Sokrates
Sokrates hatte zuerst gemahnt,
sich vor Speisen und Getränken zu hüten,
die uns reizen, ohne Hunger zu essen und ohne Durst
zu trinken.
Er untersagte seinen Schülern zwar nicht davon
zu essen, aber er lehrte, man solle nur in Notfällen
davon essen, gleich den Staatsmännern, die die
zu Schauspielen bestimmten Gelder zu Kriegszwecken
ver-wenden.
(Dieser Text schon einmal
vorhanden?)
Denn eine Speise, die verlocke, dürfe nur insoweit
genossen werden, als sie einen Teil der nötigen
Nahrung ausmache. Man kann das Angenehme essen wenn
man hungert, aber man soll nicht die Esslust nach
einzelnen Dingen besonders wecken, wenn man das Bedürfnis
schon gestillt hat.
So wie das Tanzen für Sokrates eine angenehme
Leibesübung war, so meinte er auch, dass der
Nachtisch niemandem zum Schaden gereicht, der ihn
als ordentliche Mahlzeit genießt.
Wenn seltene und köstliche
Speisen aufgetragen werden, so muss man eher eine
Ehre in der Enthaltung als im Genuss suchen und denken
wie Simonides, der sagte, das Schweigen habe ihn niemals
gereut, wohl aber oft das Reden. So werden wir es
auch nicht bereuen, wenn wir ein Gericht auslassen
oder statt des salernischen Weins Wasser trinken,
das Gegenteil aber werden wir bereuen. Indessen darf
man nicht bloß der Natur keine Gewalt antun,
sondern muss auch, wenn man einmal dergleichen aus
Not genießt, die Esslust immer wieder auf einfache
Speisen richten, um der Gewohnheit und der Übung
willen in der Überzeugung, dass Schwelgerei und
Üppigkeit hauptsächlich Aufstände und
Niederwerfungen in den Staaten hervorrufen, gab Krates,
der Schüler des Diogenes, die scherzhafte Ermahnung:
"Ziehe den Linsen nicht die leckeren Gerichte
vor, damit du uns nicht in Aufruhr verwickelst."
Ebenso muss jeder sich selbst ermahnen, den Linsen
nicht die leckeren Speisen vorzuziehen, noch der Fische
wegen Kresse und Oliven zu verschmähen, damit
man im Körper nicht Aufruhr und Unruhe verursache.
Denn einfache Speisen halten die Esslust immer in
den Schranken der Natur, die Künsteleien der
Köche und Zuckerbäcker dagegen vermehren
das Vergnügen ohne wirklichen Nutzen. "Ich
begreife nicht, wie man diejenigen Frauen hasst,
die ihren Männern Liebestränke und Zaubermittel
geben, wenn man nichts dazu sagt, dass Köche
und Angestellte unsere Speisen verzaubern und vergiften!"
Den Athenern warf Demades vor,
dass sie immer zur Unzeit kriegerisch würden
und nach einer erlittenen Niederlage nur in schwarzen
Kleidern Frieden schlössen. Ebenso denken auch
wir nicht eher an eine mäßige und einfache
Lebensweise, als bis wir uns von den Ärzten behandeln
lassen müssen. Auch dann noch suchen wir unsere
Vergehen so viel wie möglich zu bemänteln
und schieben die Schuld nicht auf die Unmäßigkeit
und Leckerhaftigkeit sondern auf die Luft oder auf
die ungesunde Gegend oder auf eine Landseuche.
Für einen gesunden Körper
schicken sich keine heftigen, widerspenstigen und
tobenden Begierden. Daher muss man einer ausschweifenden
lüsternen Essbegierde widerstehen und ihr Klagen
und Drängen für lächerlich und kindisch
halten. Man bedenke, dass die Esslust gestillt sein
werde, sobald das Essen ab-getragen worden ist, und
dass die Begierden dann gelassen und ruhig den folgenden
Tag erwarten werden.
Timotheos (ca. 450-360 vor
Christus) sagte, nachdem er bei Platon in der Akademie
einem philosophischen und mäßigen Gastmahl
beigewohnt hatte: "Wer beim Plato speist, der
hat auch noch am andern Tag Lust zu essen." Und
von Alexander erzählt man, als die Königin
Ada von Karien ihm Köche zugesandt hatte, hätte
er sie mit den Worten zurückgeschickt: er führe
weit bessere Köche mit sich, für das Mittagsmahl
den nächtlichen Marsch, für das Abendessen
die dürftige Mittagsmahlzeit.
