Spätgeburt
und Spätentwickler Paulus
Vom Paulus wissen wir folgendes:
Als eine Spätgeburt des
Christentums bezeichnete sich der Apostel Paulus selbst.
Er gehörte nicht zu den Männern der ersten
Stunde, wollte nachher aber gern die erste Geige spielen.
Er hatte Jesus im Fleische, als Essäer, nicht
erlebt. Lange fehlte ihm als altem Pharisäer
das Verständnis für den Vegetarismus. Seine
Bekehrung zum Vegetarismus war eine schwierige Geburt.
Er wollte das Christentum ohne Vegetarismus in aller
Welt gesellschaftsfähig machen, was ihm ja auch
leider gelungen ist. Damals stieß er damit auf
großen Widerstand bei all denen, die in Christo
eine neue Kreatur geworden waren. Bevor Paulus nach
Rom ging, gab es auch dort schon eine vegetarische
christliche Gemeinde und Paulus versuchte, sich vorher
schriftlich mit ihr zu verständigen, nach seinen
schlechten Erfahrungen im palästinensischen Bereich.
Die Macht der vegetarischen Mehrheit und der großen
Autoritäten und schließlich eine besondere
Offenbarung Jesu selbst hat dann auch ihn zum Vegetarismus
bekehrt.
"Er legt ein Bekenntnis
ab, als wäre er ein Pythagoreer", schrieb
dazu Clemes von Alexandrien (Paed. 2,1,11).
"Darum, weil meine Speise für meinen Bruder
ein Skandal ist, esse ich in Ewigkeit (bis zum Ende
dieses Äons) kein Fleisch (kreas, nicht nur kein
Götzenopferfleisch!) mehr, damit ich meinen Bruder
nicht ärgere" (1. Kor. 8,13).
Wenn Paulus sich selbst ernst genommen hat, wenn man
sich auf sein geschriebenes Wort verlassen konnte,
dann muss er aus sich selbst die Konsequenzen gezogen
haben und Vegetarier geworden sein, denn ihrer waren
damals sehr viele, die an seiner noachitischen Leichtfertigkeit
Anstoß nahmen. Warum nehmen aber die noachitischen
Christen diese Worte nicht ernst, die doch sonst jedes
Wort ihres Leib-apostels für "Gottes Wort"
erklären?
Durch die Paulus-Zeugnisse
ist ein historisches Problem gelöst. In ihrem
Abwehrkampf gegen den Vegetarismus haben die Theologen
gerne so darzustellen versucht, und sie tun es noch,
als sei der christliche Vegetarismus erst eine Erfindung
der Ebioniten des zweiten Jahrhunderts gewesen, die
man dann der ersten Generation des Christentums angedichtet
habe. Die paulinischen Brefe beweisen, dass man schon
um die Mitte des ersten Jahrhunderts den christlichen
Vegetarismus vertreten und verteidigt hat.
Das Damaskus des Saulus / Paulus
wird uns in der Apostelgeschichte dreimal erzählt.
Einmal berichtet Lukas darüber (9,1 - 22), zweimal
erzählt Paulus selbst die Geschichte seiner Bekehrung
(22,3-16; 26,9-18). Dabei stellte sich der okkulte
Jesus zweimal vor als "Ich bin Jesus, den du
verfolgst" (9,5 und 26,15), das dritte Mal dagegen
bezeugte er sich als "Ich bin Jesus der Nazoräer,
den du verfolgst" (22,8). Der Kampf für
oder gegen den Nazoräer erstreckt sich also bis
in die Erinnerungen und Handschriften hinein, die
zum Teil in Variationen doch noch den Nazoräer
bringen. (Das irrtümliche Motiv des Paulus( "Ich
meinte bei mir selbst, ich müsste viel gegen
den Namen Jesus der Nazoräer tun" (26,9),
schlug auch nach Damaskus noch durch und er hat es
dann doch noch fertig gebracht, den Namen Nazoräer
in sämtlichen paulinischen Briefen zu vermeiden
und damit erreicht, dass das gesamte ihm hörige
paulinische Weltchristentum bis auf den heutigen Tag
in tiefe Umnachtung und Unwissenheit hinsichtlich
der nazoräischen Anfangsideale des Christentums
geraten ist.
Das unbekannte
zweite Damaskus
Das Ziel Jesu des Nazoräers
war natürlich, logischerweise, auch aus diesem
"auserwählten Werkzeug" (Apg. 9,15)
einen nazoräischen, einen Enthaltsamen zu machen.
Über dieses wirklich fällige, zu erwartende
vegetarische Damaskus des Paulus gibt es nun tatsächlich
ein literarisches Dokument, einen erratischen Block,
unerwartet allerdings in einer antijesuanischen, jüdischen
Schmähschrift. Aber das vergrößert
nur das Wunder seiner Herkunft und Wahrheit.
Paulus bekennt: "Jesus
befahl mir, dass ich kein Fleisch esse und keinen
Wein trinke, sondern nur Brot, Wasser und Früchte,
damit ich rein befunden werde, wenn er mit mir reden
will" (Toldot Jeshu, Ms. Vindobona; herausgegeben
von Samuel Krauss, Berlin 1902, Seite 113). (Die gültige
Weisheit dieser Aussage ließ sich nicht von
einem gehässigen Widersacher aus Römer 14,21
und 1. Kor. 8,13 ab- und zusammenschreiben, weil hier
ein ganz anderes Motiv und ein anderer Effekt vorliegen
als nur der, seinen Bruder nicht ärgern zu wollen)
Hier geht es darum, durch reine Ernährung das
Gefäß, den Tempel des Leibes, würdig
und fähig zu machen für eine spirituelle
Kommunikation zwischen dem himmlischen Meister und
seinem irdischen Schüler. Reinheit und Wirkung
der nazoräischen Diät sind in der Bibel
nie so klar formuliert worden. Allenfalls in Daniel,
1,12.15-17 ist auf diesen Zusammenhang zwischen Speise
und Spiritualität schon hingewiesen worden. Ähnliche
Weisheit ist noch in unseren Tagen von dem Eingeweihten
Mahatma Gandhi gelehrt worden: "Wer seine Ernährung
auf Tiermord aufbaut, hat Mangel in der Feinfühligkeit
des Gewissens und verbaut sich die höchsten Möglichkeiten
in seiner Entfaltung." Davon lässt sich
unsere akademisch-christliche Theologie allerdings
nichts träumen.
Es gibt in der Tat noch weitere
große Fortschritte des Paulus in der nazoräischen
Gnosis: "Wir haben auch ein Osterlamm, das ist
Christus, für uns geopfert" (1. Kor. 5,7).
Das jüdische Passah, das Schlachten und Essen
eines Osterlammes gehört also nicht mehr in das
Christentum. Paulus bittet uns, die Konsequenzen daraus
zu ziehen: "Ich fordere euch nun auf, liebe Brüder,
im Hinblick auf die Barmherzigkeit Gottes (die blutigen
Tieropfer aufzugeben und statt dessen) euer eigenes
Leben in heiliger, Gott wohlgefälliger Aufopferung
hinzugeben, welches sei euer vernünftiger (logosgemäßer)
Gottesdienst" (Römer 12,1).
Im Jahre 66 praktizierte die gesamte Jerusalemer Urgemeinde
als Gruppe Kriegsdienstverweigerung, übte sie
auf göttliche Weisung und nationale Fahnenflucht
und emigrierte nach Pella im Ostjordanland. Nicht
Qumran, sondern Pella war hier die christliche Losung
und Lösung. Jerusalem ging zu Grunde, Qumran
ging zu Grunde, Pella überlebte.
Bis ins vierte Jahrhundert
war Pazifismus eine Selbstverständlichkeit für
die Christen und eine Voraussetzung für die Zugehörigkeit
zur christlichen Gemeinde, fürwahr eine großartige
Neuigkeit in der antiken Welt. Seit dem konstantinischen
Sündenfall, der Unterwerfung der Kirche unter
den Staat, wurde diese heilige Tradition unterschlagen
bis auf den heutigen Tag. Des alles gehörte zum
Exodus Jesu und seiner Anhänger aus der jüdischen
Volksreligion und Volksgemeinschaft.
Das neue Passah, der neue Exodus war vor allem auch
ein Aufbruch aus dem globalen Ägypten dieser
Welt mit seinen noachitischen Fleischtöpfen.
Zur Erlösung gehört auch die Erlösung
von dem noachitischen Fluch, der nach der Sintflut
über die Tier- und Menschenwelt gekommen ist.
