkoholabstinenz in Israel bei Rechabiten, Nasiräern, Essäern und Therapeuten. Diätetisch (in Bezug auf die Ernährungs- und Lebensweise also) fühlte er sich am meisten zu Hause bei den Essäern und Therapeuten, unter denen er schließlich unter göttlicher Vorsehung geboren und aufgewachsen war. Darum kam für ihn kein Osterlamm in Frage und gab es kein alkoholisches Trinkgelage (Symposion), darum führte er seine Jünger am letzten Abend ins Ordenshaus der Essäer in Jerusalem, darum bestimmte er nach seinem Tode den Erzvegetarier Jakobus den Gerechten zum Leiter der Schule der Nazoräer, und darum führte er seine Gemeinde unter das schützende Dach der essäischen Siedlungen in Pella. Und darum gab es im ersten Jahrhundert des Christentums hunderttausend und mehr Vegetarier unter Juden und Christen in Palästina.

Erstaunlich und beherzigenswert für uns abendländische Versager bleibt die Tatsache, dass die Judenchristen, Nazoräer, Ebioniten und Elkesaiten trotz aller Rejudaisierung den Vegetarismus und den Pazitismus nicht vergessen haben. Auch wo sie in jüdischen Vorurteilen und Bräuchen hängen blieben, überwanden sie doch, was viel wichtiger und richtiger war, den noachitischen Pfahl im eigenen Fleisch. Wir aber verwarfen mit Beschneidung und Sabbatismus auch gleich die Schriftkritik (Lehre von den falschen Perikopen), die Kultfeindschaft, die Betonung der Armut, den Pazifismus der guten alten Judenchristen, die Jesus dem Nazoräer bestimmt viel näher standen als die fleischessenden, trinkenden und rauchenden, kapitalistischen und militaristischen heutigen Heidenchristen.

Wie leichtfertig sich die moderne Theologie der ebionitischen Wahrheit entledigte, zeigt das vernichtende Fehlurteil des Kirchenhistorikers Karl Heussi: "Der jüdisch-römische Krieg (66-70, bzw. 73) vertrieb (?) die Urgemeinde aus Jerusalem und beraubte sie damit des Nimbus, der sie bis dahin auch in den Augen der Heidenchristen (???)geben hatte. Seitdem trat das Judenchristentum rasch zurück; im Gesamtverlauf der Kirchengeschichte bildet es eine 'paläontologische Periode'" (Kompendium der Kirchengeschichte, 5. Aufl., Tübingen 1922, Seite 22/23). So ist es "richtig": die der Wahrheit näher stehenden Nazoräer werden als vorgeschichtlicher Leerlauf abgetan. Der unabhängige jüdische Religionshistoriker Hans Joachim Schoeps stellte dagegen die vernünftige Frage: "Waren sie am Ende doch die wahren Erben, auch wenn sie untergingen?" Es ist das Amt des Historikers, in jedem Fall mit Nachdruck auf das in Vergessenheit geratene Faktum hinzuweisen, dass es in der Frühzeit des Christentums und noch ziemlich lange in der alten Kirche neben der katholischen auch eine ebionitische gegeben hat" (Die ebionitische Wahrheit des Christentums, Deutsches Pfarrerblatt, 1. Februar 1953, Seite 51).
Wir heute noch lebenden Nazoräer aber haben die Aufgabe - im Gegensatz zur "neutralen", gleichgültigen Wissenschaft -, alle wiedergefundene Wahrheit für die Zukunft zu retten, sie mit allen anderen christlichen Wahrheiten zusammen öffentlich zu verkündigen und sie in der Tat zu verwirklichen.


Paulus oder des Widerspenstigen Zähmung

Man kann sich kein Bild vom Vegetarismus im Anfang des Christentums machen, wenn man nicht auch die Entwicklung des Saulus-Paulus zum Christentum und zum Vegetarismus betrachtet.

Zwei unbekannte Tatsachen wird man zur Kenntnis nehmen müssen:

  1. Paulus bat sich schon im ersten Jahrhundert, ja, um die Mitte des ersten Jahrhunderts, mit den judenchristlichen und mit den heidenchristlichen Vegetariern auseinandergesetzt. Diese gab es also schon damals, gleich nach Jesus, sie waren nicht erst eine Erfindung des zweiten ebionitischen Jahrhunderts.
  2. Paulus hat nach schweren äußeren und inneren Kämpfen doch noch vor der Wahrheit und Gerechtigkeit des Nazoräertums kapituliert und ist durch Jesus nicht nur zum Christen, sondern zu guter Letzt auch noch zum Vegetarier bekehrt worden, hat also gleichsam ein zweites Damaskus erlebt. Dafür werden wir "aus den Schriften" die Beweise antreten.

Wer war dieser Paulus? Er möge sich selbst vorstellen: Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsus in Zilizien und erzogen in dieser Stadt (Jerusalem), zu den Füßen Garnaliels geschult und im väterlichen Gesetz mit aller Strenge, und war ein Eiferer für Gott, so wie ihr alle es heute seid. Als solcher habe ich diesen Weg, (den die Christen gehen) verfolgt bis auf den Tod" (Apg. 22,3-4). Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn" (Apg. 9,1). "Ich hatte mir eingebildet, ich müsste viel dem Namen Jesu des Nazoräers zuwider tun. Und das habe ich auch in Jerusalem getan und habe viele von den
Heiligen hinter Schloss und Riegel gebracht, wozu ich mir von den Hohenpriestern die Vollmacht besorgte, und wenn sie hingerichtet wurden, half ich, sie zu verurteilen. - Ich verfolgte sie auch bis in die fremden Städte" (Apg. 26,9-11). "Und als das Blut des Stephanus vergossen wurde, stand ich ebenfalls dabei und hatte Wohlgefallen daran und passte auf die Kleider derer auf, die ihn beseitigten" (Apg. 22,20). Über diesen gemeingefährlichen Mann verbreitete sich nun plötzlich das Gerücht, er habe vor Damaskus eine Christusvision gehabt und sei zum Jünger und Apostel Jesu bekehrt worden.

Er hatte eine Stimme gehört, die sprach:
"Saul, Saul, warum verfolgst du mich? - Ich bin Jesus der Nazoräer, den du verfolgst" (Apg. 22,7.8). Dem Manne musste zunächst einmal das Handwerk gelegt werden. Ihm konnte auch nur vorausgesagt werden: "Sie werden dir dein Bekenntnis zu mir nicht abnehmen" (18). "Ich aber werde dich in die Ferne unter die Heiden senden" (21). In der Tat und wohl mit Recht begegnete dieser Saulus großer Skepsis und Ablehnung in der judenchristlichen Urgemeinde. Sollte man ihm einfach alles vergeben, konnte man ihm trauen oder ihn gar als lieben Bruder umarmen? Wer wollte mit solchem Mann etwas zu tun haben? Der neutestamentliche Bericht ist eine einseitige Parteinahme für Paulus. Die lukanische Apostelgeschichte, die zu drei Vierteln Paulusbiographie ist, ist "eine rückblickende Tendenzschilderung der Jahre 30-60 im Interesse des semi-paulinischen Unions-Christentums" (Schoeps, Judenchristentum Seite 269).

