Karwendelgebirge: die spektakuläre Pleisenspitze (2567m)

© Regina F. Rau

Pleisenhütte und Pleisenspitze

Über den Forstweg zur Pleisenhütte (1757m)
und weiter zur Pleisenspitze (2567m)
Startpunkt: Scharnitz Risserhof (964m)
Höhenmeter gesamt: 1603m
Aufstieg von mir: teils Forstweg, teils
Steige 1503m, abzügl. 100m vom Vortag
Abstieg: über Karwendelsteigwasserfall
Strecke: __,_ km
Gehzeit gesamt: 5.55 Std.
bis Pleisenhütte: 3.25 Std
bis Pleisenspitze: 2.30 Std.
konditionell anspruchsvolle Bergwanderung
weiter oben: Trittsicherheit und Kondition erforderlich
Technik ooo Kondition ooooo Landschaft oooooo Erlebnis oooooo
Di/Mi/Do/Fr 03./05. August 2022

zur Album Übersicht     zu den Fotos

Mit dem Wheelie unterwegs
gemütliche Pleisenhütte (1757m), spektakuläre Pleisenspitze (2567m)
und "Urviech" in der Vorderkarhöhle (1848m, 60m Länge)

Am 02.08.2022 startete ich mit dem Bus und meinem nagelneuen Wanderanhänger Richtung Mittenwald über Wallgau und Krün. Ich wollte den Wagen gleich mal im echten Gelände im Einsatz testen – im Gebirge.
In Krün Nord stieg ich gegen 17 Uhr aus, weil ich mir dort im EDEKA eine Kamerakarte und noch ein wenig frische Verpflegung kaufen wollte. Die gab es aber nicht. Also kaufte ich mir stattdessen 2 Eimern Heidelbeeren und ging wieder zur Bushaltestelle, wo ich zuvor ausgestiegen war.

Streß mit den Buslinien und an der Grenze Mittenwald-Scharnitz

Als der Bus kam, bekam ich den Wanderanhänger nicht über die erste Stufe – und ein Eimer Heidelbeeren fiel mir aus der Hand. Schließlich kam –zufällig- ein Passant vorbei half mir mit dem Anhänger einsteigen. Die Erste Stufe ist auch für alte Leut und Behinderte viel zu hoch!
Nach Krün fuhr der Bus aber nicht nach Mittenwald, sondern bog nach Garmisch ab. Es war aber der Zeit nach der vorletzte Bus, von dem ich dachte er fährt nach Mittenwald. Ein Schrecken durchfuhr mich. Der Busfahrer merkte meine Aufregung und erklärte mir in Klais, ich könne auch hier in den Bus nach Garmisch einsteigen.
Also ging ich zum Bahnhof. Doch die Züge fahren seit Wochen (seit dem schweren Zugunglück in Garmisch nicht). Es führen SAV Busse, erklärte man mir. Auf dem Busfahrplan am Bahnhof stand, dass der Bus erst in einer ¾ Stunde Richtung Mittenwald führe. Und es war zu lesen, dass ein weiterer Bus aber von der Hauptstraße wegfährt, von wo ich gerade kam. Leichte Gefühle von Unbehagen stellten sich ein. Was war das für ein Tourenstart? Sollte ich am Ende die Tour nicht machen?
Es kamen einige Busse, doch sie fuhren alle nach Garmisch. Dann kam ein weiterer Bus, in den die Leute alle einstiegen, die nicht nach Garmisch gefahren waren. Bis zum Bus nach Fahrplan waren es noch 30 Minuten. In letzter Sekunde lief ich zum Bus und fragte den Fahrer nach seinem Ziel: Mittenwald! Dieses Chaos, das ich in den letzten 3 Monaten zwischen Kochel, Mittenwald und Garmisch erlebt hatte, ist unvergleichlich!
Endlich kam ich glücklich in Mittenwald an, und wenig später fuhr ein Bus nach Seefeld – Österreich ein. Auf meine Frage, ob der Bus nach Scharnitz fährt, antwortete der Fahrer: „Ja, aber du kannst nicht mitfahren!“ Wow – ein weiterer Schlag in den Magen. „Warum nicht?“ – „Weil du mit Sicherheit kein Ticket hast!“ – „Ja – aber das kann ich ja bei dir kaufen!?“ – „Nein, kannst du nicht, ich verkaufe in Deutschland keine Tickets.“ – „Und wo soll ich mir dann das Ticket besorgen, der Bahnhof ist zu seit Wochen!“ – „Das ist mir Wurscht, du kannst eben nicht mitfahren!“ … „Ja wie soll denn das gehen – Sie sehen doch selbst, dass der Bahnhof rundherum geschlossen ist … und aus den Schalterhalllen Teststationen gemacht wurden!“ – „Egal – ohne Ticket nehme ich dich nicht mit!“. Endlich kam eine Bahnbeamtin in orangefarbener Weste. „Fragen Sie die, die muss es wissen!“, sagte der Busfahrer. „Können Sie mir sagen, wo ich ein Ticket nach Scharnitz kaufen kann?“ - „Leider nein!“ – „Aber das gibt es doch gar nicht!
Was sind denn das für Zustände. Langsam fühlt es sich für mich an, als sei Krieg.“ – „ja, so können Sie es auch sehen!“ sagte die Beamtin. „Ich kann Ihnen leider nicht helfen.“ Ich erzählte ihr vor dem Busfahrer, was vorgefallen war und sie versuchte ihn zu überreden, mir ein Ticket zu verkaufen. Er blieb hartnäckig, das sei gegen die Bestimmungen. Es sei Grenzgebiet und er dürfte von Mittenwald aus kein Ticket verkaufen, weil er ein Bus aus Österreich sei.
Sie fing an, sich angeregt mit dem Busfahrer über Corona und Masken Tragen und über die bösen Fahrgäste die sich nicht an diese Verordnungen halten wollten, zu unterhalten. Nach einer geschlagenen Viertelstunde drehte sie sich zu mir um: „Sie können hinter dem Bahnhofgebäude am Automaten ein Ticket kaufen!“
Es war jetzt ca. 8 Minuten vor Abfahrt des Scharnitzer Busses. Ich lief so schnell ich konnte hinter das Bahnhofgebäude. Bis ich den Automaten fand, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit. Ich gab die Buchstaben für Scharnitz ein: S-c-h… es kamen keine weiteren Buchstaben – aber eine handvoll Städte mit Sch wurden angezeigt. Scharnitz war nicht dabei. Ich suchte fieberhaft nach einer Anzeige für Sondertickets. Fehlanzeige. Ich lief so schnell ich konnte wieder zur Beamtin: „können Sie mir bitte helfen, ich komme nicht weiter!“ Sie kam mit mir und musste selbst suchen. Es dauerte weitere 3 Minuten, bis sie tatsächlich die Sonderfahrten-Anzeige fand. Da waren etliche Untertitel – und an 4. Oder 5. Stelle stand: „Auslandsfahrten“. Endlich hatte ich mein Ticket. Der Scharnitzer Busfahrer grinste. So fuhr ich also mit dem letzten Bus nach Scharnitz. Ich hätte mich glücklich schätzen können, hatte jetzt aber ein recht merkwürdiges Gefühl im Bauch.
In Scharnitz angekommen, wurde es auch schon dämmrig. Ich ging zielstrebig mit dem Anhänger an der Isar entlang bergauf Richtung Wiesenhof, kurz davor bog ich auf den sehr steilen Weg Richtung Gleirschhöhe ab - und weiter oben auf dem Forstweg Richtung Pleisenhütte. Unten am Wiesenhof hing ein großes Schild: „im ganzen Karwendelgebiet Zelten verboten“. Der Weg war hier wirklich steil - aber ich wunderte mich, wie leicht mir das Ziehen des Wanderanhängers fiel.
Ich hatte ca. 8 kg in meinem Rucksack – und 15 kg in meinem Wanderanhänger, der selbst ungefähr 6 kg wiegt. Ausserdem eine Hüfttasche mit ca. 1 kg Gewicht. Also insgesamt 30 kg Gewicht.