(1. Mose 9,2-6). Das wussten Jesus und die Urchristen.
Aber dann haben die so genannten Christen diese ihnen
unbequeme Wahrheit fast 2000 Jahre unterschlagen und
totgeschwiegen. Während dies in den Urgemeinden,
wie wir noch einmal bei Paulus sehen werden, ein Thema
Nr. 1 war, wurde es aus dem Bewusstsein der selbstsicheren
Pharisäer des christlichen Abendlandes völlig
ausgelöscht. Das ist nur zu erklären aus
ihrer jahrtausendelangen Vergiftung und Bewusstseinsvernebelung
durch den Konsum von Blut, Fleisch, Alkohol, Nikotin
und noch stärkeren Rauschgiften.
Wohl gewann Jesus den vegetarischen
Impuls unmittelbar aus Urgeschichte und Zukunftsvision
und aus Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am
Opfer", aber er begegnete auch früh den
historischen Spuren versuchter und praktizierter Blut-
und Alkoholabstinenz in Israel bei Rechabiten, Nasiräern,
Essäern und Therapeuten. Diätetisch (in
Bezug auf die Ernährungs- und Lebensweise also)
fühlte er sich am meisten zu Hause bei den Essäern
und Therapeuten, unter denen er schließlich
unter göttlicher Vorsehung geboren und aufgewachsen
war. Darum kam für ihn kein Osterlamm in Frage
und gab es kein alkoholisches Trinkgelage (Symposion),
darum führte er seine Jünger am letzten
Abend ins Ordenshaus der Essäer in Jerusalem,
darum bestimmte er nach seinem Tode den Erzvegetarier
Jakobus den Gerechten zum Leiter der Schule der Nazoräer,
und darum führte er seine Gemeinde unter das
schützende Dach der essäischen Siedlungen
in Pella. Und darum gab es im ersten Jahrhundert des
Christentums hunderttausend und mehr Vegetarier unter
Juden und Christen in Palästina.
Erstaunlich und beherzigenswert
für uns abendländische Versager bleibt die
Tatsache, dass die Judenchristen, Nazoräer, Ebioniten
und Elkesaiten trotz aller Rejudaisierung den Vegetarismus
und den Pazitismus nicht vergessen haben. Auch wo
sie in jüdischen Vorurteilen und Bräuchen
hängen blieben, überwanden sie doch, was
viel wichtiger und richtiger war, den noachitischen
Pfahl im eigenen Fleisch. Wir aber verwarfen mit Beschneidung
und Sabbatismus auch gleich die Schriftkritik (Lehre
von den falschen Perikopen), die Kultfeindschaft,
die Betonung der Armut, den Pazifismus der guten alten
Judenchristen, die Jesus dem Nazoräer bestimmt
viel näher standen als die fleischessenden, trinkenden
und rauchenden, kapitalistischen und militaristischen
heutigen Heidenchristen.
Wie leichtfertig sich die moderne
Theologie der ebionitischen Wahrheit entledigte, zeigt
das vernichtende Fehlurteil des Kirchenhistorikers
Karl Heussi: "Der jüdisch-römische
Krieg (66-70, bzw. 73) vertrieb (?) die Urgemeinde
aus Jerusalem und beraubte sie damit des Nimbus, der
sie bis dahin auch in den Augen der Heidenchristen
(???)geben hatte. Seitdem trat das Judenchristentum
rasch zurück; im Gesamtverlauf der Kirchengeschichte
bildet es eine 'paläontologische Periode'"
(Kompendium der Kirchengeschichte, 5. Aufl., Tübingen
1922, Seite 22/23). So ist es "richtig":
die der Wahrheit näher stehenden Nazoräer
werden als vorgeschichtlicher Leerlauf abgetan. Der
unabhängige jüdische Religionshistoriker
Hans Joachim Schoeps stellte dagegen die vernünftige
Frage: "Waren sie am Ende doch die wahren Erben,
auch wenn sie untergingen?" Es ist das Amt des
Historikers, in jedem Fall mit Nachdruck auf das in
Vergessenheit geratene Faktum hinzuweisen, dass es
in der Frühzeit des Christentums und noch ziemlich
lange in der alten Kirche neben der katholischen auch
eine ebionitische gegeben hat" (Die ebionitische
Wahrheit des Christentums, Deutsches Pfarrerblatt,
1. Februar 1953, Seite 51).
Wir heute noch lebenden Nazoräer aber haben die
Aufgabe - im Gegensatz zur "neutralen",
gleichgültigen Wissenschaft -, alle wiedergefundene
Wahrheit für die Zukunft zu retten, sie mit allen
anderen christlichen Wahrheiten zusammen öffentlich
zu verkündigen und sie in der Tat zu verwirklichen.
Paulus oder des Widerspenstigen
Zähmung
Man kann sich kein Bild vom
Vegetarismus im Anfang des Christentums machen, wenn
man nicht auch die Entwicklung des Saulus-Paulus zum
Christentum und zum Vegetarismus betrachtet.
Zwei unbekannte
Tatsachen wird man zur Kenntnis nehmen müssen:
- Paulus bat sich schon im
ersten Jahrhundert, ja, um die Mitte des ersten
Jahrhunderts, mit den judenchristlichen und mit
den heidenchristlichen Vegetariern auseinandergesetzt.
Diese gab es also schon damals, gleich nach Jesus,
sie waren nicht erst eine Erfindung des zweiten
ebionitischen Jahrhunderts.
- Paulus hat nach schweren
äußeren und inneren Kämpfen doch
noch vor der Wahrheit und Gerechtigkeit des Nazoräertums
kapituliert und ist durch Jesus nicht nur zum Christen,
sondern zu guter Letzt auch noch zum Vegetarier
bekehrt worden, hat also gleichsam ein zweites Damaskus
erlebt. Dafür werden wir "aus den Schriften"
die Beweise antreten.
Wer war dieser Paulus? Er möge
sich selbst vorstellen: Ich bin ein jüdischer
Mann, geboren zu Tarsus in Zilizien und erzogen in
dieser Stadt (Jerusalem), zu den Füßen
Garnaliels geschult und im väterlichen Gesetz
mit aller Strenge, und war ein Eiferer für Gott,
so wie ihr alle es heute seid. Als solcher habe ich
diesen Weg, (den die Christen gehen) verfolgt bis
auf den Tod" (Apg. 22,3-4). Saulus schnaubte
mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn"
(Apg. 9,1). "Ich hatte mir eingebildet, ich müsste
viel dem Namen Jesu des Nazoräers zuwider tun.
Und das habe ich auch in Jerusalem getan und habe
viele von den
Heiligen hinter Schloss und Riegel gebracht, wozu
ich mir von den Hohenpriestern die Vollmacht besorgte,
und wenn sie hingerichtet wurden, half ich, sie zu
verurteilen. - Ich verfolgte sie auch bis in die fremden
Städte" (Apg. 26,9-11). "Und als das
Blut des Stephanus vergossen wurde, stand ich ebenfalls
dabei und hatte Wohlgefallen daran und passte auf
die Kleider derer auf, die ihn beseitigten" (Apg.
22,20). Über diesen gemeingefährlichen Mann
verbreitete sich nun plötzlich das Gerücht,
er habe vor Damaskus eine Christusvision gehabt und
sei zum Jünger und Apostel Jesu bekehrt worden.
Er hatte eine Stimme gehört,
die sprach:
"Saul, Saul, warum verfolgst du mich? - Ich bin
Jesus der Nazoräer, den du verfolgst" (Apg.
22,7.8). Dem Manne musste zunächst einmal das
Handwerk gelegt werden. Ihm konnte auch nur vorausgesagt
werden: "Sie werden dir dein Bekenntnis zu mir
nicht abnehmen" (18). "Ich aber werde dich
in die Ferne unter die Heiden senden" (21). In
der Tat und wohl mit Recht begegnete dieser Saulus
großer Skepsis und Ablehnung in der judenchristlichen
Urgemeinde. Sollte man ihm einfach alles vergeben,
konnte man ihm trauen oder ihn gar als lieben Bruder
umarmen? Wer wollte mit solchem Mann etwas zu tun
haben? Der neutestamentliche Bericht ist eine einseitige
Parteinahme für Paulus. Die lukanische Apostelgeschichte,
die zu drei Vierteln Paulusbiographie ist, ist "eine
rückblickende Tendenzschilderung der Jahre 30-60
im Interesse des semi-paulinischen Unions-Christentums"
(Schoeps, Judenchristentum Seite 269).