"Ein Tendenzdokument der den Ebioniten feindlichenMajoritätsrichtung" (Seite 258) der frühkatholischen Kirche. Durch die Aufnahme der paulinischen Briefe in das Neue Testament bekamen sie kanonischen, unfehlbaren Rang und kam Paulus mit mindestens ebensoviel Worten zur Geltung wie Jesus in den Evangelien, so daß sich schon lange die Frage gestellt hat, ob nicht das Evangelium des Paulus über den Christus das Evangelium, die Aussage Jesu selbst, längst überflügelt hat. Einer der Würmer im Gebälk der Bibel ist die noch immer laufende Manipulation, alle Entwicklungs- und Irrtumsstufen des Paulus als "Gottes Wort" zu deklarieren. Der Autorität des Paulus kam zugute, dass er auch wunderbare christliche Gedanken geäußert hat, wie Römer 12 und 1. Kor. 13. Das darf uns aber nicht blind machen gegenüber seinen negativen Einflüssen. Auch wird aus einem Saulus nicht von heute auf morgen ein Paulus, wobei noch zu bemerken ist, dass Paulus keineswegs sein christlicher Bekehrungsname, also Ausdruck einer veränderten, gebesserten Persönlichkeit war, sondern nur sein römischer Bürgername, den er schon vor seinem Damaskus führte.

Saulus nannte sich selbst eine "Fehlgeburt" (1. Kor. 15,8), einen zu spät Geborenen, eine "unzeitige Geburt", weil er Jesus nicht im Leibe begegnet war, worauf er aber auch gar keinen Wert legte, da es ihm allein um seine Christusspekulation ging. Er war also kein Zeuge der ersten Generation, vielmehr ein Nachkömmling ohne historische Erfahrung, allenfalls ein christlicher Spätentwickler. Die judenchristliche Urgemeinde lehnte das behauptete Apostolat und die Theologie des Saulus ab. Jakobus der Gerechte und Petrus standen bei den Nazoräern im höchsten Ansehen, nicht Saulus. Er wurde als "der feindliche Mensch", als Pseudoapostel, als Antichrist bezeichnet und unter dem Pseudonym des Magiers Simon angegriffen. Saulus hat dann erbittert und wütend zurückgeschlagen.

Einer der großen Neutestamentler hat gesagt: "Wer genauer zusieht, lernt es, zwischen den Zeilen seiner Briefe zu lesen und er erkennt hinter den Satansdienern und Lügenaposteln und falschen Brüdern die Schatten der Großen von Jerusalem" (Hans Lietzmann). Es kam ein hässlicher Streit und Tonfall in die christlichen Gemeinden, wie er im Kreis um Jesus ganz unmöglich gewesen war. Die Protokolle von diesen schrecklichen Kämpfen wurden dann leider auch als "Gottes Wort" verewigt und werden als solches bis auf den heutigen Tag in aller Welt verbreitet. Als das Christentum ablehnende Juden Paulus nach dem Leben standen und er von der römischen Besatzungsmacht in Schutzhaft genommen wurde, klagte der Hohepriester Ananias ihn vor dem Statthalter Felix in Cäsarea an, dass er ein Unruhestifter unter allen Juden auf dem Erdkreis sei und ein Prominenter der Sekte der Nazoräer (Apg. 24,5)

. Vom Standpunkt der Juden aus gesehen war er also jetzt ein Anhänger des Ketzers und Nazoräers Jesus, in Wahrheit aber fühlte er sich nicht anerkannt als Nazoräer und hat er der nazoräischen Urgemeinde nie angehört. Er hat sich dadurch gerächt, dass er den primären Namen Nazoräer aus dem Christentum, aus seinem Christentum für alle Zeiten ausgemerzt hat. Was er sich schon vor dem Damaskuserlebnis vorgenommen hatte: "Ich müsste viel dem Namen Jesu des Nazoräers zuwider tun" (Apg. 26,9), das setzte er leider auch noch nach seiner "Bekehrung" fort. Oblgeich er vor Damaskus von Jesus dem Nazoräer (Apg. 22,8) zur Ordnung gerufen worden war, verewigte er die Verfolgung, indem er vom Römerbrief ab den Namen des Nazoräers aus dem Neuen Testament verschwinden ließ. Noch heute schreiben unzählige Theologen Bücher über Jesus von Nazareth, aber keiner wagt, von Jesus dem Nazoräer zu sprechen. Der ist nicht nur als Ketzer suspekt, der wird bewusst oder ahnungslos unterschlagen, in der naiven Nachfolge des "Großen Völkerapostels" Paulus!

Es war wohl kein Zufall, dass in Antiochia, wo Paulus längere Zeit wirkte, zuerst der Namen Christianer aufkam (Apg. 11,26). War das nicht ein gewollter Ersatz für den Namen Nazoräer?
Wie sah es nun im Geist dieses Paulus aus nach seinem berühmten Damaskus? "So jemand den Herrn nicht liebt, der sei verflucht!" (1. Kor. 16,22).

"Es gibt kein anderes (Evangelium), sondern nur gewisse Leute, de euch verwirren und das Evangelium Christi verdrehen möchten. Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium predigen würde, als wir euch verkündet haben, der sei verflucht!" (Gal. 1,7.8).
"Ich habe schon beschlossen (über einen, der im Gerücht geschlechtlicher Verfehlung stand) ... im Namen (?) des Herrn Jesus, ihn dem Satan zu übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet (selig!) werde am Tage des Herrn Jesu" (1. Kor. 5,4.5).

So sah also der neue christianische Geist aus, paulinisch-pharisäisch, gewiss nicht nazoräisch, nicht jesuanisch. Wo blieb hier die neue Kreatur in Christo? Das entsetzliche Geschehen kirchlicher Ketzer- und Hexenverbrennungen im späteren christlichen Abendland fand hier bereits seine biblische Begründung und Rechtfertigung.

Uns interessiert nun hier allein die Frage, wie Paulus mit dem Vegetarismus der Jerusalemer Urgemeinde fertig wurde, wie er sich auseinandersetzte mit dem Anspruch und der Forderung von Christen in aller Welt, dass zur Erneuerung und Heiligung des Menschen auch seine Bekehrung und Rückkehr zum Vegetarismus gehöre.