Übernachtung im Freien

Nach ca. 100 Höhenmetern kam ich auf einer Lichtung an und entschied dort zu nächtigen. Hier fiel das mulmige Gefühl endlich von mir ab und ich baute mein Lager auf der gemähten Wiese in einer Kuhle hinter einem Holzstapel auf. Ich hatte eine Plane, eine Thermarest-Isomatte, einen Bivy-Aussenschlafsack, zwei Sommerschlafsäcke und ein Inlet aus Baumwolle, damit der Schlafsack sauber bleibt. Das Zelt und das Tarp baute ich nicht auf.
Ich erkundete noch die Gegend und fand einen sehr schmalen Steig, der den Berg hinunter führte. Eine Hütte, die an Hänsel und Gretel erinnerte, stand mitten im dichten Tann. Aber ich wollte den Weg nicht weiter verfolgen. Es wurde ja schon dunkel. Dafür ging ich einen im hohen Gras sichtbaren Karrenweg bis zu einem Abgrund, an dem 100 Meter weiter unten ein Gebirgsbach toste. Ich genoß eine zeitlang die sehr urige Stimmung und ging dann zurück zu meinem Nest und kroch in mein „Bett“ unter freiem Himmel.
Langsam kam die Nacht herein und es roch stark nach Heu und geschnittenem Gras. Was für ein himmlischer Duft! Es wehte ein kühlender Wind und so schlief ich mit offenem Schlafsack und Bivy ein. In der Nacht merkte ich, dass es deutlich kühler geworden war. Und der Bivy – sowie der Teil des Schlafsacks, der nicht bedeckt gewesen war, weil ich mit offenem Bivy geschlafen hatte, troff vor Nässe. Die Wiese atmete und es wurde merklich kühler. Ich schloß den Bivy und war froh, dass die beiden Sommerschlafsäcke der relativ kühlen Nacht stand hielten.
Die Sterne blinkten am Himmel und ich fühlte großes Glück, dass ich es doch noch geschafft hatte, bis hier herauf zu kommen.
In der Nacht sah ich noch eine Sternschnuppe mit langem Schweif - und wünschte mir vom Himmel, nun endlich nach so langer Zeit glücklich von meinem Bandscheibenvorfall und der Borreliose genesen dürfe. Mir wurde so etwas gesagt wie: die Bandscheiben seien längst geheilt, aber die Borreliose wüte nach wie vor lustig in mir herum. Ich schlief die Nacht traumlos tief und fest. Irgendwann tief in der Nacht erwachte ich und blickte in einen hell strahlenden Sternenhimmel. Wieder durchzog eine Sternschnuppe mit langem Schweif den Himmel - exakt dort - und sie flog in exakt dieselbe Richtung, wo ich auch Stunden vorher schon eine gesehen hatte. Wieder wünschte ich mir sehnlichst dasselbe: meine Gesundheit zurück, damit ich wieder richtig für Menschen da sein kann, die meine Hilfe und Unterstützung brauchen.