"Ein Tendenzdokument der
den Ebioniten feindlichenMajoritätsrichtung"
(Seite 258) der frühkatholischen Kirche. Durch
die Aufnahme der paulinischen Briefe in das Neue Testament
bekamen sie kanonischen, unfehlbaren Rang und kam
Paulus mit mindestens ebensoviel Worten zur Geltung
wie Jesus in den Evangelien, so daß sich schon
lange die Frage gestellt hat, ob nicht das Evangelium
des Paulus über den Christus das Evangelium,
die Aussage Jesu selbst, längst überflügelt
hat. Einer der Würmer im Gebälk der Bibel
ist die noch immer laufende Manipulation, alle Entwicklungs-
und Irrtumsstufen des Paulus als "Gottes Wort"
zu deklarieren. Der Autorität des Paulus kam
zugute, dass er auch wunderbare christliche Gedanken
geäußert hat, wie Römer 12 und 1.
Kor. 13. Das darf uns aber nicht blind machen gegenüber
seinen negativen Einflüssen. Auch wird aus einem
Saulus nicht von heute auf morgen ein Paulus, wobei
noch zu bemerken ist, dass Paulus keineswegs sein
christlicher Bekehrungsname, also Ausdruck einer veränderten,
gebesserten Persönlichkeit war, sondern nur sein
römischer Bürgername, den er schon vor seinem
Damaskus führte.
Saulus nannte sich selbst eine
"Fehlgeburt" (1. Kor. 15,8), einen zu spät
Geborenen, eine "unzeitige Geburt", weil
er Jesus nicht im Leibe begegnet war, worauf er aber
auch gar keinen Wert legte, da es ihm allein um seine
Christusspekulation ging. Er war also kein Zeuge der
ersten Generation, vielmehr ein Nachkömmling
ohne historische Erfahrung, allenfalls ein christlicher
Spätentwickler. Die judenchristliche Urgemeinde
lehnte das behauptete Apostolat und die Theologie
des Saulus ab. Jakobus der Gerechte und Petrus standen
bei den Nazoräern im höchsten Ansehen, nicht
Saulus. Er wurde als "der feindliche Mensch",
als Pseudoapostel, als Antichrist bezeichnet und unter
dem Pseudonym des Magiers Simon angegriffen. Saulus
hat dann erbittert und wütend zurückgeschlagen.
Einer der großen Neutestamentler
hat gesagt: "Wer genauer zusieht, lernt es, zwischen
den Zeilen seiner Briefe zu lesen und er erkennt hinter
den Satansdienern und Lügenaposteln und falschen
Brüdern die Schatten der Großen von Jerusalem"
(Hans Lietzmann). Es kam ein hässlicher Streit
und Tonfall in die christlichen Gemeinden, wie er
im Kreis um Jesus ganz unmöglich gewesen war.
Die Protokolle von diesen schrecklichen Kämpfen
wurden dann leider auch als "Gottes Wort"
verewigt und werden als solches bis auf den heutigen
Tag in aller Welt verbreitet. Als das Christentum
ablehnende Juden Paulus nach dem Leben standen und
er von der römischen Besatzungsmacht in Schutzhaft
genommen wurde, klagte der Hohepriester Ananias ihn
vor dem Statthalter Felix in Cäsarea an, dass
er ein Unruhestifter unter allen Juden auf dem Erdkreis
sei und ein Prominenter der Sekte der Nazoräer
(Apg. 24,5)
. Vom Standpunkt der Juden
aus gesehen war er also jetzt ein Anhänger des
Ketzers und Nazoräers Jesus, in Wahrheit aber
fühlte er sich nicht anerkannt als Nazoräer
und hat er der nazoräischen Urgemeinde nie angehört.
Er hat sich dadurch gerächt, dass er den primären
Namen Nazoräer aus dem Christentum, aus seinem
Christentum für alle Zeiten ausgemerzt hat. Was
er sich schon vor dem Damaskuserlebnis vorgenommen
hatte: "Ich müsste viel dem Namen Jesu des
Nazoräers zuwider tun" (Apg. 26,9), das
setzte er leider auch noch nach seiner "Bekehrung"
fort. Oblgeich er vor Damaskus von Jesus dem Nazoräer
(Apg. 22,8) zur Ordnung gerufen worden war, verewigte
er die Verfolgung, indem er vom Römerbrief ab
den Namen des Nazoräers aus dem Neuen Testament
verschwinden ließ. Noch heute schreiben unzählige
Theologen Bücher über Jesus von Nazareth,
aber keiner wagt, von Jesus dem Nazoräer zu sprechen.
Der ist nicht nur als Ketzer suspekt, der wird bewusst
oder ahnungslos unterschlagen, in der naiven Nachfolge
des "Großen Völkerapostels" Paulus!
Es war wohl kein Zufall, dass
in Antiochia, wo Paulus längere Zeit wirkte,
zuerst der Namen Christianer aufkam (Apg. 11,26).
War das nicht ein gewollter Ersatz für den Namen
Nazoräer?
Wie sah es nun im Geist dieses Paulus aus nach seinem
berühmten Damaskus? "So jemand den Herrn
nicht liebt, der sei verflucht!" (1. Kor. 16,22).
"Es gibt kein anderes
(Evangelium), sondern nur gewisse Leute, de euch verwirren
und das Evangelium Christi verdrehen möchten.
Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch
ein anderes Evangelium predigen würde, als wir
euch verkündet haben, der sei verflucht!"
(Gal. 1,7.8).
"Ich habe schon beschlossen (über einen,
der im Gerücht geschlechtlicher Verfehlung stand)
... im Namen (?) des Herrn Jesus, ihn dem Satan zu
übergeben zum Verderben des Fleisches, damit
der Geist gerettet (selig!) werde am Tage des Herrn
Jesu" (1. Kor. 5,4.5).
So sah also der neue christianische
Geist aus, paulinisch-pharisäisch, gewiss nicht
nazoräisch, nicht jesuanisch. Wo blieb hier die
neue Kreatur in Christo? Das entsetzliche Geschehen
kirchlicher Ketzer- und Hexenverbrennungen im späteren
christlichen Abendland fand hier bereits seine biblische
Begründung und Rechtfertigung.
Uns interessiert nun hier allein
die Frage, wie Paulus mit dem Vegetarismus der Jerusalemer
Urgemeinde fertig wurde, wie er sich auseinandersetzte
mit dem Anspruch und der Forderung von Christen in
aller Welt, dass zur Erneuerung und Heiligung des
Menschen auch seine Bekehrung und Rückkehr zum
Vegetarismus gehöre.
Der Ausgangspunkt des Paulus
in dieser Frage war der eines ganz gewöhnlichen
noachitisch-karnivorischen Pharisäers, einer
verständnislosen alten Kreatur, die noch nichts
Neues gelernt hat. So behauptete er nun einfach mit
angemaßter Autorität:
"Der Geist (welcher?)
aber sagt deutlich (?), dass in den letzten Zeiten
(mit denen schon damals gedroht wurde) etliche vom
Glauben (von welchem?) abfallen werden, die sich halten
an verführerische Geister und Lehren der Teufel,
durch die Heuchelei von Lügenrednern, die das
Brandmal im Gewissen haben, die da verbieten zu heiraten
und Speisen verwerfen, die Gott geschaffen hat zum
Genuss mit Danksagung für die Gläubigen,
welche die Wahrheit erkannt haben (gemeint sind hier
die auf Blutvergießen beruhenden Fleischspeisen,
nicht harmlose Gemüse, die noch niemand verworfen
hat).
Denn aIle Kreatur Gottes ist
gut, und nichts ist verwerflich, was man mit Danksagung
zu sich nimmt; denn es wird geheiligt durch Gottes
Wort und Gebet" (1. Tim. 4,1-5).
Der kurze Sinn dieses langen Unsinns ist: Die ganze
Kreatur ist gut, vielmehr schmeckt gut und kann von
uns getötet und verschlungen werden, wenn wir
nur vorher das Tischgebet nicht vergessen.
Diese geist- und gewissenlose bloße Meinung
des alten Saulus wurde der ganzen Heidenchristenheit
durch die Bibel aufoktruiert und von ihr kritiklos
als "Gottes Wort" geglaubt.
Sie verursachte die Blindheit
der Bibelgläubigen auf diesem Fleck bis auf den
heutigen Tag.