Der Ausgangspunkt des Paulus in dieser Frage war der eines ganz gewöhnlichen noachitisch-karnivorischen Pharisäers, einer verständnislosen alten Kreatur, die noch nichts Neues gelernt hat. So behauptete er nun einfach mit angemaßter Autorität:

"Der Geist (welcher?) aber sagt deutlich (?), dass in den letzten Zeiten (mit denen schon damals gedroht wurde) etliche vom Glauben (von welchem?) abfallen werden, die sich halten an verführerische Geister und Lehren der Teufel, durch die Heuchelei von Lügenrednern, die das Brandmal im Gewissen haben, die da verbieten zu heiraten und Speisen verwerfen, die Gott geschaffen hat zum Genuss mit Danksagung für die Gläubigen, welche die Wahrheit erkannt haben (gemeint sind hier die auf Blutvergießen beruhenden Fleischspeisen, nicht harmlose Gemüse, die noch niemand verworfen hat).

Denn aIle Kreatur Gottes ist gut, und nichts ist verwerflich, was man mit Danksagung zu sich nimmt; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet" (1. Tim. 4,1-5).
Der kurze Sinn dieses langen Unsinns ist: Die ganze Kreatur ist gut, vielmehr schmeckt gut und kann von uns getötet und verschlungen werden, wenn wir nur vorher das Tischgebet nicht vergessen.
Diese geist- und gewissenlose bloße Meinung des alten Saulus wurde der ganzen Heidenchristenheit durch die Bibel aufoktruiert und von ihr kritiklos als "Gottes Wort" geglaubt.

Sie verursachte die Blindheit der Bibelgläubigen auf diesem Fleck bis auf den heutigen Tag.

  1. Es gab damals, in den urchristlichen Zeiten, drei Gründe für die Motivierung der Fleischmeidung:.
  2. die Angst vor Götzenopferfleisch;
  3. die Angst vor Blutgenuss überhaupt;

die Orientierung an dem vegetarischen Ur-Speisegebot in 1. Mose 1,29.
Nur bei diesem letzten Grund handelt es sich um den Beweggrund zum echten Vegetarismus, der freilich die beiden anderen Motive impliziert und endgültig von ihnen befreit.
In der antiken Welt gab es überall Tempel, in denen den Göttern laufend Tiere geopfert wurden. Das dabei massenhaft anfallende und übrigbleibende Fleisch wurde an die Bevölkerung verkauft und war ein einträgliches Nebengeschäft für die Priester-Schlachter.

Dabei entstand jetzt für die Heidenchristen das folgende Problem: Nach althergebrachtem magischem Opferverständnis tauchten die hungrigen und blutdürstigen Götter in das Fleisch und Blut der Opfertiere ein, und auf diese Weise bekam auch der das Opferfleisch essende Mensch Kontakt mit den Göttern und Anteil an ihren Kräften. Neu zum Christentum übergetretene Heiden machten sich nun ein Gewissen daraus, ob man als Christ wohl solches Götzenopferfleisch (eidolothyton) nach Gewohnheit weiterhin esssen und sich damit noch an die alten Götter binden dürfe. Es geht hier in der Tat gar nicht um ein vegetarisches, sondern um ein kultisches Problem. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, weil die Normaltheologen immer wieder versuchen, auf diese Weise das Vegetarismusproblem ganz aus der Welt zu schaffen, indem sie behaupten, es handele sich bei den paulinischen Erörterungen gar nicht um die Enthaltung von Fleisch an sich, sondern nur um die Meidung von Götzenopferfleisch.

Paulus gibt nun den Nichtvegetariern den folgenden Rat: Die Götzen existieren gar nicht, also nehmt sie nicht ernst (1. Kor. 8,4). Aber schon im nächsten Vers korrigiert er sich selbst: "Und wenn es auch so genannte Götter gibt, sei es im Himmel, sei es auf Erden - es gibt ja tatsächlich viele Götter und viele Herren -, so gibt es doch für uns nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind", und dswegen können und dürfen wir ruhig alles essen. Paulus gab also die Realität der vielen Götter zu, und es war dann gewiss leichtsinnig von ihm, ihre Einflusslosigkeit zu behaupten.

"Alles, was feil ist auf dem Fleischmarkt, das esset, und forschet nicht nach, auf dass ihr das Gewissen verschont. Denn die Erde und ihre Fülle ist des Herrn.
Werdet ihr von einem Ungläubigen eingeladen, und wollt ihr hingehen, so esset alles, was euch vorgesetzt wird, und forscht nicht weiter nach, auf dass ihr das Gewissen verschont" (l. Kor. 10,25-27). Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und da die Erde und alles, was darin ist, Gott gehört, ist alles göttlich oder gut und kann alles zum Frühstück, Mittag oder Abendessen verspeist werden. Man stelle sich die Entrüstung vor, die solche paulinischen Ansichten in der vegetarischen Gemeinde zu Jerusalem hervorrufen mussten, und man ermesse die Wirkung auf die ganze Menschheit, weil solche Lehren als der christliche Standpunkt verkündet und geglaubt wurden. Einen vernünftigen Menschen konnte man mit solcher unterentwickelten Ethik nicht für Paulus gewinnen.

"Es ist alles erlaubt (?), aber es ist nicht alles zuträglich. Es ist mir alles erlaubt, aber es soll nichts Gewalt über mich gewinnen. Die Speisen dem Bauch und der Bauch den Speisen. Aber Gott (?) wird diesen und jene zunichte machen.

Der Leib aber nicht der Unzucht, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe" (1. Kor. 6,12.13). "Speise fördert uns vor Gott nicht. Auf unser Essen kommt es vor Gott nicht an: essen wir, so werden wir darum nicht besser sein, essen wir nicht, so werden darum nichts weniger sein" (1. Kor. 8,8). "Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude durch den heiligen Geist" (Römer 14,17). Damit haben wir wohl so alles beisammen, was der Gewissenlosigkeit und Zuchtlosigkeit im Essen und Trinken dienlich ist, wonach der alten Kreatur "die Ohren jucken", und was aller religiösen Erfahrung der Heiligen widerspricht. Wenn der Leib dem Herrn gehört und ein Tempel des heiligen Geistes ist (1. Kor. 6,19), wieso sollen dann die Zeugungsorgane geheiligt, die Verdauungsorgane aber nicht geheiligt, sondern eine neutrale, gottlose Region sein, die Gott zunichte macht?

Was wir essen und trinken, kann durchaus Leib und Seele verderben in die Hölle oder uns auch auf ganz konventionelle Weise enterben vom heiligen Geist und uns lebenslang aus dem Bereich des Göttlichen verbannen. Warum musste dieser unselige alte Saulus noch Jahrzehnte nach seiner Bekehrung dieses psychotherapeutische Wissen der Nazoräer bewusst unterbinden? Kein Wunder, dass es da immer wieder zu Spannungen, Streit und Tumult zwischen ihm und den "bösen" Judenchristen kam. Schließlich zog Paulus mit Barnabas ungebeten, also aus eigener Not, hinauf nach Jerusalem, um mit den dortigen großen Führern der Urgemeinde einen "Friedensvertrag" auszuhandeln.