Am Morgen gegen 5 Uhr dämmerte es. Da mein Bivy und Schlafsack jetzt noch mehr vor Nässe troffen, stand ich langsam auf und breitete die einzelnen Schichten auf der Rückseite des Holzstapels aus, damit sie dort trocknen könnten, ohne dass man von der Straße etwas davon sehen würde. Und ich freute mich darauf, dass in 2 Stunden die Sonne herauskommen würde.
Aber ich sah nur die Nachbar Gipfel in Sonnenlicht getaucht. Mein Platz blieb im Schatten und es war sehr kühl. Also entschloss ich mich, auf einen sonnenbeschienenen Platz bei einem Heuschober umzuziehen. Dort hängte ich alle meine Sachen erneut auf. Dann machte ich mich genüsslich über den zweiten Eimer Heidelbeeren her, der mir von gestern geblieben war, nachdem mir der erste Eimer beim Einsteigen in den Bus herunter gefallen war. Aaah köstlich - reife Heidelbeeren sind Paradiesfrüchte.
Ein Wagen fuhr leise vor. Eine Türe schlug zu und ein Jäger kam auf mich zu. Ich ging auf ihn zu und schaute ihm direkt in die Augen. Barsch fragte er mich: „Host du do herobn gschlaffa?!“ - „Ja richtig, do aufm gschnittna Gros! I hoit ois in Ordnung und nimm a den Müll vo di Leut mit!“ - „Des mecht i doch hoffn!“ - „Na, ned mein Müll. I moan den Müll von de andern Leut!“ - „Ah, ja des is recht!“
Jetzt wurde er langsam sanfter im Ton. Und ich unterhielt mich noch eine Weile über das Abschießen von Tieren hier bei uns in Bayern. Er sagte, das sei ein Trauerspiel, da bei uns der Wald vor die Tiere ginge. Drum hätten wir kaum noch Wild hier bei uns. In Österreich gäbe es die dynamische Vorgehensweise. Je nachdem, ob mehr Wald oder Wild da sei. Und in der Tat fand ich hier in den Bergen noch Gemsen, was bei uns nur äußerst selten der Fall ist. Der Jäger ging mit seinem betagten Hund spazieren und fuhr wieder ab.
Es dauerte bis 10 Uhr vormittags, bis ich endlich alles getrocknet und wieder fein säuberlich verstaut hatte. Ich stellte meinen Wanderanhänger hinter eine Scheune und machte mich auf den Weg zur Pleisenhütte. Heute abend würde ich auf der Hütte übernachten. Ich fand einige wunderbare Abkürzungen - Steige zwischen den Kehrtwenden der Forststraße. Die letzten Windungen ging ich auf dem Fuhrweg, denn die Stimmung ist hier wegen den sagenhaft verwachsenen Kiefernbäumen sehr märchenhaft und überall liegt ein feierlicher Geruch von den Nadelbäumen und vom wilden Thymian in der Luft. Auf den Gras begrünten Steigen ist das nicht so intensiv.

Ankunft bei der Pleisenhütte

Um 13 Uhr kam ich bei der Pleisenhütte an. Noch bevor ich die letzten Stufen zur Hütte ging, probierte ich, ob sich die Türe zur sehr einladenden Kapelle öffnen liess. Sie war offen! Hier dankte ich vor meinen beiden Touren Pleisenspitze und Toni Gaugg Weg - mit Vorderkar höhle für den Segen und die Führung bei all meinen Unternehmungen und Führung auf dem Weg. Sowie um den Segen für alle meine Lieben, zu welchen auch ihr für mich zählt! (Herzchen)
Dann ging ich die Stufen hinauf zur Hütte. Ich machte Pause bei einer wirklich sehr leckeren und kräftigenden veganen Linsensuppe und einem kühlen Weissbier (gibt’s bei mir ein- bis zweimal im Jahr). Sonst gibt’s nur Wasser oder mal eine Johannisbeerschorle. Ich genoß das herrliche Hüttenpanorama. Schöner konnte es im Moment nicht sein. Die Luft flimmerte. Es waren kaum Gäste da, und eine herrlich gechillte Stimmung umfing die Hütte.
Um 13.50 Uhr machte ich mich auf zur Pleisenspitze. Bisher hatte ich den Weg nur im meterhoch verschneiten Winter gesehen. Da hatte ich ihn recht angenehm gehbar empfunden. Aber jetzt im Hochsommer konnte ich kaum glauben, dass ich hier oben mit Schneeschuhen hinauf gegangen war. Es ging steil hinauf über recht zerklüftete Felsen und man mußte die Knie schon anständig heben, um gut voranzukommen. Also ein Steig, bei dem gute Kondition gefragt war.
Ich liebe diese felsigen zerklüfteten Berglandschaften. Aber heute hatte ich schon einige Höhenmeter hinter mich gebracht. Das merkte ich jetzt ordentlich. Und die Bruthitze tat das ihre dazu.
Der Weg war seit einiger Zeit ziemlich loser Schotter, was den weiteren Aufstieg auch nicht gerade erleichterte. Und es wurde merklich um einiges steiler.
Auch mein Durst wurde unerträglich. Ziemlich weit oben kamen mir Bergsteiger entgegen, welchen ich erklärte, dass ich mich mit dem Wasserhaushalt vertan hatte, und die ich darum bat, mir ihr übriges Wasser zu überlassen, da sie ja auf dem Abstieg zur Hütte waren. Sie waren sehr nett und wir unterhielten uns eine Weile. Ich bekam 1 Liter Wasser von ihnen. Damit konnte ich den Rest des Weges gut auskommen. Trotzdem blieb ich ca. 100 Höhenmeter vor dem Gipfel alle 20 Meter stehen und hatte das Gefühl, doch nie mehr anzukommen. Das Gipfelkreuz schien tatsächlich wie eine Fata Morgana stets in weitere Entfernung zu rücken. Umso erstaunter war ich als ich plötzlich oben stand.

Pleisenspitze (2567m)

Um 16.20 Uhr kam ich oben am Gipfel (2531m) an. Ich hatte von der Hütte bis hierher 2:30 Std. gebraucht. Eigentlich gar nicht so lange, wie es mir vorgekommen war. Insgesamt hatte ich dann heute 1450 Höhenmeter gemacht.
Der Ausblick war atemberaubend. Man kann von hier oben den gesamten Mittenwalder Höhenweg überblicken, die spektakulären Gipfel über die „große Larchetkar Spitze“ und „Riedkar Spitze“ bis zur „Birkkarspitze“. Und im Hinterautal vom „Hohen Gleirsch“ bis zur „Praxmarerkar Spitze“ und zum „Lafatscher“, sowie die sehr imposanten umliegenden Gebirge. Ich konnte es kaum glauben, dass ich das nun endlich geschafft hatte. So viele Jahre war es mein Traum gewesen, vom Tal hinauf - vorbei an der Pleisenhütte - den hochromantischen Weg am Plumpsklo „zur Villa Rosenduft“ vorbei zur Pleisenspitze zu gehen. Aber die fehlende Kondition hatte es mir nie erlaubt. Nicht mal nach einer auf der Hütte verbrachten Nacht. Und jetzt war ich bis auf 100 Höhenmeter vom Tal herauf durchgelaufen.