- Es gab damals, in den urchristlichen
Zeiten, drei Gründe für die Motivierung
der Fleischmeidung:.
- die Angst vor Götzenopferfleisch;
- die Angst vor Blutgenuss
überhaupt;
die Orientierung an dem vegetarischen
Ur-Speisegebot in 1. Mose 1,29.
Nur bei diesem letzten Grund handelt es sich um den
Beweggrund zum echten Vegetarismus, der freilich die
beiden anderen Motive impliziert und endgültig
von ihnen befreit.
In der antiken Welt gab es überall Tempel, in
denen den Göttern laufend Tiere geopfert wurden.
Das dabei massenhaft anfallende und übrigbleibende
Fleisch wurde an die Bevölkerung verkauft und
war ein einträgliches Nebengeschäft für
die Priester-Schlachter.
Dabei entstand jetzt für
die Heidenchristen das folgende Problem: Nach althergebrachtem
magischem Opferverständnis tauchten die hungrigen
und blutdürstigen Götter in das Fleisch
und Blut der Opfertiere ein, und auf diese Weise bekam
auch der das Opferfleisch essende Mensch Kontakt mit
den Göttern und Anteil an ihren Kräften.
Neu zum Christentum übergetretene Heiden machten
sich nun ein Gewissen daraus, ob man als Christ wohl
solches Götzenopferfleisch (eidolothyton) nach
Gewohnheit weiterhin esssen und sich damit noch an
die alten Götter binden dürfe. Es geht hier
in der Tat gar nicht um ein vegetarisches, sondern
um ein kultisches Problem. Aber wir müssen uns
damit auseinandersetzen, weil die Normaltheologen
immer wieder versuchen, auf diese Weise das Vegetarismusproblem
ganz aus der Welt zu schaffen, indem sie behaupten,
es handele sich bei den paulinischen Erörterungen
gar nicht um die Enthaltung von Fleisch an sich, sondern
nur um die Meidung von Götzenopferfleisch.
Paulus gibt nun den Nichtvegetariern
den folgenden Rat: Die Götzen existieren gar
nicht, also nehmt sie nicht ernst (1. Kor. 8,4). Aber
schon im nächsten Vers korrigiert er sich selbst:
"Und wenn es auch so genannte Götter gibt,
sei es im Himmel, sei es auf Erden - es gibt ja tatsächlich
viele Götter und viele Herren -, so gibt es doch
für uns nur einen Gott, den Vater, von dem alle
Dinge sind", und dswegen können und dürfen
wir ruhig alles essen. Paulus gab also die Realität
der vielen Götter zu, und es war dann gewiss
leichtsinnig von ihm, ihre Einflusslosigkeit zu behaupten.
"Alles, was feil ist auf
dem Fleischmarkt, das esset, und forschet nicht nach,
auf dass ihr das Gewissen verschont. Denn die Erde
und ihre Fülle ist des Herrn.
Werdet ihr von einem Ungläubigen eingeladen,
und wollt ihr hingehen, so esset alles, was euch vorgesetzt
wird, und forscht nicht weiter nach, auf dass ihr
das Gewissen verschont" (l. Kor. 10,25-27). Was
ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Und da die Erde und alles, was darin ist, Gott gehört,
ist alles göttlich oder gut und kann alles zum
Frühstück, Mittag oder Abendessen verspeist
werden. Man stelle sich die Entrüstung vor, die
solche paulinischen Ansichten in der vegetarischen
Gemeinde zu Jerusalem hervorrufen mussten, und man
ermesse die Wirkung auf die ganze Menschheit, weil
solche Lehren als der christliche Standpunkt verkündet
und geglaubt wurden. Einen vernünftigen Menschen
konnte man mit solcher unterentwickelten Ethik nicht
für Paulus gewinnen.
"Es ist alles erlaubt
(?), aber es ist nicht alles zuträglich. Es ist
mir alles erlaubt, aber es soll nichts Gewalt über
mich gewinnen. Die Speisen dem Bauch und der Bauch
den Speisen. Aber Gott (?) wird diesen und jene zunichte
machen.
Der Leib aber nicht der Unzucht,
sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe" (1.
Kor. 6,12.13). "Speise fördert uns vor Gott
nicht. Auf unser Essen kommt es vor Gott nicht an:
essen wir, so werden wir darum nicht besser sein,
essen wir nicht, so werden darum nichts weniger sein"
(1. Kor. 8,8). "Das Reich Gottes ist nicht Essen
und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und
Freude durch den heiligen Geist" (Römer
14,17). Damit haben wir wohl so alles beisammen, was
der Gewissenlosigkeit und Zuchtlosigkeit im Essen
und Trinken dienlich ist, wonach der alten Kreatur
"die Ohren jucken", und was aller religiösen
Erfahrung der Heiligen widerspricht. Wenn der Leib
dem Herrn gehört und ein Tempel des heiligen
Geistes ist (1. Kor. 6,19), wieso sollen dann die
Zeugungsorgane geheiligt, die Verdauungsorgane aber
nicht geheiligt, sondern eine neutrale, gottlose Region
sein, die Gott zunichte macht?
Was wir essen und trinken,
kann durchaus Leib und Seele verderben in die Hölle
oder uns auch auf ganz konventionelle Weise enterben
vom heiligen Geist und uns lebenslang aus dem Bereich
des Göttlichen verbannen. Warum musste dieser
unselige alte Saulus noch Jahrzehnte nach seiner Bekehrung
dieses psychotherapeutische Wissen der Nazoräer
bewusst unterbinden? Kein Wunder, dass es da immer
wieder zu Spannungen, Streit und Tumult zwischen ihm
und den "bösen" Judenchristen kam.
Schließlich zog Paulus mit Barnabas ungebeten,
also aus eigener Not, hinauf nach Jerusalem, um mit
den dortigen großen Führern der Urgemeinde
einen "Friedensvertrag" auszuhandeln.
Wir werden wiederum keineswegs
genau informiert über den Verlauf des Apostelkonvents,
sondern natürlich einseitig in paulinischer Färbung.
Nicht einmal das Datum steht wieder fest: der eine
sagt 44/46 (Heussi), der andere 48/49 (Schoeps), der
dritte 52 (Appel). "Die Einzelheiten dieser fraglos
bedeutsamen Verhandlungen sind unklar; die beiden
Berichte Gal. 2,1-10 und Apg. 15 gehen in wichtigen
Punkten auseinander und geben auch jeder für
sich zu Bedenken Anlass. - Das Apg. 15,28-29 erwähnte
"Aposteldekret" kann nicht auf dem jerusalemischen
Apostelkonvent sondern erst nach demselben entstanden
sein" (Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte,
5. Auflage, 1922, §8g).
Zunächst einmal erwiesen
sich Jakobus, Petrus und Johannes, "die für
Säulen angesehen waren", als sehr friedliche
Leute. Vielleicht lag es im Interesse des Paulus,
dieses Bild von ihnen zu malen. Das von Paulus so
hochgespielte Thema der Beschneidung stand für
sie gar nicht zur Debatte und wurde schnell vom Tisch
gewischt. Unter der Decke schwelte natürlich
die Ernährungsfrage und die Frage nach der sittlichen
Reinheit. Jakobus der Gerechte stellte für eine
Gemeinschaft der Judenchristen mit den Heidenchristen
als Mindestforderung auf, "dass sie sich enthalten
(also Abstinenz üben) von Verun-reinigung durch
Abgötter und von Hurerei und vom Erstickten und
vom Blut" (Apg. 15,20).
Den besten Kommentar gibt uns
dazu der Jude Schoeps: Die vier Forderungen bedeuten:
"Die Enthaltung vom Götzenopferfleisch (eidolothyton)
(also gerade Verbot dessen, was Paulus für erlaubt
hielt!), vom Fleisch nicht rituell geschächteter
Tiere, von Tieren, die auf der Jagd mit Schlingen
gefangen und getötet worden sind, sowie von Ehen
in verbotenen Verwandtschaftsgraden bzw. von unsittlichem
Geschlechtsverkehr (Hurerei)." (a. a. O. Seite
260).
Außerdem vereinbarte
man, dass Paulus möglichst weit weg unter die
Heiden gehen sollte. Eine genaue Aufteilung der Missionsgebiete
- hier die Urapostel nur unter den Juden, dort allein
Paulus unter den Heiden - war unmöglich. Jesus,
Philippus und Petrus hatten auch schon Heiden bekehrt,
und Petrus missionierte später auch in Rom. So
war also der Friedensvertrag in Wahrheit ein Scheidungsvertrag!