Wir werden wiederum keineswegs genau informiert über den Verlauf des Apostelkonvents, sondern natürlich einseitig in paulinischer Färbung. Nicht einmal das Datum steht wieder fest: der eine sagt 44/46 (Heussi), der andere 48/49 (Schoeps), der dritte 52 (Appel). "Die Einzelheiten dieser fraglos bedeutsamen Verhandlungen sind unklar; die beiden Berichte Gal. 2,1-10 und Apg. 15 gehen in wichtigen Punkten auseinander und geben auch jeder für sich zu Bedenken Anlass. - Das Apg. 15,28-29 erwähnte "Aposteldekret" kann nicht auf dem jerusalemischen Apostelkonvent sondern erst nach demselben entstanden sein" (Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, 5. Auflage, 1922, §8g).

Zunächst einmal erwiesen sich Jakobus, Petrus und Johannes, "die für Säulen angesehen waren", als sehr friedliche Leute. Vielleicht lag es im Interesse des Paulus, dieses Bild von ihnen zu malen. Das von Paulus so hochgespielte Thema der Beschneidung stand für sie gar nicht zur Debatte und wurde schnell vom Tisch gewischt. Unter der Decke schwelte natürlich die Ernährungsfrage und die Frage nach der sittlichen Reinheit. Jakobus der Gerechte stellte für eine Gemeinschaft der Judenchristen mit den Heidenchristen als Mindestforderung auf, "dass sie sich enthalten (also Abstinenz üben) von Verun-reinigung durch Abgötter und von Hurerei und vom Erstickten und vom Blut" (Apg. 15,20).

Den besten Kommentar gibt uns dazu der Jude Schoeps: Die vier Forderungen bedeuten: "Die Enthaltung vom Götzenopferfleisch (eidolothyton) (also gerade Verbot dessen, was Paulus für erlaubt hielt!), vom Fleisch nicht rituell geschächteter Tiere, von Tieren, die auf der Jagd mit Schlingen gefangen und getötet worden sind, sowie von Ehen in verbotenen Verwandtschaftsgraden bzw. von unsittlichem Geschlechtsverkehr (Hurerei)." (a. a. O. Seite 260).

Außerdem vereinbarte man, dass Paulus möglichst weit weg unter die Heiden gehen sollte. Eine genaue Aufteilung der Missionsgebiete - hier die Urapostel nur unter den Juden, dort allein Paulus unter den Heiden - war unmöglich. Jesus, Philippus und Petrus hatten auch schon Heiden bekehrt, und Petrus missionierte später auch in Rom. So war also der Friedensvertrag in Wahrheit ein Scheidungsvertrag! Was nicht friedlich zusammenleben kann, scheidet sich am besten.

Das Aposteldekret war ein fauler Kompromiss. Um des lieben Friedens willen waren beide Seiten nicht aufrichtig und fest genug gewesen, und darum brach der Vertrag auch bald wieder auseinander. Niemand war befriedigt. "Durch die Nachgiebigkeit der Judaisten zustande gekommen ... haben sich auch die bescheidenen (!) Forderungen dieses Aposteldekrets nicht durchsetzen können." Die eindringende Masse der Neuchristen in den Diasporagemeinden hat die Bestimmungen des Aposteldekrets sicher nicht übernommen" (Schoeps, a. a. O. Seite 260).

Das Apostelkonzil brachte keine Lösung: Wenn sie noch Fleischesser waren und blieben, konnten die Heidenchristen kaum Götzenopferfleisch vermeiden, noch stand ihnen überall in heidnischen Landen koscheres, durch Schächten gewonnenes Fleisch zur Verfügung. Da gab es nur eine Lösung, um aus diesem Dilemma für alle herauszukommen: das war der Vegetarismus! Wenn man jegliches Fleisch mied, bekam man es weder mit den Götzen noch mit dem Blut zu tun.

Auf diesen genialen Weg sollte niemand von den vegetarischen Koryphäen in Jerusalem gekommen sein? Das ist ganz unwahrscheinlich und dokumentiert nur die Unglaubwürdigkeit der neutestamentlichen Nachrichten über den Apostellkonvent. Vermutlich liegt hier eine Nachrichtenfälschung vor. Oder sollten die Säulen nicht den Mut gehabt haben, von den Heiden den Vegetarismus zu fordern? Dann sind sie keine aufrichtigen Bekenner gewesen.

Jakobus der Gerechte hatte doch von Mutterleibe an nichts gegessen, was einmal beseelt gewesen war. Die menschliche Seele sollte rein, d.h. unbeeinflusst von Dämonen und Tierblut und Tiergeist bleiben. Auf dem Apostelkonvent hatte man sich mit einer Halbheit abgefunden, mit der noachitischen Lösung, die angeblich dem Noah angeboten worden war: "Allein esset das Fleisch nicht, das noch lebt in seinem Blut" (1. Mose 9,4). "Des Leibes Leben ist im Blut" (3. Mose 17,11). Blut ist noch immer ein ganz besonderer Saft. Das Blut ist der Sitz der Seele und die Seele bewegt das Blut und das Blut das Herz, nicht das Herz das Blut, das ist noch oder wieder die neueste wissenschaftliche Anschauung im 20. Jahrhundert.

Darum: "Merke, dass du das Blut nicht essest, denn das Blut ist die Seele; darum sollst du die Seele nicht mit dem Fleisch essen" (5. Mose 12,23). Auch wer nun "glaubt", diese uralte Anschauung ablehnen zu müssen und zu können, muß doch mit ihr als Hypothese arbeiten, wenn er die damalige religiöse Gesetzgebung verstehen will. Da die Menschen zugleich gierig auf Fleisch und ängstlich vor Blut waren, versuchten sie, Fleisch und Blut sauber zu trennen. zu dem Zweck erfanden sie die grausame Methode des Schächtens, wobei der auslaufende heftige Herzschlag des gefesselten, bei vollem Bewusstsein durch Kehlschnitt getöteten Tieres noch mithelfen muss, das Blut aus dem Fleisch des Tieres möglichst vollständig herauszupumpen. "Das Tier wird durch einen Schnitt getötet, der durch die Weichteile des Halses bis zur Wirbelsäule geht, die Halsschlagader durchtrennt und völliges Ausbluten bewirkt" (Duden-Lexikon 1962, Seite 1860) Dieses Schächten gehört zum Beruf eines Rabbiners.

Der Gerechtigkeit halber muss aber darauf hingewiesen werden, dass außer den Juden auch die Mohammedaner schächten und die Juden es wohl von den Ägyptern übernommen haben. Überhaupt ist die noachitische Ordnung keine bloße mosaische Ritualordnung, sondern ursprünglich bezogen auf die gesamte Menschheit nach der Sintflut.

Darum wollte wohl das Aposteldekret alle Heidenchristen zum mindesten vom Blutverzehr erlösen, wenn sie denn für den Vegetarismus noch nicht reif waren. Da die Ausblutung nie total garantiert ist, zogen gewissenhafte Juden alter und neuer Zeit die Konsequenzen und verzichteten lieber ganz auf den Fleischgenuss und entkräfteten damit zugleich ein für allemal jeglichen antisemitischen Vorwurf gegen das Schächten.