Ich aß eine Gurke. Die erste Dohle setzte sich zu mir. Ich zupfte ihr ein paar winzige Stückchen ab und sie kam her und nahm sie alle. Doch es schien nicht ihre Lieblingswahl zu sein. Dann kamen sehr viele Dohlen und beäugten mich ungläubig, wegen der grünen Stückchen, die ich ihnen hingelegt hatte. Als keine die Gurkenstückchen haben wollten, aß ich sie selbst auf.

Um 16:59 Uhr machte ich mich wieder auf den Weg zur Hütte. Ich liess mir extra viel Zeit, denn ich schlief ja heute Nacht auf der Hütte.
Als ich beim Abstieg am Hang unterhalb der Pleisenspitze auf einer Graswiese vorbei ging, sah ich ein paar Dohlen im Gras herum hüpfen. Dann plötzlich kamen viele geflogen. Sie setzten sich in die Wiese. Es wurden immer mehr. Am Schluß waren es so an die 50 Vögel. Dann stiegen sie auf und kreisten direkt über mir. Nach 5 Minuten war das ganze Spektakel vorüber und es war weit und breit keine einzige Dohle mehr zu sehen.
Ein Schneehuhn begegnete mir auf der gleichen Wiese, auf der zuvor die Dohlen gewesen waren. Sie stand sehr ruhig wenige Meter vor mir. Es folgten ihr drei Küken, die ich aber zu spät sah. Leider flogen die so schnell davon, dass ich nur die Glucke ablichten konnte.

In der Pleisenhütte hatte ich ein sehr kuschliges Nest unten in einem Stockbett und schlief bis Mitternacht. Da erwachte ich und ging ich hinaus vor die Türe. Ein sternenklarer Himmel mit Milchstraße blinkte mir zu. Und eine Sternschnuppe mit einem sehr langen Schweif durchkreuzte den Himmel. Das war heute schon die Dritte! Wieder wünschte ich mir dasselbe.
Den Rest der Nacht schlief ich bis Mitternacht, ging auf die Terasse und sah dort eine Sternschnuppe mit langem Schweif über den halben Himmel sausen. Meinen Wunsch und mein Staunen könnt ihr euch Denken! So oft hatte ich noch nie Sternschnuppen gesehen!
Dann ging ich wieder zu Bett und erwachte erst, als es im ganzen Haus schon nach Kaffee roch. Der Berg war schon überflutet vom gleissenden frischen Morgensonnenlicht.

Noch früh am Morgen wollte ich heute zur Vorderkarhöhle zu gehen. Ich hatte ihren Eingang am Vortag bei meinem Aufstieg zur Pleisenspitze gefunden. Ganz in der Nähe vom Abzweig des ebenso imposanten Toni Gaugg Steiges. Am Abzweig hatte ich plötzlich ganz viel Lust, diesen Weg auszuprobieren, wo dran geschrieben steht: „Nur für Geübte“.
Der Weg war so malerisch vorbei an den Latschen und Bergwiesen - wo ich versteckt im Kar die Gemsen vermutete. Der Steig erwies sich als relativ leicht gehbar, lange nicht so steil und beschwerlich wie am Vortag der Steig hinauf zur Pleisenspitze. Es ging wieder entlang oberhalb des Hinterautales. Vorbei am „Mitterkar“ unterhalb der „Pleisenspitze“, und am „Hinterkar“ unterhalb der „Larchetkar Spitze“ und „großen Riedkar Spitze“ Richtung „Breitgrieskar Spitze“, wo der Steig dann über die „Seekar Scharte“ und das „Marxenkar“ – oder über den „Brendelsteig“ und das „Schlauchkar“ hinunter zum „Karwendelhaus“ führt.
Insgesamt blieb mir vor Staunen immer der Mund offen stehen und ich war an einem „aaah“ und „oooh“ wegen der wilden ungezähmten Schönheit der Naturgewalten hier oben. Wild gezahnte Berggrate und Gipfel ragten vor mir auf, dazwischen fast heimelig anmutende Latschenhänge und Graswiesen, die mich ebenfalls lockten, doch ein wenig seitwärts hinein zu gehen.
Aber der Toni Gaugg Weg hatte es mir so sehr angetan, dass ich auf ihm weiter ging. Dann führte der Pfad über Schotterreisen, über die ein sehr schmales Band zum Gehen mit Schräglage führte. Zuletzt folgte ein Abstieg auf einer sehr abenteuerlich anmutenden Gebirgsnase. Unterhalb des „Gaugg Turmes“. Es nennt sich „bei der Kuchl“. Dort habe ich mich – nachträglich darf ich sagen „leider“ – entschieden, zurückzugehen. Ich hatte das Gefühl, dass man mich auf der Hütte vermissen würde, weil ich den Hüttenwirten dort gesagt hatte, dass ich nur zur Toni Gaugg Hütte gehe.
Später sollte ich auf den Karten sehen, dass es hier recht abenteuerlich durch einen Kamin mit einer gesicherten Leiter auf den weiteren gut gehbaren Steig führen würde, den ich ja in einem ewigen Latscher den Berg hinan steigen gesehen hatte. Fotos davon gibt’s im Album.
Nun habe ich also einen neuen Traum: die Überquerung dieser Berge von der Pleisenspitze zum Karwendelhaus.

Auf dem Rückweg zur Pleisenhütte begegnete mir eine Gams im Schotterreisen. Sie schien sehr unter der Hitze zu leiden, denn sie hatte ständig das Maul geöffnet und schaute sehr leidend aus.