Was nicht friedlich zusammenleben kann, scheidet sich
am besten.
Das Aposteldekret war ein fauler
Kompromiss. Um des lieben Friedens willen waren beide
Seiten nicht aufrichtig und fest genug gewesen, und
darum brach der Vertrag auch bald wieder auseinander.
Niemand war befriedigt. "Durch die Nachgiebigkeit
der Judaisten zustande gekommen ... haben sich auch
die bescheidenen (!) Forderungen dieses Aposteldekrets
nicht durchsetzen können." Die eindringende
Masse der Neuchristen in den Diasporagemeinden hat
die Bestimmungen des Aposteldekrets sicher nicht übernommen"
(Schoeps, a. a. O. Seite 260).
Das Apostelkonzil brachte keine
Lösung: Wenn sie noch Fleischesser waren und
blieben, konnten die Heidenchristen kaum Götzenopferfleisch
vermeiden, noch stand ihnen überall in heidnischen
Landen koscheres, durch Schächten gewonnenes
Fleisch zur Verfügung. Da gab es nur eine Lösung,
um aus diesem Dilemma für alle herauszukommen:
das war der Vegetarismus! Wenn man jegliches Fleisch
mied, bekam man es weder mit den Götzen noch
mit dem Blut zu tun.
Auf diesen genialen Weg sollte
niemand von den vegetarischen Koryphäen in Jerusalem
gekommen sein? Das ist ganz unwahrscheinlich und dokumentiert
nur die Unglaubwürdigkeit der neutestamentlichen
Nachrichten über den Apostellkonvent. Vermutlich
liegt hier eine Nachrichtenfälschung vor. Oder
sollten die Säulen nicht den Mut gehabt haben,
von den Heiden den Vegetarismus zu fordern? Dann sind
sie keine aufrichtigen Bekenner gewesen.
Jakobus der Gerechte hatte
doch von Mutterleibe an nichts gegessen, was einmal
beseelt gewesen war. Die menschliche Seele sollte
rein, d.h. unbeeinflusst von Dämonen und Tierblut
und Tiergeist bleiben. Auf dem Apostelkonvent hatte
man sich mit einer Halbheit abgefunden, mit der noachitischen
Lösung, die angeblich dem Noah angeboten worden
war: "Allein esset das Fleisch nicht, das noch
lebt in seinem Blut" (1. Mose 9,4). "Des
Leibes Leben ist im Blut" (3. Mose 17,11). Blut
ist noch immer ein ganz besonderer Saft. Das Blut
ist der Sitz der Seele und die Seele bewegt das Blut
und das Blut das Herz, nicht das Herz das Blut, das
ist noch oder wieder die neueste wissenschaftliche
Anschauung im 20. Jahrhundert.
Darum: "Merke, dass
du das Blut nicht essest, denn das Blut ist die Seele;
darum sollst du die Seele nicht mit dem Fleisch essen"
(5. Mose 12,23). Auch wer nun "glaubt",
diese uralte Anschauung ablehnen zu müssen und
zu können, muß doch mit ihr als Hypothese
arbeiten, wenn er die damalige religiöse Gesetzgebung
verstehen will. Da die Menschen zugleich gierig auf
Fleisch und ängstlich vor Blut waren, versuchten
sie, Fleisch und Blut sauber zu trennen. zu dem Zweck
erfanden sie die grausame Methode des Schächtens,
wobei der auslaufende heftige Herzschlag des gefesselten,
bei vollem Bewusstsein durch Kehlschnitt getöteten
Tieres noch mithelfen muss, das Blut aus dem Fleisch
des Tieres möglichst vollständig herauszupumpen.
"Das Tier wird durch einen Schnitt getötet,
der durch die Weichteile des Halses bis zur Wirbelsäule
geht, die Halsschlagader durchtrennt und völliges
Ausbluten bewirkt" (Duden-Lexikon 1962, Seite
1860) Dieses Schächten gehört zum Beruf
eines Rabbiners.
Der Gerechtigkeit halber muss
aber darauf hingewiesen werden, dass außer den
Juden auch die Mohammedaner schächten und die
Juden es wohl von den Ägyptern übernommen
haben. Überhaupt ist die noachitische Ordnung
keine bloße mosaische Ritualordnung, sondern
ursprünglich bezogen auf die gesamte Menschheit
nach der Sintflut.
Darum wollte wohl das Aposteldekret
alle Heidenchristen zum mindesten vom Blutverzehr
erlösen, wenn sie denn für den Vegetarismus
noch nicht reif waren. Da die Ausblutung nie total
garantiert ist, zogen gewissenhafte Juden alter und
neuer Zeit die Konsequenzen und verzichteten lieber
ganz auf den Fleischgenuss und entkräfteten damit
zugleich ein für allemal jeglichen antisemitischen
Vorwurf gegen das Schächten.
Nun, der Vegetarismus wäre
auch die beste Lösung für alle auf dem Apostelkonzil
gewesen. Aber das fiel den vegetarischen Kanonen angeblich
nicht ein. Sie hatten als erlöste Christen doch
schon die nächst höhere Entwicklungsstufe
der Menschheit erreicht. Von einem Rückfall in
jüdische Zeremonialordnung kann bei ihnen gar
keine Rede sein. Der Vegetarismus gehört nicht
zur noachitischen und mosaischen Lebensordnung, sondern
zur vorsintflutlichen heilen Urordnung, zur göttlichen
Schöpfungsordnung und zur zukünftigen Erlösungsordnung.
Von Paulus konnte man diese
Einsicht damals noch nicht erwarten, aber der Erzvegetarier
Jakobus und die anderen Säulen hätten die
Urordnung verkünden und fordern müssen.
Man kann nur vermuten, daß der Bericht des Paulus
und seines Schülers Lukas im Sinne und Interesse
des Paulus geschrieben wurde.
Dass nicht einmal die Apostel das Aposteldekret halten
konnten, beweist der Bericht des Paulus, Galater 2,11-14,
was sich alsbald nach dem Apostelkonzil abspielte:
"Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstand
ich ihm unter Augen; denn zuvor, ehe etliche von Jakobus
kamen, aß er mit den Heiden; da sie aber kamen,
entzog er sich und sonderte sich ab, darum dass er
die aus den Juden fürchtete. Und mit ihm heuchelten
die andern Juden, also dass auch Barnabas verführt
ward, mit ihnen zu heucheln.
Aber da ich sah, dass sie
nicht richtig wandelten nach der Wahrheit (?) des
Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen öffentlich:
So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht
jüdisch, warum zwingst du denn die Heiden, jüdisch
zu leben?" Zunächst, welch eine anmaßende
und pharisäische Sprache, als ob kein Friedensschluss
und keine Verständigung geschehen wäre.
Dieser alte Saulus war schon ein schwieriger, widerspenstiger
Bruder! Warum wieder dieser Zusammenstoß mit
Petrus? Wenn ich als Vegetarier mit einem fleischessenden
Heiden an einem Tisch sitze und Gemeinschaft mit ihm
bekunde, so brauche ich ja nicht in allem dasselbe
zu essen wie er. Dargestellt wird Petrus in der Apostelgeschichte,
als sei er ein normaler jüdischer Fleischesser
gewesen. Wieso zwang er die Heiden, jüdisch zu
leben?
Vereinbart war doch von beiden,
Heiden wie Juden, dass kein Götzenopferfleisch,
aber koscheres Fleisch gegessen werden durfte. Wenn
also die Heidenchristen das Aposteldekret nicht gebrochen
haben, war es für die Judenchristen kein Problem,
Tischgemeinschaft mit ihnen zu haben. Es ist ganz
undenkbar, dass Petrus in Gemeinschaft mit den Heiden
das Aposteldekret sabotiert hätte. Sein Bekenntnis
war: "Ich habe noch nie etwas Gemeines oder Unreines
gegessen" (Apg. 10,14)
Vermutlich war etwas ganz anderes
geschehen. Wahrscheinlich hatte der Vegetarer Petrus
aus Toleranz und um des lieben Friedens willen als
Gast eine kleine Konzession bei Tisch gemacht. "Da
aber etliche von Jakobus kamen", d.h. vegetarische
Nazoräer, "entzog er sich und sonderte sich
ab. Und mit ihm heuchelten (?) die andern Juden, also
dass auch Barnabas verführt (?) ward" (Gal.