Allerdings können die Menschen auch durch Übermüdung,
Erhitzung und Erkältung in Fieber verfallen.
Allein wie der schwache Geruch der Blumen stärker
wird, wann man ihn mit Öl versetzt, ebenso gibt
auch der Überfluss an Säften den äußerlichen
Ursachen den Stoff; ohne diesen wäre nichts Schlimmes
zu befürchten, sondern die äußerlichen
Ursachen lassen sich gar leicht beheben, begünstigt
durch ein ver-dünntes Blut und einen freien Atem,
der der Bewegung zustatten kommt. Die überflüssige
Menge von Säften aber pflegt, wie ein aufgerührter
Schlamm, alles zu verunreinigen, zu verschlimmern
und die Kur zu erschweren. Deshalb darf man den Leib
nicht erst überladen und beschweren und alsdann
wieder reinigen und ausspülen, so wie eifrige
Schiffer aus Geiz zu viele Ladung in das Schiff nehmen,
und nachher unaufhörlich das Seewasser auspumpen
müssen - sondern man muss seinen Leib beständig
in einem solchen Zustand erhalten, dass er sich, wie
Kork, durch seine Leichtigkeit wieder emporheben kann,
falls er einmal niedergedrückt wird.
Hauptsächlich hüte
man sich vor der Unverdaulichkeit, welche vom Fleisch
herrührt, weil sie nicht bloß anfangs Beschwerden
verursacht sondern auch sehr üble Folgen zurücklässt.
Am besten wäre es, seinen Körper so zu erziehen,
dass er des Fleisches gar nicht bedarf.
Die Erde bringt ja tausendfach
nicht bloß nahrhafte sondern auch angenehme
Dinge hervor, die man teils auf der Stelle ohne weitere
Mühe genießen, teils auch durch Vermischung
und vielfältige Zubereitung noch angenehmer machen
kann.
Die Arzneien richten im Unterleib
nichts als Zerrüttung an, verderben und lösen
alles Vorhandene auf und erzeugen dadurch mehr schlechte
Säfte als sie austreiben. Derjenige handelt lächerlich,
der sich, um den Körper zu reinigen, purgierende
Körner und Kräuter und andere naturwidrige
Arzneien, die eher selber der Reinigung bedürfen,
mit Gewalt einzwingt.
Vom Kaiser Tiberius wird erzählt,
er habe einst gesagt: "Ein Mann, der über
sechzig Jahre als ist und sich noch vom Arzt den Puls
fühlen lässt, macht sich lächerlich."
Dies mag zu weit gegangen sein, aber das bleibt wahr,
dass ein jeder Kenntnis haben müsste von der
Beschaffenheit des Pulses, der Mischung und Wärme
und Trockenheit in seinem Körper und von den
Dingen, die für ihn nützlich oder schädlich
sind. Denn der, der dieses erst von anderen erfahren
muss und einen Arzt befragen genötigt ist, der
wohnt blind und taub in seinem Körper. Es ist
nicht bloß nützlich sondern auch leicht
zu wissen, ob man im Winter oder im Sommer gesünder
ist, ob Feuchtes oder Trockenes einem besser zusagt,
ob man einen schnellen oder einen langsamen Puls hat,
denn man kann beständig darauf achten und immer
Erfahrungen machen. Man muss wissen, wie man unter
den Speisen die nützlicheren vor den schmackhaften
auswählt, was dem Magen nützlich und was
ihm schädlich ist, was die Verdauung nicht stört
und was nur zum Gaumenkitzel dient. Wann man den Arzt
fragt, was leicht und was schwer verdaulich ist, was
den Magen stärkt und was ihn verdirbt, dann ist
das ebenso unsinnig als wenn man ihn fragt, was süß,
bitter oder sauer ist.
In der Schilderung das "Gastmahls
der sieben Weisen" Ethica 12, setzt Plutarch
diese Ernährungslehre weiter fort.