Besuch der Vorderkarhöhle (1848m - 60 Meter lang)

Am Abzweig „Toni Gaugg-Weg / Pleisenspitze“ entschied ich mich dann doch kurzfristig, zur „Vorderkarhöhle“ hinab zu steigen. Das gestaltete sich in der Tat wesentlich schwieriger als erwartet. Denn zwei dicke fette Latschenkieferäste versperrten den Weg zur Leiter, die auch nur wenige cm aus dem Höhleneingang herausragte. Ich überlegte scharf, ob ich die beiden Stöcke mitnehmen oder hier lassen sollte. Eine zweite Stirnlampe hatte ich für alle Fälle auch dabei. Zuletzt entschied ich mich dafür, die beiden Stöcke mitzunehmen, um eventuell unten besser damit zwischen etwaigen Felsen herumgehen zu können. Das sollte sich als gute Entscheidung herausstellen.
Beim Einsteigen in den Höhlenschlund mußte ich mich mit meinen vollen Rocktaschen (Stirnlampe, Fotoapparat) und den Stöcken ganz schön plagen. Ich dachte an eine Wanderung - zurück in den Geburtskanal - und fand es sehr spannend und aufregend!
Als ich die ca. 19 Stufen der vergleichsweise dünnen Leiter hinunter gestiegen war, stand ich eine Weile staunend in sehr feierlicher Stimmung da. Das Sonnenlicht bildete Strahlen in den verschiedensten Erdfärbungen - gemischt mit kreisrunden Lichtpunkten, die in der flimmernden Höhlenluft herumtanzten. Wie dieses Schauspiel entstand, konnte ich mir nicht erklären. Es war ein super feierlicher Moment!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Dieser Höhleneingang befindet in 1848 m Höhe unmittelbar neben dem Steig zur Pleisenspitze, wenige Meter vom Abzweig „Toni Gaugg Weg“. Es ist nur eine sehr schmale Spalte zu sehen, in die man senkrecht hinabsteigen muß. Seitlich vom Höhleneingang befindet sich ein niedriger Schichtfugenraum. Dort hatte der Scharnitzer Bergführer, Höhlenforscher und Hüttenwirt der Pleisenhütte „Toni Gaugg“ am 28. Oktober 1951 ein Elchskelett entdeckt. Schon am 23. Juli 1950 hatte er am Grunde des Schachts eine kleine niedrige Stelle "bezwungen", über die man durch einen sehr niedrigen Durchschlupf einen ca. 60m langen, ansteigenden Felsgang erklimmen konnte. Das mit den 60 Metern länge der Höhle (steil aufwärts) hatte ich von seinem Sohn erfahren, der heute noch die Pleisenhütte bewirtet.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Vor ein paar Tagen noch hatte ich im Internet bei youtube ein kurzes Video zu dieser Höhle gesehen. Die beiden Jungs, die in der Höhle waren, leuchteten kurz im Kreis herum und meinten, dass man da doch wohl nicht weit käme, weil der Durchgang viel zu schmal sei. Aber nun wußte ich es besser: ich kroch also auf dem Bauch durch das sehr niedrige Loch im Felsen – auf der andern Seite sah es zunächst aus, als ginge es nicht weiter. Aber es tat sich immer wieder ein neues Loch auf, welches zwischen großem, nassglitschigem Geröll bergauf weiter führte. Und ich kroch weiter hinauf.
Manchmal wurde ich mir bewußt, dass ich mich mitten in einer Höhle auf 1848 Metern Höhe befand, in die ich auf ca. 19 Stufen auf der dünnen Leiter hinuntergestiegen war. Wo ich durch einen sehr schmalen Durchschlupf schließlich in den eigentlichen Teil der Höhle gelangt war. Es konnte jeden Augenblick das Licht ausgehen. Ich knipste absichtlich die Stirnlampe aus, um zu erspüren, wie es sich anfühlte hier mit Mutter Erde ganz allein zu sein. Es war ein wunderbares Gefühl! Die kurz aufflackernde Angst verflog in Sekundenschnelle. Mir wurde in diesem Augenblick klar, dass wir im alltäglichen Leben mit viel grässlicheren ganz realen Gefahren umzugehen haben, als ich hier oben in dieser Höhle.
Der Höhlenbauch wurde weiter. Ich stieg über große rutschige Felsbrocken weiter hinauf. Es tropfte von allen Seiten auf mich herab. Die Stöcke waren eine große Hilfe.
Dann plötzlich sah ich etwas im Halbdunkeln, das mich für einen Augenblick den Atem anhalten liess: da lag ein dicker ovaler Körper, blauschimmernd wie ein großer Fisch. Für Momente war ich in einer völlig anderen Welt. Ich fühlte mich in die Abenteuer von Jules Verne versetzt: „20.000 Meilen unter dem Meer“, wo die Sage von einem gigantischen Wal umgeht, der seit Jahren die Meere unsicher macht… Dann wieder sah ich eine Bombe, die hier wie auch immer den 2. Weltkrieg überdauert hatte.
Es war schon kurios zu sehen, welche Gedanken sich hurtig zeigen, wenn man unvorbereitet auf etwas stösst, das man im ersten Moment überhaupt nicht einordnen kann.
Bei näherem Hinsehen, entpuppte sich das Gebilde als Blechtank, der mitten im Gang liegt und scheinbar das Tropfwasser der Höhle aufsammelt. Langsam lösten sich in mir die abenteuerlichen Bilder von uralten Sagen und ich kam wieder auf den „Höhlenboden“ zurück. Schade, fast hätte ich mir gewünscht, ich wäre wirklich in einem solchen Märchen gelandet. Innerlich hatte ich bereits mit dem halb im Boden eingegrabenen Fisch gesprochen und ihn gefragt, wie er hierher kam und wie er hier überlebt hatte. „Ich bin real!“ sagte er. „Das was du in der sogenannten Realität siehst, ist die Illusion, die man euch vorgaukelt! Es ist die gemachte Welt! Du aber hast mich entdeckt. Ja ich lebe!
Ich bin ein Teil von dir, den du nun ausgraben und leben darfst, der dir bisher verborgen war. Durch deinen Mut, im Alleingang deine Ängste zu überwinden, hast du mich gefunden. Ich werde dir mit dir bisher unbewußten Fähigkeiten in Entsprechenden Situationen weiterhelfen! Vertraue mir und nimm mich im Herzen mit!“

Wieder musste ich mich durch den engen Höhlenkanal zwängen. Drinnen war die Luft noch sehr angenehm kühl. Als ich aus dem Höhleneingang stieg, war es draussen sengend heiß. Das Licht der Sonne schien mir für Augenblicke wie unwirklich hell. Der Gedanke: „jetzt bist du neugeboren!“ blitzte vor mir auf. Glücklich trat ich den Rückweg zur Pleisenhütte an.