2,12.13). Nichts war, wenn mehrere Vegetarier anwesend
waren, natürlicher, als dass man einen Sondertisch
für Vegetarier einrichtete. Nur so bekommt die
ganze Geschichte einen Sinn. Aber warum nun wieder
dieser Unverstand und diese Intoleranz bei Paulus?
Haben christliche Vegetarier keinen Anspruch auf das
Menschenrecht der freien Kostwahl? Die paulinischen,
noachitischen Christen, die so viel von der "Freiheit"
des Christen reden, haben diese Freiheit bis heute
noch nicht begriffen.
Ewig konnte Saulus nicht wider
den Stachel löcken. Nicht immer konnte er mit
theologischen Spiegel-fechtereien über die "Freiheit
in Christo" von der Sachlichkeit ablenken und
über Götzenopferfleisch und jüdische
Speisegesetze reden statt vom Vegetarismus. Zu oft
wurde er von echten Vegetariern unter Juden und Heiden,
von Nazoräern, Essäern und Neu-Pythagoreern
zur Rede gestellt, sei es in Juda, in Griechenland
und Kleinasien, sei es in Rom. So lautete der Vorwurf,
dem er immer wieder begegnete: Es ist ein Skandal,
wenn jemand ein Christ ist und ist kein Vegetarier.
Willst du ein großer Apostel sein und weißt
das nicht? Du lehrst doch selbst: "Ist jemand
in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte
ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden."
Eine neue Kreatur in Christo vergießt und genießt
kein tierisches Blut mehr. Wo ist denn nun bei dir
die ganz neue Kreatur? Wer noch opfert oder schächtet
und alles isst, der ist doch noch von gestern. Was
antwortete darauf der in die Enge getriebene Saulus?
Dieses:
"Wenn die Speise meinen
Bruder ärgert, esse ich bis zum Ende der Welt
überhaupt kein Fleisch mehr, auf dass ich meinem
Bruder keinen Anstoß gebe." Noch urtextnäher
übersetzt: "Wenn meine Speise meinem Bruder
ein Skandal ist, dann esse ich in Ewigkeit (in diesem
Äon) kein Fleisch mehr, damit ich meinen Bruder
nicht ärgere" (1. Kor. 8,13). Großartig,
hoffentlich hat er auch Wort gehalten!
Sehr beachtlich ist, dass Paulus hier nicht mehr von
Götzenopferfleisch (eidolothyton) redet, sondern
von kreas, also von Fleisch schlechthin. Er sagt:
Am besten ist, wir Christen essen alle überhaupt
kein Fleisch mehr, dann ist der leidige Streit um
das Götzenopferfleisch, aber auch der Streit
mit den Vegetariern aus biblischen Gründen, nämlich
wegen des vegetarischen Urspeisegebotes, ein für
allemal aus der Welt geräumt, wenigstens aus
der Kirche!
Das wäre doch die Basis
für eine vernünftige Einigung auf dem Apostelkonvent
gewesen. Das werden ihm doch sicher auch schon die
Apostel gesagt haben. Aber dem Saulus ging das Licht
erst reichlich spät auf.
Es gab nicht nur einen Bruder, sondern sehr viele
Brüder, die ihm immer wieder auf den Kopf zusagten,
dass sie sich ärgerten über sein Fleischessen.
Wenn er also sein Wort und sich selbst ernst nahm,
dann konnte er sich selbst nicht mehr entfliehen,
dann muss er sofort Vegetarier geworden sein. Nachdem
er dieses Wort gesprochen hatte, hatte er sich und
seine paulinische Gefolgschaft ein für allemal,
für Zeit und Ewigkeit auf den Vegetarismus festgelegt.
Die Biblizisten und paulinischen
Christen halten bekanntlich jedes Bibel- und Pauluswort
für "Gottes Wort", dem man glauben
und gehorchen muss. Praktisch pflegen sie das aber
nur zu tun, wenn und soweit es ihnen passt. Wenn sie
auch 1. Kor. 8,13 für Gottes Wort genommen hätten,
wäre das Christentum eine vegetarische Religion
geworden. Das wäre genauso möglich gewesen
wie im Jainismus, Hinduismus und teilweise im Buddhismus,
und die christlichen Kirchenväter und Urmönche
haben auch tatsächlich ein vegetarisches Christentum
vorgelebt. Heute ist der ethische Stand des Christentums
so weit gesunken, dass die meisten die Sache des Vegetarismus
überhaupt nicht kennen, oder aber ihn als unnötig
oder gar unchristlich ablehnen.
Wir vegetarischen Christen
ärgern uns aber über die Lieblosigkeit und
Ungerechtigkeit der Brüder, weil es gemein ist,
schwächere Mitgeschöpfe auszubeuten, ihnen
Leid und Unrecht und Kapitalverbrechen zuzufügen,
um an ihr Fleisch und Fell heranzukommen und ihre
Gesundheit und ihr Leben experimentell zu ruinieren.
Dass Paulus in seinem langwierigen
und schwierigen Entwicklungsprozess endlich auch auf
den Ur-vegetarismus gestoßen ist, beweist Römer
14. Als er seinen berühmten Römerbrief schrieb,
war er noch nicht in Rom gewesen. Aber das Evangelium
war schon ohne ihn da gewesen. Es gab schon eine christ-liche
Gemeinde in Rom, und das Christentum wäre also
auch ohne den Völkerapostel nach Nordeuropa gekommen.
Und in Rom waren auch schon wieder christliche Vegetarier.
Paulus hatte Pech: Überall gab es diese lästigen
christlichen Vegetarier. Er musste sich also auf sie
einstellen und seine Sprache schon sehr zügeln,
um nicht von vornherein auch von den römischen
Christen abgelehnt zu werden. Er versuchte es diesmal
nicht mit Donnerwetter und Teufeln, sondern mit Toleranz
und Gleichberechtigung - auch für die Fleischesser!
"Einer glaubt, er möge
allerlei essen; welcher aber schwach ist, der isst
Kraut. Welcher isst, der verachte den nicht, der da
nicht isst; denn Gott hat ihn auf genommen" (Römer
14,2.3). Im Neuen Testament in der Sprache von heute,
übersetzt von Friedrich Pläfflin (Heilbronn
1954) heißt das so: "Dem einen macht es
nichts aus, ohne weiteres alles zu essen, den anderen
zwingt sein empfindsames Gewissen, vegetarisch zu
leben. Wer alles isst, soll den Vegetarier nicht verachten.
Wer vegetarisch lebt, soll sich kein Urteil über
den anderen erlauben. Gott hat doch den Nicht-Vegetarier
auch zu seinem Kinde angenommen. Woher willst du das
Recht haben, ein Urteil zu sprechen über den,
der nun einmal innerlich anders steht?" (2.3).
"Der eine legt auf einen Tag mehr Wert als auf
den andern, der andere hält alle Tage gleich
wert: wenn nur jeder in seiner Meinung gewiss ist!
Wer einen Tag besonders heilig hält, tut es dem
Herrn; wer alles isst, ebenso, - er dankt Gott dafür.
Und wer vegetarisch lebt, tut es dem Herrn, dankt
aber Gott gleichfalls dafür" (5.6).
So positiv werden wir Vegetarier
allerdings in der heutigen Kirche noch nicht beurteilt.
Man diffamiert uns noch immer als Glaubensschwache,
als Selbsterlöser, und den Vegetarismus als Teufelslehre
(1. Tim. 4.1). Doch lassen wir Paulus erst zu Ende
reden: "Lasset uns dem nachstreben, das zum Frieden
dient
und was zur Besserung untereinander dient (19). Zerstöre
nicht um der Speise willen Gottes Werk. Es ist zwar
alles (?) rein; aber es ist nicht gut dem, der es
isst mit einem Anstoß seines Gewissens (20).
Es ist besser, du issest kein Fleisch und trinkest
keinen Wein und tuest nichts, daran dein Bruder Anstoß
nimmt" (21). Zu den grundsätzlichen Alkoholabstinenten
gehörte offensichtlich wie die meisten Christen
auch der jüngere Mitarbeiter des Paulus, Timotheus.
Ihm gab Paulus aber den entgegengesetzten Rat: Es
ist besser, du trinkest nicht nur Wasser, sondern
auch ein wenig Wein wegen deines Magens und deiner
häufigen Krankheiten" (1. Tim. 5,23). Es
ist unwahrscheinlich, dass des junge Mann den diätetischen
Rat des "erfahrenen" Paulus angenommen hat.