Nun, der Vegetarismus wäre auch die beste Lösung für alle auf dem Apostelkonzil gewesen. Aber das fiel den vegetarischen Kanonen angeblich nicht ein. Sie hatten als erlöste Christen doch schon die nächst höhere Entwicklungsstufe der Menschheit erreicht. Von einem Rückfall in jüdische Zeremonialordnung kann bei ihnen gar keine Rede sein. Der Vegetarismus gehört nicht zur noachitischen und mosaischen Lebensordnung, sondern zur vorsintflutlichen heilen Urordnung, zur göttlichen Schöpfungsordnung und zur zukünftigen Erlösungsordnung.

Von Paulus konnte man diese Einsicht damals noch nicht erwarten, aber der Erzvegetarier Jakobus und die anderen Säulen hätten die Urordnung verkünden und fordern müssen. Man kann nur vermuten, daß der Bericht des Paulus und seines Schülers Lukas im Sinne und Interesse des Paulus geschrieben wurde.
Dass nicht einmal die Apostel das Aposteldekret halten konnten, beweist der Bericht des Paulus, Galater 2,11-14, was sich alsbald nach dem Apostelkonzil abspielte: "Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstand ich ihm unter Augen; denn zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; da sie aber kamen, entzog er sich und sonderte sich ab, darum dass er die aus den Juden fürchtete. Und mit ihm heuchelten die andern Juden, also dass auch Barnabas verführt ward, mit ihnen zu heucheln.

Aber da ich sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit (?) des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen öffentlich: So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du denn die Heiden, jüdisch zu leben?" Zunächst, welch eine anmaßende und pharisäische Sprache, als ob kein Friedensschluss und keine Verständigung geschehen wäre. Dieser alte Saulus war schon ein schwieriger, widerspenstiger Bruder! Warum wieder dieser Zusammenstoß mit Petrus? Wenn ich als Vegetarier mit einem fleischessenden Heiden an einem Tisch sitze und Gemeinschaft mit ihm bekunde, so brauche ich ja nicht in allem dasselbe zu essen wie er. Dargestellt wird Petrus in der Apostelgeschichte, als sei er ein normaler jüdischer Fleischesser gewesen. Wieso zwang er die Heiden, jüdisch zu leben?

Vereinbart war doch von beiden, Heiden wie Juden, dass kein Götzenopferfleisch, aber koscheres Fleisch gegessen werden durfte. Wenn also die Heidenchristen das Aposteldekret nicht gebrochen haben, war es für die Judenchristen kein Problem, Tischgemeinschaft mit ihnen zu haben. Es ist ganz undenkbar, dass Petrus in Gemeinschaft mit den Heiden das Aposteldekret sabotiert hätte. Sein Bekenntnis war: "Ich habe noch nie etwas Gemeines oder Unreines gegessen" (Apg. 10,14)

Vermutlich war etwas ganz anderes geschehen. Wahrscheinlich hatte der Vegetarer Petrus aus Toleranz und um des lieben Friedens willen als Gast eine kleine Konzession bei Tisch gemacht. "Da aber etliche von Jakobus kamen", d.h. vegetarische Nazoräer, "entzog er sich und sonderte sich ab. Und mit ihm heuchelten (?) die andern Juden, also dass auch Barnabas verführt (?) ward" (Gal. 2,12.13). Nichts war, wenn mehrere Vegetarier anwesend waren, natürlicher, als dass man einen Sondertisch für Vegetarier einrichtete. Nur so bekommt die ganze Geschichte einen Sinn. Aber warum nun wieder dieser Unverstand und diese Intoleranz bei Paulus? Haben christliche Vegetarier keinen Anspruch auf das Menschenrecht der freien Kostwahl? Die paulinischen, noachitischen Christen, die so viel von der "Freiheit" des Christen reden, haben diese Freiheit bis heute noch nicht begriffen.

Ewig konnte Saulus nicht wider den Stachel löcken. Nicht immer konnte er mit theologischen Spiegel-fechtereien über die "Freiheit in Christo" von der Sachlichkeit ablenken und über Götzenopferfleisch und jüdische Speisegesetze reden statt vom Vegetarismus. Zu oft wurde er von echten Vegetariern unter Juden und Heiden, von Nazoräern, Essäern und Neu-Pythagoreern zur Rede gestellt, sei es in Juda, in Griechenland und Kleinasien, sei es in Rom. So lautete der Vorwurf, dem er immer wieder begegnete: Es ist ein Skandal, wenn jemand ein Christ ist und ist kein Vegetarier. Willst du ein großer Apostel sein und weißt das nicht? Du lehrst doch selbst: "Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden." Eine neue Kreatur in Christo vergießt und genießt kein tierisches Blut mehr. Wo ist denn nun bei dir die ganz neue Kreatur? Wer noch opfert oder schächtet und alles isst, der ist doch noch von gestern. Was antwortete darauf der in die Enge getriebene Saulus? Dieses:

"Wenn die Speise meinen Bruder ärgert, esse ich bis zum Ende der Welt überhaupt kein Fleisch mehr, auf dass ich meinem Bruder keinen Anstoß gebe." Noch urtextnäher übersetzt: "Wenn meine Speise meinem Bruder ein Skandal ist, dann esse ich in Ewigkeit (in diesem Äon) kein Fleisch mehr, damit ich meinen Bruder nicht ärgere" (1. Kor. 8,13). Großartig, hoffentlich hat er auch Wort gehalten!
Sehr beachtlich ist, dass Paulus hier nicht mehr von Götzenopferfleisch (eidolothyton) redet, sondern von kreas, also von Fleisch schlechthin. Er sagt: Am besten ist, wir Christen essen alle überhaupt kein Fleisch mehr, dann ist der leidige Streit um das Götzenopferfleisch, aber auch der Streit mit den Vegetariern aus biblischen Gründen, nämlich wegen des vegetarischen Urspeisegebotes, ein für allemal aus der Welt geräumt, wenigstens aus der Kirche!

Das wäre doch die Basis für eine vernünftige Einigung auf dem Apostelkonvent gewesen. Das werden ihm doch sicher auch schon die Apostel gesagt haben. Aber dem Saulus ging das Licht erst reichlich spät auf.
Es gab nicht nur einen Bruder, sondern sehr viele Brüder, die ihm immer wieder auf den Kopf zusagten, dass sie sich ärgerten über sein Fleischessen. Wenn er also sein Wort und sich selbst ernst nahm, dann konnte er sich selbst nicht mehr entfliehen, dann muss er sofort Vegetarier geworden sein. Nachdem er dieses Wort gesprochen hatte, hatte er sich und seine paulinische Gefolgschaft ein für allemal, für Zeit und Ewigkeit auf den Vegetarismus festgelegt.