Übernachtung auf der Pleisenhütte

Dort packte ich meinen Rucksack zusammen, aß noch einen Salat und trank eine Johannisbeer-Schorle. Ein Junge saß hangabwärts in einer am dicken Ast einer Kiefer installierten Gondel und döste vor sich hin. Das wollte ich auch machen. Als der Junge weg war, ging ich hinunter und kletterte in die Gondel. Vor mir war ein undurchdringliches Dickicht an sattem Grün der Latschen. Dieses Grün trank ich eine Weile mit den Augen, als ein sehr lautes knarrendes, fast quakendes Geräusch ertönte. Ich stutzte. Es kam direkt von dem Stamm an dem die Gondel montiert war. Ich ging mit der Kamera darauf zu, es wurde immer lauter. Dann verstummte es und kam nicht wieder. Ich erzählte es später dem Hüttenwirt. Er erklärte mir, es sei die Larve des Alpenbocks - ein ziemlich großer, sehr schöner Käfer im Hochgebirge. Er sagte, das Geräusch, welches vom Nagen des Holzes vom Käfer stammt, sei oft über 100 Meter weit zu hören!
Dann machte ich mich auf den Rückweg.

Abstieg von der Pleisenhütte

Diesmal entschied ich mich, ganz über den Forstweg abzusteigen. Intensiver ätherischer Duft der Bäume und des Thymians lag in der Luft, und der heimelige holprige Fuhrweg erinnerte mich an frühere Zeiten. Außerdem ging ich besonders langsam, um die Stimmung noch lange und intensiv zu genießen.
Ich kam wieder bei der Almwiese an, wo ich mit einem Dankzettel an den Jäger versehen, meinen Wanderanhänger untergestellt hatte. Alles war so, wie ich es hinterlassen hatte. Ich freute mich wie ein kleines Kind. Jetzt konnte es hinüber zum Karwendelsteig gehen, wo ich mir den imposanten Wasserfall der „Schiecheklamm“ am Karwendelsteig ansehen wollte.

Am Karwendelwasserfall bei der Schiecheklamm

Bevor ich mich auf den eigentlichen Weg machte, ging ich noch mal dem Steig nach, den ich am ersten Tag gefunden hatte und fand heraus, wo er endete. Es schien mir sehr wichtig, mir das zu merken.
Dann ging ich mit dem Wanderanhänger an den Hüften los Richtung Karwendelsteig. Ich war ein wenig bang, ob ich den mit dem Anhänger überhaupt bewältigen würde. Denn es hat oft haufenweise Wurzeln und Stiegen - und sehr enge, steile Kehrtwenden dort. Aber zu meiner Überraschung schaffte mein Wheelie alles ohne große Mühen. Na ja, ein wenig musste ich mich schon anstrengen - aber lange nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Am tiefsten Punkt dieses Steiges angekommen toste der Wasserfall bei einer kleinen Brücke auf der einen Seite aquamarinblau durch die spektakuläre Schlucht der Schieche-Klamm des Karwendelbaches, auf der anderen Seite über einen sich länger hinziehenden rostfarbenen imposanten Felsen. Hier verweilte ich eine zeitlang auf einem Bänkchen und freute mich über die Wildheit der Natur des Karwendel Gebirges.
Dann ging ich mit dem Hüftwagen auf der anderen Seite den Steig wieder hoch. Auch das funktionierte ganz toll. Manchmal kippte der Wagen im 45°Winkel, wenn der Weg zu eng war und ein Rad über Felsen fuhr - aber das stellte kein Problem dar.

auf dem Karwendel „E4-alpin VA 201“ Weg Richtung Scharnitz

Oben kam der Steig auf dem breiten Karwendel „E4-alpin VA 201“ Fuhrweg Richtung Scharnitz oder Karwendelhaus heraus.
Auch diesen Weg ging ich sehr langsam, den Abstieg bis zum letzten Meter genießend. In Scharnitz überlegte ich, ob ich nicht doch noch ein paar Tage dranhängen wollte. Aber der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage Regen angesagt. Das würde nicht viel Sinn ergeben.