Ein Johannes der Täufer oder ein Jakobus der
Gerechte hätten sich von dieser Weltweisheit
eines Paulus natürlich nicht beeindrucken lassen.
Ich stelle hier also für
alle Ignoranten und Nichtgutwilligen in der katholischen
und evangelischen Kirche und in den meisten Sekten
fest, dass Paulus zu guter Letzt, wenn auch schweren
Herzens, ein Zeugnis zugunsten des Vegetarismus und
der Alkoholabstinenz abgelegt hat: Es ist schön
und gut (kalon), besser sogar, vegetarisch und abstinent
zu leben. "Er legt ein Bekenntnis ab, als wäre
er ein Pythagoreer", schrieb Clemens Alexandrinus
(Paed. 2,1,11), der selbst ein Pythagoreer war.
Man hatte gewiss auch in Rom schon allerlei schlimme
Gerüchte über Paulus gehört. Nun aber
hatte er sich einen Zugang zu den Herzen der römischen
Gemeinde gebahnt. Man konnte es mit ihm aufnehmen.
Natürlich konnte man nicht alles akzeptieren,
was er da geschrieben hatte.
Manches war zu kraus, z.
B.:
- dass Reinheit eine Willkür
und Geschmacksache des Menschen, kein göttliches
Mass sei,
- dass alles rein sei, als
ob es kein Unreines gäbe,
- dass der Vegetarismus eine
bloße Ermessensfrage und nicht Gottes heiliger
Urwille sei,
- dass es dem Herrn also ganz
gleichgültig sei, ob ein Christ Vegetarier
sei oder nicht,
- dass er ihn annähme,
auch wenn er sich gar nicht wandle zu einer neuen
Kreatur, vor allem aber die unerhörte Behauptung,
- dass der Vegetarismus etwas
für die im Glauben Schwachen, das Fleischessen
dagegen die Norm für die Starken sei. "einer
glaubt, er möge allerlei essen (im Urtext heißt
es genau sogar: alles essen! Das hat dann selbst
Luther abgeschwächt zu allerlei). Welcher aber
schwach ist, der isst Kraut." Wo steht das
geschrieben? Das ist eine totale Verdrehung von
Gottes Wort! In meiner Lutherbibel finde ich bei
Römer 14,2 als Fußnote zwei Hinweise
auf 1. Mose 1,29 und 9,3.
Dieser Hinweis trifft den Kern
der Sache. Es ging bei den christlichen Vegetariern
in Rom und anderswo gar nicht mehr um Götzenopferfleisch
und Blutverbot, sondern um den reinen Vegetaristius,
das göttliche Urspeisegebot für die ganze
Menschheit. Paulus verrät sich selbst durch
den Satz: "der isst Kraut." Er weiß
also, was in 1. Mose 1,29 steht. Wie viele schöne
Worte und Theorien hätte er darum aufbauen können,
wenn er es nur gewollt hätte!
Doch warum vergaß er,
die Früchte zu erwähnen? Auch die gefallene
Erde ist immer noch voller herrlicher Früchte,
Körner und Gemüse, und auch voller Ölfrüchte
zur Versorgung des Menschen mit pflanzlichen Fetten.
Nirgendwo aber steht geschrieben, dass die paradiesische
Kost Adams die Speise der Schwachen, die blutige Kost
Noahs aber die Speise der Heiligen sei. Damit kam
der heilige Paulus auch in Rom nicht durch. Dort konnte
man noch Gottes Wort von Pauli's Unverstand und Widerstand
unterscheiden. Auch hier und im gereiften Alter musste
er also noch erleben, dass die Menschen sich von ihm
nicht alles gefallen ließen, dass er auf Widerspruch
bei den damaligen mündigen Nazoräern stieß.
Seine alte Natur erzeugte immer wieder neue Spannung.
Wir wissen nicht, wie er sich in Rom arrangierte.
Er schient seine Mission unter den dortigen Juden,
nicht unter den Heiden begonnen zu haben (Apg. 28).
Sein Ende als Märtyrer
verliert sich im Dunkel der Gesichte. Als fragwürdiges
Erbe hinterließ er neben der schon von den Judenchristen
abgelehnten Kreuzes- und Sühnopfertheologie und
seiner konfusen Ernährungsideologie sein für
die Weltgeschichte verhängnisvolles politisches
Dogma: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit,
die (zufällig) Gewalt über ihn hat, denn
jede Obrigkeit ist von Gott" (Röm. 13,1).
Wer war wohl dieser unchristliche
Gott? Nach Jesu Offenbarung sind alle Obrigkeiten
der Reiche dieser Welt vom Teufel (dem Fürsten
dieser Welt) (Matth. 4,8.9). Das Christentum Jesu
und das Christentum Pauli stehen sich hier diametral
gegenüber. Seitdem leidet das Christentum bis
auf den heutigen Tag an einer chronischen Fallsucht"
und Bewusstseinsspaltung, die allein durch den Glauben
an Jesus wieder geheilt werden kann. Der Aberglaube
an die Autorität des Paulus muss dagegen gebrochen
werden. Das ist so nötig wie einst die Tempelreinigung,
auch wenn es dabei wieder viel Protestgeschrei im
Tempel geben wird.
Als der Bericht über Paulus
in der Bibel abriss, war noch nicht aller Tage Abend
für den alten Saulus. Über das, was er in
den ersten zwei Jahren in Rom erlebt, gelehrt oder
geschrieben hat (Apg. 28,30.31), sind keine Urkunden
auf uns gekommen. Verstummt war er gewiss nicht, aber
die vegetarischen Christen werden ihm weiterhin zugesetzt
haben bis ihm die vegetarische Uroffenbarung endlich
auch als christliche Offenbarung einleuchtete.
Es gibt noch eine letzte späte
Nachricht von Paulus, ein unbekanntes Pauluswort.
Es existieren ja viele unbekannte Jesusworte, aber
ich fand bisher nur ein unbekanntes Pauluswort. Es
lautet:
JESUS BEFAHL MIR / DASS ICH KEIN FLEISCH ESSE UND
KEINEN WEIN TRINKE / SONDERN NUR BROT / WASSER UND
FRÜCHTE / DAMIT ICH REIN BEFUNDEN WERDE / WENN
ER MIT MIR REDEN WILL.
Dieses Pauluswort, das zugleich
ein indirektes Jesuswort ist, steht geschrieben im
Toldot Jeschu: Das Leben Jesu nach jüdischen
Quellen, Herausgegeben und erläutert von Samuel
Krauss, Berlin NW 7, S. Calvary & Co. 102, Seite
113.
Dieses Wort, eine vegetarische Perle in der Weltliteratur,
lag verloren im Schmutz der Weltgeschichte. Ich hob
es auf und brauchte es nicht zu reinigen. Es war blankes
geistiges Gold!
Das Toldot Jeschu ist eine
eine üble jüdische Schmähschrift auf
Jesus, eine jüdische Parallele zu den neutestamentlichen
Evangelien. Wie von diesen gibt es auch vom Toldot
Jeschu unzählige, in aller Welt verbreitete Handschriften.
Das genannte Buch von Krauss "ist nach wie vor
das Standardwerk der Toldot-Forschung" (Schoeps,
a. a. 0. S. 32, Anm. 1). Nach Krauss "kann dieses
literarische Erzeugnis auf ein ehrwürdiges Alter
von mindestens anderthalb Jahrtausenden zurückblicken"
(Seite 16). "Wahrscheinlich müssen wir uns
das Toldot im 5. Jahrhundert entstanden denken"
(Seite 246). "Den ganzen Inhalt ... kennt auch
bereits Tertullian (De spectae. c. 30)" (Seite
3).
Alles, was den Christen heilig
ist, von der Geburt bis zum Tode Jesu, wird in den
Schmutz gezogen, Jesus war ein unehelicher Sohn, von
seiner Mutter im Ehebruch von einem römischen
Soldaten empfangen. Er starb nicht am Kreuz, sondern
wurde gesteinigt und sein Leichnam im Staub der Gassen
durch die heilige Stadt geschleift. Was war hier historische
Wahrheit, was Phantasieprodukt bodenlosen Hasses?