Die Biblizisten und paulinischen Christen halten bekanntlich jedes Bibel- und Pauluswort für "Gottes Wort", dem man glauben und gehorchen muss. Praktisch pflegen sie das aber nur zu tun, wenn und soweit es ihnen passt. Wenn sie auch 1. Kor. 8,13 für Gottes Wort genommen hätten, wäre das Christentum eine vegetarische Religion geworden. Das wäre genauso möglich gewesen wie im Jainismus, Hinduismus und teilweise im Buddhismus, und die christlichen Kirchenväter und Urmönche haben auch tatsächlich ein vegetarisches Christentum vorgelebt. Heute ist der ethische Stand des Christentums so weit gesunken, dass die meisten die Sache des Vegetarismus überhaupt nicht kennen, oder aber ihn als unnötig oder gar unchristlich ablehnen.

Wir vegetarischen Christen ärgern uns aber über die Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit der Brüder, weil es gemein ist, schwächere Mitgeschöpfe auszubeuten, ihnen Leid und Unrecht und Kapitalverbrechen zuzufügen, um an ihr Fleisch und Fell heranzukommen und ihre Gesundheit und ihr Leben experimentell zu ruinieren.

Dass Paulus in seinem langwierigen und schwierigen Entwicklungsprozess endlich auch auf den Ur-vegetarismus gestoßen ist, beweist Römer 14. Als er seinen berühmten Römerbrief schrieb, war er noch nicht in Rom gewesen. Aber das Evangelium war schon ohne ihn da gewesen. Es gab schon eine christ-liche Gemeinde in Rom, und das Christentum wäre also auch ohne den Völkerapostel nach Nordeuropa gekommen. Und in Rom waren auch schon wieder christliche Vegetarier.
Paulus hatte Pech: Überall gab es diese lästigen christlichen Vegetarier. Er musste sich also auf sie einstellen und seine Sprache schon sehr zügeln, um nicht von vornherein auch von den römischen Christen abgelehnt zu werden. Er versuchte es diesmal nicht mit Donnerwetter und Teufeln, sondern mit Toleranz und Gleichberechtigung - auch für die Fleischesser!

"Einer glaubt, er möge allerlei essen; welcher aber schwach ist, der isst Kraut. Welcher isst, der verachte den nicht, der da nicht isst; denn Gott hat ihn auf genommen" (Römer 14,2.3). Im Neuen Testament in der Sprache von heute, übersetzt von Friedrich Pläfflin (Heilbronn 1954) heißt das so: "Dem einen macht es nichts aus, ohne weiteres alles zu essen, den anderen zwingt sein empfindsames Gewissen, vegetarisch zu leben. Wer alles isst, soll den Vegetarier nicht verachten. Wer vegetarisch lebt, soll sich kein Urteil über den anderen erlauben. Gott hat doch den Nicht-Vegetarier auch zu seinem Kinde angenommen. Woher willst du das Recht haben, ein Urteil zu sprechen über den, der nun einmal innerlich anders steht?" (2.3). "Der eine legt auf einen Tag mehr Wert als auf den andern, der andere hält alle Tage gleich wert: wenn nur jeder in seiner Meinung gewiss ist! Wer einen Tag besonders heilig hält, tut es dem Herrn; wer alles isst, ebenso, - er dankt Gott dafür. Und wer vegetarisch lebt, tut es dem Herrn, dankt aber Gott gleichfalls dafür" (5.6).

So positiv werden wir Vegetarier allerdings in der heutigen Kirche noch nicht beurteilt. Man diffamiert uns noch immer als Glaubensschwache, als Selbsterlöser, und den Vegetarismus als Teufelslehre (1. Tim. 4.1). Doch lassen wir Paulus erst zu Ende reden: "Lasset uns dem nachstreben, das zum Frieden dient
und was zur Besserung untereinander dient (19). Zerstöre nicht um der Speise willen Gottes Werk. Es ist zwar alles (?) rein; aber es ist nicht gut dem, der es isst mit einem Anstoß seines Gewissens (20). Es ist besser, du issest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tuest nichts, daran dein Bruder Anstoß nimmt" (21). Zu den grundsätzlichen Alkoholabstinenten gehörte offensichtlich wie die meisten Christen auch der jüngere Mitarbeiter des Paulus, Timotheus. Ihm gab Paulus aber den entgegengesetzten Rat: Es ist besser, du trinkest nicht nur Wasser, sondern auch ein wenig Wein wegen deines Magens und deiner häufigen Krankheiten" (1. Tim. 5,23). Es ist unwahrscheinlich, dass des junge Mann den diätetischen Rat des "erfahrenen" Paulus angenommen hat. Ein Johannes der Täufer oder ein Jakobus der Gerechte hätten sich von dieser Weltweisheit eines Paulus natürlich nicht beeindrucken lassen.

Ich stelle hier also für alle Ignoranten und Nichtgutwilligen in der katholischen und evangelischen Kirche und in den meisten Sekten fest, dass Paulus zu guter Letzt, wenn auch schweren Herzens, ein Zeugnis zugunsten des Vegetarismus und der Alkoholabstinenz abgelegt hat: Es ist schön und gut (kalon), besser sogar, vegetarisch und abstinent zu leben. "Er legt ein Bekenntnis ab, als wäre er ein Pythagoreer", schrieb Clemens Alexandrinus (Paed. 2,1,11), der selbst ein Pythagoreer war.
Man hatte gewiss auch in Rom schon allerlei schlimme Gerüchte über Paulus gehört. Nun aber hatte er sich einen Zugang zu den Herzen der römischen Gemeinde gebahnt. Man konnte es mit ihm aufnehmen. Natürlich konnte man nicht alles akzeptieren, was er da geschrieben hatte.

Manches war zu kraus, z. B.:

  • dass Reinheit eine Willkür und Geschmacksache des Menschen, kein göttliches Mass sei,
  • dass alles rein sei, als ob es kein Unreines gäbe,
  • dass der Vegetarismus eine bloße Ermessensfrage und nicht Gottes heiliger Urwille sei,
  • dass es dem Herrn also ganz gleichgültig sei, ob ein Christ Vegetarier sei oder nicht,
  • dass er ihn annähme, auch wenn er sich gar nicht wandle zu einer neuen Kreatur, vor allem aber die unerhörte Behauptung,
  • dass der Vegetarismus etwas für die im Glauben Schwachen, das Fleischessen dagegen die Norm für die Starken sei. "einer glaubt, er möge allerlei essen (im Urtext heißt es genau sogar: alles essen! Das hat dann selbst Luther abgeschwächt zu allerlei). Welcher aber schwach ist, der isst Kraut." Wo steht das geschrieben? Das ist eine totale Verdrehung von Gottes Wort! In meiner Lutherbibel finde ich bei Römer 14,2 als Fußnote zwei Hinweise auf 1. Mose 1,29 und 9,3.