Sie scherzten bei Tisch miteinander. Indessen bemerkte
ich, dass die Mahlzeit viel einfacher als gewöhnlich
war und ich ersah daraus, dass die Bewirtung weiser
und maßvoller Männer keineswegs einen größeren
sondern vielmehr einen geringeren Aufwand erforderte
und sie alle Verschwendungen an künstlichen Gerichten,
ausländischen Leckerbissen und künstlichen
Weinen überflüssig machte. Früher pflegte
Periander (Periandros, Herrscher von Korinth um 627
- 585/4 vor unserer Zeitrechnung: Neuverteilung des
Grundbesitzes, gegen den Luxus, gut zu anderen Staaten
Griechenlands) auch in solcher Verschwendung zu leben
wegen seines Reichtums und seiner Würden, jetzt
aber treibt er vor diesen Männern nicht mehr
solchen Aufwand sondern gibt sich die Ehre von Maß
und Einfachheit. Ebenso macht er es mit seiner Gemahlin,
die ihren normalen Schmuck, den sie immer trug, hat
ablegen müssen und die nun in einem einfachen
Kleid erschien.
Ich lobe den Epimenides (Epimenides,
Seher in der griechischen Sage. Soll in einen 57 Jahre
dauernden Schlaf gefallen sein. Goethe schrieb 1814
ein Festspiel: "Des Epimenides Erwachen".
Epimenides soll um 700 - 500 vor unserer Zeitrechnung
gelebt haben.), sagte Thales (5. Jh. Der erste der
Sieben Weisen) im Scherz, dass er sich nicht erst
die Mühe machen will, sein Essen zu mahlen und
zu kochen wie Pittakus es tut. Hesiod ist es, der
dem Epimenides zuerst die Anweisung zu solcher Speise
gab, erwiderte Solon, indem er ihn aufforderte, zu
untersuchen, welchen Nutzen die Malven und die Asphodillen
(Asphodillen, Liliengewächs, Zierpflanze) gewähren,
womit er wahrscheinlich sagen wollte, dass man der
gefährlichen Schifffahrt und der mühsamen
Feldarbeit enthoben wäre, wenn man sich mit solch
einfacher Kost begnügen würde.
Meinst du, sagte Periander,
Hesiod hätte dies gesagt und uns nicht vielmehr
die einfachsten und gesunde-sten Speisen empfehlen
wollen, wie er ja bei jeder Gelegenheit die Sparsamkeit
preist? Die Malve ist angenehm zu essen und der Stengel
der Asphodillen ist süß. Jene Speise oder
vielmehr Arznei wird dagegen wie ich höre aus
Honig, ausländischem Käse und vielerlei
seltenen Samen bereitet. Würde, um mit Hesiod
zu reden, wohl die Arbeit der Ochsen und lasttragenden
Männer je rasten dürfen, wenn man alle diese
Speisen anschaffen müsste? Es wundert mich sehr,
mein Solon, dass dein Gastfreund, als er seine große
Weihe in Delos empfing, nicht bemerkte, dass dort
Beispiele der ältesten Nahrung als Erinnerung
in den Tempel gebracht wurden und unter anderem auch
Malven und Asphodillenstengel. Diese rühmt Hesiod
zweifellos auch deswegen, weil sie einfach sind. -
Und nicht allein deswegen, sagte Anacharsis, sondern
auch weil beide als die gesündesten unter allen
Kräutern gelten.
In den Maximen von Königen
und Feldherren und in den lakonischen Maximen Ethica
- Buch 16 und 17 - nennt Plutarch berühmte Namen
von Menschen, die einer einfachen Lebensweise zugetan
waren:
Der ältere Cato sagte einst, als er öffentlich
über Verschwendung und Üppigkeit redete:
"Wie schwer ist es, zum Bauch zu reden, der keine
Ohren hat."
Agesilaus sagte zu einem, der
sich über seine und der Lazedämonier Mäßigkeit
in Kost und Kleidung wunderte: "Für diese
Kost o Fremdling ernten wir die Freiheit."
Jemand wollte ihn überreden, von dieser Strenge
abzulassen, da er ja nicht wissen Könne, ob das
Schicksal ihm immer Gelegenheit dazu geben würde.
Er antwortete: "Ich gewöhne mich so, damit
ich in keiner Veränderung eine Veränderung
suche."
Auch im Alter setzte er diese
Lebensweise fort. Als man ihn einst fragte, weshalb
er als Greis bei strengem Winter ohne Unterkleid ausginge,
sprach er: "Damit die Jüngeren nachahmen,
wozu ihnen die Ältesten und Könige ein Beispiel
geben."
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