Wurde hier abgewertet, was von den Christen überbewertet
worden war? Während Jesus in dem antichristlichen
Pamphlet bös mitgespielt wurde, kam Paulus als
Freund und Fürsprecher des jüdischen Volkes
besser davon. Wenn nun Paulus und damit indirekt auch
Jesus als Vegetarier heraus-gestellt wurde, so fragt
man sich, ob das eigentlich ein Lob oder auch eine
Diffamierung sein sollte. Wie konnte auf antichristlichem,
jüdischem Boden ein so urchristlicher, lichter
Gedanke gedacht werden, der auf kirchlichem Boden
so schwer Fuß faßt? Welcher Wahrheitsgrad
kommt dieser Tradition zu? Rein religionspsychologisch
würde ich sagen: Wo immer es herkommen mag, das
Wort könnte eine geistreiche Verarbeitung und
Kombination von Römer 14,21 und 1. Kor. 8,13
sein.
Doch es sagt mehr aus: Es führt
die Erkenntnis des Paulus auf eine Inspiration durch
den Nazoräer Jesus zurück, und es weist
auf die theurgische Bedeutung des Vegetarismus hin,
erläutert den metaphysischen Reinheitsbegriff
der Nazoräer, den man mit kultischen Reinheitsvorschriften
nicht mehr billig abtun kann. Halten wir uns also
letztlich an die hohen Offenbarungen von Seiten des
Nazoräers Jesus! Irgendwann musste doch das Damaskus
einmal zu seinem Sinn und Ziel kommen und musste durch
die Geistesgewalt des Nazoräers zwischen Himmel
und Erde aus dem alten Saulus ein neuer, friedlicher
und vegetarischer Mensch, einer der Söhne Gottes
werden.
Über Saulus schwebte seit
Damaskus als Urbild und Werdeziel der Ruf aus der
Höhe: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?
Ich bin Jesus der Nazoräer, den du verfolgst"
(Apg. 22,7.8). Nicht nur wir haben, auch Jesus hat
schon "viel Mühe und Arbeit" mit diesem
schwierigen Saulus und seiner zugleich widerspenstigen
und aggressiven Natur gehabt. Zahmheit und Sanftmut
waren nicht gerade seine Stärke, auch wenn er
angeblich mit sich selbst kämpfte: "Ich
betäube meinen Leib und zähme ihn, dass
ich nicht den andern predige und selbst verwerflich
werde" (1. Kor. 9,27). Er war zu seinem Glück
nicht frei von asketischen Neigungen und er rühmt
sich ihrer Auswirkungen, seiner Entzückungen,
Gesichte und der Offenbarungen des Herrn (2. Kor.
12,1 f.). Beide Seiten, Jesus und Paulus, setzten
also auch nach Damaskus die Kontakte miteinander fort.
"Ich zog aber hinauf aus einer Offenbarung"
(Gal. 2,2), berichtet Paulus im Hinblick auf den Apostelkonvent
in Jerusalem. So ist es also nach beiden Seiten hin
glaubwürdig, wenn Paulus bezeugt: "Jesus
befahl mir, dass ich kein Fleisch esse und keinen
Wein trinke ..."
Das entsprach ganz dem Geist
und Willen Jesu des Nazoräers, der als essäischer
Vegetarier und Abstinent auf Erden geboren war und
gelebt hatte, mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl
ohne Osterlamm und Wein im Ordenshaus der Essäer
gehalten, den Erzvegetarier Jakobus den Gerechten
zu seinem ersten Nachfolger berufen, den Vegetarier
Matthias zum Ersatzapostel für Judas erwählt
und Petrus zum Vegetarier bekehrt hatte, dass es sein
selbstverständliches Ziel war, auch diesen Saulus
von all seinen karnivorischen Phantasien und Gewissenlosigkeiten
zu erlösen und ihn unter allem anderen, was noch
zum Christen gehört, auch zu einem Vegetarier,
einem Reinen und Gerechten gegenüber Leib und
Kreatur, zu machen.
Das hat Jesus von allem Anfang
an, seit Damaskus, vorgeschwebt und es wurde in und
an Paulus verwirklicht, indem Jesus ihn direkt oder
durch nazoräische Brüder und Schwestern
auf Erden angesprochen hat oder aber dadurch, dass
die Wahrheit und Gerechtigkeit schließlich aus
eigener Logik im eigenen Verstand dem Paulus eingeleuchtet
ist. Dies aber waren in dieser umstrittenen Angelegenheit
die letzten Einsichten des Paulus: "Wir wissen,
dass auch die ganze Schöpfung mitseufzt und mitleidet
bis zu diesem Augenblick. Die Kreatur harrt ängstlich
darauf, dass die Menschen sich als Söhne Gottes
offenbaren. Denn auch die Kreatur wird einst frei
werden von der Versklavung an den Kreislauf der Vergänglichkeit
zur ursprünglichen Freiheit der Kinder Gottes"
(Röm. 8,22.19.21).
"Es ist schön und
gut, nicht Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken,
noch irgend etwas zu tun, wenn dein Bruder das entsetzlich
findet" (Röm. 14,21).
"Darum, weil meine Speise
meinem Bruder ein Skandal ist, esse ich in Ewigkeit
kein Fleisch mehr, damit ich meinen Bruder nicht ärgere"
(l. Kor. 8,13).
"Jesus befahl mir, dass
ich kein Fleisch esse und keinen Wein trinke, sondern
nur Brot, Wasser und Früchte, damit ich rein
befunden werde, wenn er mit mir reden will" (Toldot
Jeschu, Ms. Vindobona).
Wenn wir Paulus zubilligen, dass er unmittelbaren
Kontakt mit Jesus hatte, dann musste Jesus ihm wohl
auch seine Wahrheit und Absicht hinsichtlich der Ernährung
eines Christen sagen dürfen. "Jesus befahl
mir..."
Es ging also nicht darum, dass
sich nur die Brüder ärgerten. Sie ärgerten
sich ja nur deshalb über Paulus, weil er nicht
hören konnte, was Jesus ihnen schon längst
ins Gewissen geredet hatte: "Jesus befahl uns,
dass wir kein Fleisch essen und keinen Wein trinken
sollen, sondern nur Brot, Wasser und Früchte,
damit wir rein befunden werden, wenn er mit uns reden
will" Es ging hier um eine allgemein verbindliche
Verfügung an alle Christen, nicht um eine Sonderoffenbarung
nur an den Außenseiter Paulus. Jesus wollte
alle Menschen erlösen von der Gier und Willkür,
Unreinheit und Gewissenlosigkeit in der Ernährung,
von "Raub und Fraß" in den Schüsseln
und Bechern. Freiheit ohne Reinheit, ohne Gerechtigkeit
und Heiligkeit gibt es nicht. Sie ist Selbstbetrug
und verfehlt die Gerechtigkeit vor Gott, ist also
Sünde.
Jesus gab konkrete Anweisungen.
Er befahl: Kein Fleisch! Keinen Alkohol! Nur Brot,
Quellwasser und Früchte, wobei er in der antiken
Umwelt besonders an Feigen, Oliven und Weintrauben
gedacht haben wird. Wohl dem, der göttlichen
Befehlen gehorcht, ihm kann schneller geholfen werden.
"Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen
habe!" (Matth. 28,20).
Jesus bezeugte in diesem Spruch
das hohe Wissen (die Gnosis), dass Askese, Fasten,
Alkoholabstinenz und vegetarische Ernährungsweise
allen Geistträgern und Heiligen die Schlüsselgewalt
vermitteln, den Zugang fördern zu allen Schätzen
der Weisheit und der Erkenntnis. Jesus konnte wohl
Zeremonialgesetze aufheben, nicht aber die Gesetze
und Regeln des heiligen Geistes. Wir müssen auch
selbst etwas für unsere Reinigung tun, wenn wir
ihm gleich werden wollen. "Ein jeder, der solche
Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich selbst, gleichwie
jener auch rein ist" (1. Joh. 3,3).
Der Anfang allen Aufstiegs
im Geiste ist die Enthaltung von blutiger Kost, "damit
wir rein befunden werden, wenn er mit uns reden will".
Dann nämlich beginnt erst das wahre Geistchristentum,
die individuelle Inspiration und Unterweisung durch
Jesus, den Nazoäer.
Das unbekannte indirekte Jesuswort aus dem Toldot
Jeschu erweist sich so aus den neutestamentlichen
Kontextent und aus der Geschichte als durchaus echt
im Sinne Jesu des Nazoräers und könnte als
"kanongemäß" beglaubigt werden.
Viele Worte und Bücher
und unglaubliche Rechtfertigungen des Fleischessens
hätten der Christenheit erspart bleiben können,
wenn Paulus früher zur Vernunft gekommen wäre
und uns "Gottes Wort" eindeutiger bezeugt
hätte.
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