Auf dem Isarweg Richtung Mittenwald

Gegen 17:30 Uhr kam ich in Scharnitz an. Dort machte ich mich sogleich auf den Isarweg Richtung Mittenwald. Denn noch einmal hatte ich in der Tat keine Lust auf so ein fades Erlebnis mit dem Scharnitzer Busfahrer. Außerdem konnte ich so das wunderbare Bergerlebnis angemessen ausklingen lassen.
Der letzte Bus Richtung Kochel würde von Scharnitz um ca. 19:30 Uhr abfahren. Das könnte ich noch schaffen. Es waren nur 6 km - dachte ich. Der Weg verlief in sanften Schlangenlinien vorbei auf der einen Seite an der tiefblauen, rauschenden Isar und auf der anderen Seite an herrlichen lichten Kiefernwäldchen, die auf sattgrün begrasten Buckelwiesen standen. Meine Knochen liefen schon heiß, also nahm ich kurzentschlossen ein kühles Bad - obwohl die Zeit drängte - und trank erst mal ordentlich viel Isarwasser. Ich wollte ja üben, mich von solchem innern Druck freizumachen.
Als ich danach auf die Uhr sah, merkte ich, dass es noch eine ganze Strecke bis Mittenwald wäre. Und so entschied ich mich, noch einmal draussen zu schlafen.
Deshalb fuhr ich mit dem Wheelie auf die Buckelwiesen, stellte ihn ab und suchte nach einem geeigneten Platz. Aber überall, wo eine Kiefer stand, unter der ich hätte wunderbar nächtigen können, war alles voller Ameisen. Ganze Ameisenstraßen hatten sie angelegt. Und neben fast jedem Baum stand in unmittelbarer Nähe ein Ameisenhaufen.
Klar - dann müssen wir eben jetzt die schamanische Art üben, mit den Tieren zu reden und sie freundlich zu bitten, mich dort schlafen zu lassen. Ich fand eine geeignete Kuhle unter zwei Kiefern. Auch dort tummelten sich die Ameisen. Als erstes legte ich meine Plane auf den Boden. Dann zeichnete ich mit der Hand den Rand der Plane nach und bat die Ameisen darum, mich für diese Nacht hier zu dulden und den gezeichneten Bereich zu meiden. Das klappte leidlich. Aber es würde nicht ausreichen, dass ich wirklich schlafen hätte können. Also betete ich: „ihr lieben Engel. Ich habe heute mal wieder eine Situation, die ich ehrlich gesagt alleine nicht bewältigen kann. Darum danke ich euch dafür, dass ihr es den Ameisen sagt, denn auf mich hören sie offensichtlich nicht!“ Augenblicklich waren die Ameisen verschwunden. Ich rollte die Isomatte aus, breitete die Schlafsäcke aus, liess mich darauf fallen und lachte. So einfach konnte es im Leben gehen. Was wir selbst nicht bewältigen können, so lange es positive Dinge sind, die der Natur oder ihren Kreaturen nicht schaden, haben wir immer Hilfe, wenn wir anklopfen! O mei, und so oft vergesse ich diese Tatsache noch. „Werdet wie die Kinder“ hatte einst Jesus gesagt. Kinder haben keine Probleme, ihren Papa um etwas zu bitten oder ihm gar zu danken bevor sie es bekommen haben, denn sie wissen, dass ihr Papa sie sehr lieb hat.

Nächtliches Abenteuer

Ich merkte ein kühles Lüftchen und wollte mein Bivy ausrollen. Aber es war weg. O mei. Das Bivy lag noch oben auf der Alm. Ich hatte es am Vortag auf einen Haufen Äste gelegt, um es dort in der Sonne zu trocknen. Und ich hatte es beim Einpacken völlig vergessen. Im Geiste malte ich mir aus, bei der Pleisenhütte anzurufen und nach dem Jäger zu fragen. Diesem dann das Porto zu überweisen, damit er es mir schicken könnte.
Es wurde schon dunkel und es war inzwischen 21:30 Uhr. Da sah ich auf dem Berg gegenüber von mir einen hellen Lichtpunkt, der sich bewegte. Dann waren es zwei. Wenig später entdeckte ich unweit davon zwei weitere Lichtpunkte. Es waren Wanderer, die vom Berg herunter kamen.
Dann verschwanden die Lichtpunkte. Vermutlich waren sie verdeckt von dichten Latschen. Nach einer halben Stunde waren die Lichter am Berg von mir aus gesehen gerade mal 50 Höhenmeter weiter nach unten gekommen. Die anderen 50 Höhenmeter nach oben. Ein Licht streifte die Felsen und erleuchtete damit sicherlich mehrere hundert Meter. Ich fand das unverantwortlich für die Bergwelt der Tiere. Wenn ich wirklich mal in präkere Situationen komme, schalte ich meine schwach leuchtende -rote- Stirnlampe an. Das reicht völlig aus. Ich wußte, dass das eine Paar zur Brunnsteinhütte abstieg. Dort hörte dann auch das Lichtflimmern auf. Aber das andere Paar war im Dunkeln hinauf gestiegen. Wohin nur? Dort sind weit und breit nur schroffe Gipfel und Steilwände, aber keine Hütten!
Ich musste irgendwann eingeschlafen sein. Mitten in der Nacht wurde ich wach. Die kühle Brise vom Abend hatte zugenommen. Ich schaute zum Himmel hinauf und sah eine Sternschnuppe mit langem Schweif. Also das hatte ich so noch nicht erlebt. Es war meine 5. Sternschnuppe in 3 Tagen!
Ich malte mir dann noch aus, dass ich am Morgen doch schon zeitig aufstehen wollte, um noch einmal mit dem Wheelie nach Scharnitz zu gehen, zur Alm hochzusteigen und mein Bivy zu holen.
Als ich den Gedanken noch nicht ganz fertig gedacht hatte, hörte ich - wie damals am Kaisergrat im Karwendelgebirge - eine Stimme. Sie hatte mich geweckt als ich im freien schlief: „Aufstehen, packen - und zwar schnell!“ Es war weit und breit sternenklarer Himmel gewesen und ich hatte es nicht glauben können, war aber der Stimme gefolgt. Und der Himmel war binnen 15 Minuten komplett zugezogen und ein schlimmes Kesselgewitter hatte sich zusammengebraut.
Nun war es ähnlich und ich hörte die Stimme sagen: „Du brauchst nicht wieder einzuschlafen. Stehe auf und packe! Es wird noch in dieser Nacht regnen!“ - „Manno, warum hatten die Hüttenwirte mir gesagt, dass es erst am Nachmittag gewittern würde?“ Naja - ich hatte mich doch entschieden, Dinge so zu nehmen wie sie eben sind.
Also packte ich sofort im Dunkeln - ohne die Stirnlampe einzuschalten - zusammen. Es klappte tatsächlich perfekt! Ich war hocherstaunt, wie genau man alles spüren kann, wenn man sich darauf einläßt. Zuletzt schaltete ich noch einmal kurz die Stirnlampe an, um zu sehen ob ich auch alles mitgenommen hatte. Dann ging ich im Dunkeln Richtung Scharnitz los. Bis ich dort ankam, regnete es bereits. Und es war 2:00 Uhr. Also muss ich sehr nah bei Mittenwald gewesen sein.
Ein Mann kam aus dem Asylantenhaus und ging zur Bank, um Geld abzuheben. Ich überlegte, ob ich den Wheelie mitnehmen oder hier lassen sollte. Ich entschied mich dafür, ihn quasi „direkt unter der Laterne“ (eine Redewendung) - also im Bushäuschen mitten am Platz vor dem Rathaus zu platzieren. Das ging ganz prima, denn in dem Bushäuschen hing ein dicker Briefkasten. Und dahinter fiel der Wagen nebst meinem Rucksack fast nicht auf. Ich liess beides dort - bat die Engel um Versiegelung und Segnung - und ging im Dunkeln Richtung Hinterautal im Karwendel los. Gegen 2:30 Uhr erreichte ich den Steig, den ich am Vortag entdeckt hatte. Ich überlegte, ob ich lieber die Forststraße hinaufgehen sollte. Da wäre mehr Licht von den Sternen. Oder durch den dunklen Wald. Ein wenig mulmig war mir schon. Was, wenn der Jäger oder wer anderer Nachts auf der Pirsch war? Ich entschied mich dafür, mich der Angst zu stellen und ging mit der Rotlichtlampe durch den Wald auf dem fußbreiten Steig. Oben auf der Alm knipste ich die Lampe wieder aus und schaute nach dem Bivy. Er war tatsächlich noch da - wenn auch platschnass - und wartete auf mich. Ich freute mich wie ein kleines Kind.