Dieser Hinweis trifft den Kern der Sache. Es ging bei den christlichen Vegetariern in Rom und anderswo gar nicht mehr um Götzenopferfleisch und Blutverbot, sondern um den reinen Vegetaristius, das göttliche Urspeisegebot für die ganze Menschheit. Paulus verrät sich selbst durch den Satz: "der isst Kraut." Er weiß also, was in 1. Mose 1,29 steht. Wie viele schöne Worte und Theorien hätte er darum aufbauen können, wenn er es nur gewollt hätte!

Doch warum vergaß er, die Früchte zu erwähnen? Auch die gefallene Erde ist immer noch voller herrlicher Früchte, Körner und Gemüse, und auch voller Ölfrüchte zur Versorgung des Menschen mit pflanzlichen Fetten. Nirgendwo aber steht geschrieben, dass die paradiesische Kost Adams die Speise der Schwachen, die blutige Kost Noahs aber die Speise der Heiligen sei. Damit kam der heilige Paulus auch in Rom nicht durch. Dort konnte man noch Gottes Wort von Pauli's Unverstand und Widerstand unterscheiden. Auch hier und im gereiften Alter musste er also noch erleben, dass die Menschen sich von ihm nicht alles gefallen ließen, dass er auf Widerspruch bei den damaligen mündigen Nazoräern stieß. Seine alte Natur erzeugte immer wieder neue Spannung. Wir wissen nicht, wie er sich in Rom arrangierte. Er schient seine Mission unter den dortigen Juden, nicht unter den Heiden begonnen zu haben (Apg. 28).

Sein Ende als Märtyrer verliert sich im Dunkel der Gesichte. Als fragwürdiges Erbe hinterließ er neben der schon von den Judenchristen abgelehnten Kreuzes- und Sühnopfertheologie und seiner konfusen Ernährungsideologie sein für die Weltgeschichte verhängnisvolles politisches Dogma: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die (zufällig) Gewalt über ihn hat, denn jede Obrigkeit ist von Gott" (Röm. 13,1).

Wer war wohl dieser unchristliche Gott? Nach Jesu Offenbarung sind alle Obrigkeiten der Reiche dieser Welt vom Teufel (dem Fürsten dieser Welt) (Matth. 4,8.9). Das Christentum Jesu und das Christentum Pauli stehen sich hier diametral gegenüber. Seitdem leidet das Christentum bis auf den heutigen Tag an einer chronischen Fallsucht" und Bewusstseinsspaltung, die allein durch den Glauben an Jesus wieder geheilt werden kann. Der Aberglaube an die Autorität des Paulus muss dagegen gebrochen werden. Das ist so nötig wie einst die Tempelreinigung, auch wenn es dabei wieder viel Protestgeschrei im Tempel geben wird.

Als der Bericht über Paulus in der Bibel abriss, war noch nicht aller Tage Abend für den alten Saulus. Über das, was er in den ersten zwei Jahren in Rom erlebt, gelehrt oder geschrieben hat (Apg. 28,30.31), sind keine Urkunden auf uns gekommen. Verstummt war er gewiss nicht, aber die vegetarischen Christen werden ihm weiterhin zugesetzt haben bis ihm die vegetarische Uroffenbarung endlich auch als christliche Offenbarung einleuchtete.

Es gibt noch eine letzte späte Nachricht von Paulus, ein unbekanntes Pauluswort. Es existieren ja viele unbekannte Jesusworte, aber ich fand bisher nur ein unbekanntes Pauluswort. Es lautet:
JESUS BEFAHL MIR / DASS ICH KEIN FLEISCH ESSE UND KEINEN WEIN TRINKE / SONDERN NUR BROT / WASSER UND FRÜCHTE / DAMIT ICH REIN BEFUNDEN WERDE / WENN ER MIT MIR REDEN WILL.

Dieses Pauluswort, das zugleich ein indirektes Jesuswort ist, steht geschrieben im Toldot Jeschu: Das Leben Jesu nach jüdischen Quellen, Herausgegeben und erläutert von Samuel Krauss, Berlin NW 7, S. Calvary & Co. 102, Seite 113.
Dieses Wort, eine vegetarische Perle in der Weltliteratur, lag verloren im Schmutz der Weltgeschichte. Ich hob es auf und brauchte es nicht zu reinigen. Es war blankes geistiges Gold!

Das Toldot Jeschu ist eine eine üble jüdische Schmähschrift auf Jesus, eine jüdische Parallele zu den neutestamentlichen Evangelien. Wie von diesen gibt es auch vom Toldot Jeschu unzählige, in aller Welt verbreitete Handschriften. Das genannte Buch von Krauss "ist nach wie vor das Standardwerk der Toldot-Forschung" (Schoeps, a. a. 0. S. 32, Anm. 1). Nach Krauss "kann dieses literarische Erzeugnis auf ein ehrwürdiges Alter von mindestens anderthalb Jahrtausenden zurückblicken" (Seite 16). "Wahrscheinlich müssen wir uns das Toldot im 5. Jahrhundert entstanden denken" (Seite 246). "Den ganzen Inhalt ... kennt auch bereits Tertullian (De spectae. c. 30)" (Seite 3).

Alles, was den Christen heilig ist, von der Geburt bis zum Tode Jesu, wird in den Schmutz gezogen, Jesus war ein unehelicher Sohn, von seiner Mutter im Ehebruch von einem römischen Soldaten empfangen. Er starb nicht am Kreuz, sondern wurde gesteinigt und sein Leichnam im Staub der Gassen durch die heilige Stadt geschleift. Was war hier historische Wahrheit, was Phantasieprodukt bodenlosen Hasses? Wurde hier abgewertet, was von den Christen überbewertet worden war? Während Jesus in dem antichristlichen Pamphlet bös mitgespielt wurde, kam Paulus als Freund und Fürsprecher des jüdischen Volkes besser davon. Wenn nun Paulus und damit indirekt auch Jesus als Vegetarier heraus-gestellt wurde, so fragt man sich, ob das eigentlich ein Lob oder auch eine Diffamierung sein sollte. Wie konnte auf antichristlichem, jüdischem Boden ein so urchristlicher, lichter Gedanke gedacht werden, der auf kirchlichem Boden so schwer Fuß faßt? Welcher Wahrheitsgrad kommt dieser Tradition zu? Rein religionspsychologisch würde ich sagen: Wo immer es herkommen mag, das Wort könnte eine geistreiche Verarbeitung und Kombination von Römer 14,21 und 1. Kor. 8,13 sein.

Doch es sagt mehr aus: Es führt die Erkenntnis des Paulus auf eine Inspiration durch den Nazoräer Jesus zurück, und es weist auf die theurgische Bedeutung des Vegetarismus hin, erläutert den metaphysischen Reinheitsbegriff der Nazoräer, den man mit kultischen Reinheitsvorschriften nicht mehr billig abtun kann. Halten wir uns also letztlich an die hohen Offenbarungen von Seiten des Nazoräers Jesus! Irgendwann musste doch das Damaskus einmal zu seinem Sinn und Ziel kommen und musste durch die Geistesgewalt des Nazoräers zwischen Himmel und Erde aus dem alten Saulus ein neuer, friedlicher und vegetarischer Mensch, einer der Söhne Gottes werden.