So - nun schnell wieder nach unten. Diesmal wählte ich den Forstweg, knickte gleich nach wenigen Metern an einer Wasserrinne mit dem Fuß ein. Aber ich liess die Lampe trotzdem aus, merkte mir, wie die Rinnen im Dunklen aussehen - und so ging es ganz gut. Um 3:00 Uhr Nachts kam ich in Scharnitz wieder an, steckte mir den Wheelie wieder an die Hüften und marschierte Richtung Mittenwald los. Ich würde gegen 5:00 bis 5:30 Uhr odrt ankommen.
Nach 1:30 Std. war ich so müde, dass ich mich entschloss, meine Isomatte auf eine Rastbank am Weg zu legen, den Bivy drauf. Dann legte ich mich in den nassen Bivy, der innen - oh Wunder, so sollte es eigentlich sein - trocken war! Ich schlief ein wie ein glückliches Kind an der Mutterbrust.
Um 5:30 Uhr wurde ich wieder wach. Ich frohr wie ein Schneider. Jetzt erst zog ich mir meine wattierte Bundeswehr-Unterkleidung an. Manchmal ists eben auch in heiklen Situationen besser, sich gleich die Mühen zu machen, die man zunächst scheut. Denn man hat mehr Probleme deshalb, als wenn man es „gleich richtig macht“
Ich blieb auf und ging mitsamt der wattierten Kleidung ein paar Bänke weiter. Dort legte ich mich wieder hin und schlief bis 9: Uhr durch, obwohl ständig Radfahrer und Hundespaziergänger vorbei kamen. Eine Frau hatte einen Hund dabei. Sie flüsterte ihm etwas zu und es hörte sich an, als ob sie mir plötzlich sehr nahe käme. In einem Satz war ich auf und erschrak mich mindestens genau so heftig wie der Hund, der sich binnen Nanosekunden von einem netten Pinscher in einen Höllenhund verwandelt hatte. Was für eine dumme Idee, den Hund an mir schnuffeln zu lassen! Auch die etwas ältere Frau machte einen Hüpferer und ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Sie sagte „Oh, jetzt sind wir aber alle erschrocken, was?!“

bei Sonnenschein nach Mittenwald und über den Walchensee nach Hause

Ich merkte schon, mit dem Schlafen war’s jetzt vorbei. Dafür war die Sonne wieder da und wärmte mich, hüllte den Himmel in Rosa Wattewölkchen. Ich entschloss mich, mit dem Wagen von der Isar weg über die Buckelwiesen und die RiedAlm zu gehen. Dieses herrliche Fleckchen Almöhi Stimmung hat mich dann noch mal für meine wirklich heftigen Strapazen und Abenteuer entlohnt.
Ich fuhr von Mittenwald mit dem Bus Richtung Heimat, liess es mir aber nicht nehmen, am Walchensee noch mal auszusteigen, um dort eine herrlich kühle Bade- und Schlummerrunde einzulegen, und damit die gesamte Tour zu einem schönen gechillten Abschluss zu bringen.

zur Album Übersicht


Weg-Karte und Höhenprofil
Karwendelgebirge Pleisenhütte und Pleisenspitze (2567m)-
AntonGaugg Weg und Vorderkarhöhle (1848m)
klicke auf ein Foto, um es größer zu sehen und den Foto-Kommentar zu lesen
hinauf zur spektakulären Pleisenspitze (2567m)
Unterwegs ins Hinterautal mit meinem "radical Cargo V Wheelie"
Aufstieg ohne Wheelie zur Pleisenhütte, Pleisenspitze - außerdem: ein Stück auf dem ToniGaugg-Weg, und Abstieg in die Vorderkarhöhle - unvergessliches Erlebnis
Übernachtung im Freien
am nächsten Morgen
Aufstieg - und bei der Pleisenhütte (1757m)
Nach einer kleinen Pause gehts hinauf zur Pleisenspitze (2567m)
mit spektakulärem Blick in die umliegenden Karwendel Gipfel
Ein Stück Auf dem Anton Gaugg Weg
Labsal für die Seele
in der Vorderkarhöhle (1848m - 60m tief)
für mich ein starkes spirituelles Ereignis
Abstieg von der Pleisenhütte
Wasserfall am Karwendelsteig
bei der spektakulären Schieche-Klamm
weiter gehts über den Karwendelweg nach Scharnitz
Auf dem Mittenwalder Isarweg Richtung Scharnitz
Abenteuer (siehe Bericht), Übernachtung
und Frühmorgens im Isartal
Mittenwalder Isarweg
über die herrlichen Riedalmen nach Scharnitz
während der Heimfahrt noch einen kurzen Abstecher
für ein erfrischendes Bad am Walchensee