Über Saulus schwebte seit Damaskus als Urbild und Werdeziel der Ruf aus der Höhe: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich bin Jesus der Nazoräer, den du verfolgst" (Apg. 22,7.8). Nicht nur wir haben, auch Jesus hat schon "viel Mühe und Arbeit" mit diesem schwierigen Saulus und seiner zugleich widerspenstigen und aggressiven Natur gehabt. Zahmheit und Sanftmut waren nicht gerade seine Stärke, auch wenn er angeblich mit sich selbst kämpfte: "Ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde" (1. Kor. 9,27). Er war zu seinem Glück nicht frei von asketischen Neigungen und er rühmt sich ihrer Auswirkungen, seiner Entzückungen, Gesichte und der Offenbarungen des Herrn (2. Kor. 12,1 f.). Beide Seiten, Jesus und Paulus, setzten also auch nach Damaskus die Kontakte miteinander fort. "Ich zog aber hinauf aus einer Offenbarung" (Gal. 2,2), berichtet Paulus im Hinblick auf den Apostelkonvent in Jerusalem. So ist es also nach beiden Seiten hin glaubwürdig, wenn Paulus bezeugt: "Jesus befahl mir, dass ich kein Fleisch esse und keinen Wein trinke ..."

Das entsprach ganz dem Geist und Willen Jesu des Nazoräers, der als essäischer Vegetarier und Abstinent auf Erden geboren war und gelebt hatte, mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl ohne Osterlamm und Wein im Ordenshaus der Essäer gehalten, den Erzvegetarier Jakobus den Gerechten zu seinem ersten Nachfolger berufen, den Vegetarier Matthias zum Ersatzapostel für Judas erwählt und Petrus zum Vegetarier bekehrt hatte, dass es sein selbstverständliches Ziel war, auch diesen Saulus von all seinen karnivorischen Phantasien und Gewissenlosigkeiten zu erlösen und ihn unter allem anderen, was noch zum Christen gehört, auch zu einem Vegetarier, einem Reinen und Gerechten gegenüber Leib und Kreatur, zu machen.

Das hat Jesus von allem Anfang an, seit Damaskus, vorgeschwebt und es wurde in und an Paulus verwirklicht, indem Jesus ihn direkt oder durch nazoräische Brüder und Schwestern auf Erden angesprochen hat oder aber dadurch, dass die Wahrheit und Gerechtigkeit schließlich aus eigener Logik im eigenen Verstand dem Paulus eingeleuchtet ist. Dies aber waren in dieser umstrittenen Angelegenheit die letzten Einsichten des Paulus: "Wir wissen, dass auch die ganze Schöpfung mitseufzt und mitleidet bis zu diesem Augenblick. Die Kreatur harrt ängstlich darauf, dass die Menschen sich als Söhne Gottes offenbaren. Denn auch die Kreatur wird einst frei werden von der Versklavung an den Kreislauf der Vergänglichkeit zur ursprünglichen Freiheit der Kinder Gottes" (Röm. 8,22.19.21).

"Es ist schön und gut, nicht Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch irgend etwas zu tun, wenn dein Bruder das entsetzlich findet" (Röm. 14,21).

"Darum, weil meine Speise meinem Bruder ein Skandal ist, esse ich in Ewigkeit kein Fleisch mehr, damit ich meinen Bruder nicht ärgere" (l. Kor. 8,13).

"Jesus befahl mir, dass ich kein Fleisch esse und keinen Wein trinke, sondern nur Brot, Wasser und Früchte, damit ich rein befunden werde, wenn er mit mir reden will" (Toldot Jeschu, Ms. Vindobona).
Wenn wir Paulus zubilligen, dass er unmittelbaren Kontakt mit Jesus hatte, dann musste Jesus ihm wohl auch seine Wahrheit und Absicht hinsichtlich der Ernährung eines Christen sagen dürfen. "Jesus befahl mir..."

Es ging also nicht darum, dass sich nur die Brüder ärgerten. Sie ärgerten sich ja nur deshalb über Paulus, weil er nicht hören konnte, was Jesus ihnen schon längst ins Gewissen geredet hatte: "Jesus befahl uns, dass wir kein Fleisch essen und keinen Wein trinken sollen, sondern nur Brot, Wasser und Früchte, damit wir rein befunden werden, wenn er mit uns reden will" Es ging hier um eine allgemein verbindliche Verfügung an alle Christen, nicht um eine Sonderoffenbarung nur an den Außenseiter Paulus. Jesus wollte alle Menschen erlösen von der Gier und Willkür, Unreinheit und Gewissenlosigkeit in der Ernährung, von "Raub und Fraß" in den Schüsseln und Bechern. Freiheit ohne Reinheit, ohne Gerechtigkeit und Heiligkeit gibt es nicht. Sie ist Selbstbetrug und verfehlt die Gerechtigkeit vor Gott, ist also Sünde.

Jesus gab konkrete Anweisungen. Er befahl: Kein Fleisch! Keinen Alkohol! Nur Brot, Quellwasser und Früchte, wobei er in der antiken Umwelt besonders an Feigen, Oliven und Weintrauben gedacht haben wird. Wohl dem, der göttlichen Befehlen gehorcht, ihm kann schneller geholfen werden. "Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe!" (Matth. 28,20).

Jesus bezeugte in diesem Spruch das hohe Wissen (die Gnosis), dass Askese, Fasten, Alkoholabstinenz und vegetarische Ernährungsweise allen Geistträgern und Heiligen die Schlüsselgewalt vermitteln, den Zugang fördern zu allen Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis. Jesus konnte wohl Zeremonialgesetze aufheben, nicht aber die Gesetze und Regeln des heiligen Geistes. Wir müssen auch selbst etwas für unsere Reinigung tun, wenn wir ihm gleich werden wollen. "Ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich selbst, gleichwie jener auch rein ist" (1. Joh. 3,3).

Der Anfang allen Aufstiegs im Geiste ist die Enthaltung von blutiger Kost, "damit wir rein befunden werden, wenn er mit uns reden will". Dann nämlich beginnt erst das wahre Geistchristentum, die individuelle Inspiration und Unterweisung durch Jesus, den Nazoäer.
Das unbekannte indirekte Jesuswort aus dem Toldot Jeschu erweist sich so aus den neutestamentlichen Kontextent und aus der Geschichte als durchaus echt im Sinne Jesu des Nazoräers und könnte als "kanongemäß" beglaubigt werden.

Viele Worte und Bücher und unglaubliche Rechtfertigungen des Fleischessens hätten der Christenheit erspart bleiben können, wenn Paulus früher zur Vernunft gekommen wäre und uns "Gottes Wort" eindeutiger bezeugt hätte.