Der
Landstreicher
Uwe
Schade
Der Landstreicher
Oktober 2000
Landshut - vor dem Rathaus
Teil 1
Begegnung mit dem 'Steppenwolf' Uwe
Schade
Ich war an einem nieseligen Tag in der Stadt
unterwegs, um ein paar Besorgungen zu machen. Es kommt hin
und wieder einmal vor, daß vor einem Kaufhaus oder
vor dem Rathaus Menschen mit Hut oder einem Kärtchen
sitzen, die um 'Almosen' bitten. Es gab eine Zeit, da gab
ich grundsätzlich jedem etwas. Doch dann machte ich
die merkwürdige Beobachtung, daß ich mich hinterher
manchmal sehr unwohl gefühlt hatte. So hatte ich mir
vorgenommen, wacher auf mein inneres Gefühl zu achten,
bevor ich geradewegs meinen Geldbeutel zückte.
An diesem Tag war ich besonders tief in Gedanken versunken.
Ich wollte nicht mehr in der Stadt bleiben - aber ich wollte
auch nicht nach Hause fahren. So ging ich mit dem Fahrrad
hin und her an den Schaufenstern der Kaufhäuser vorbei.
Durch die Palisaden der Altstadt. So kam ich auch mehrere
Male an der Stadtsparkasse vorbei.
Als ich ein paar Mal diese Runde gedreht hatte, da rief
mich etwas zum Innehalten. Da war doch etwas?! Ich schaute
mich um und sah einen Mann neben einem Geschäft unter
den Palisaden sitzen. 'Das ist wieder ein Bettler' - ging
es mir durch den Sinn. Und ich ging diesmal weiter. Als
ich eine Weile gegangen war, dachte es wieder in mir: 'da
war doch etwas!' Diesmal war es klarer. Ich kehrte sofort
um und ging noch einmal dorthin, wo der Bettler gesessen
hatte. Er war immer noch da.
Es war ein Mann - wie es schien über 60 - er war in
einen älteren grauen Anzug gekleidet, hatte längere
graue Haare. Ich bekam ein gutes Gefühl für ihn
und gab ihm 2 Mark. Dann ging ich wieder fort.
Als ich wieder eine Weile gegangen war, spürte ich
dieses seltsame Gefühl zum dritten Mal. 'Da war doch
etwas!!'
Ich ging also wieder zurück, um zu sehen,
was ich wohl
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'vergessen' hatte. Ich stellte mich eine Weile
zu ihm hin. Dann fiel mir sein Fahrrad auf, das an der Seite
an einer Säule stand, und es entging mir nicht, wie
gepflegt dieser Mann trotz seiner Lebensführung aussah.
Und dann sah ich etwas, das ich tatsächlich noch nie
gesehen hatte:
Aus einer der prallvollen aber ordentlichen altmodischen
Gepäcktaschen, wo ich auch einen Schlafsack oder Decken
vermutete lugte eine Flasche heraus. Ich dachte: 'Na klar
- der Fusel muß immer mit' - und mitten im Denken
wurde meine vorgefaßte Meinung total umgekrempelt.
Es war eine Milchflasche!
Das erinnerte mich sofort an meine Jugendzeit, wo ich bereits
mit 16 unter den Isarbrücken in München - oder
im Englischen Garten geschlafen hatte. Ich hatte mich damals
immer in die Studenten- Schwestern- und Zivi-Heime geschlichen,
um heimlich in einem der Gemeinschaftsbäder eine Dusche
zu nehmen oder gemütlich auf die Toilette zu gehen.
Kleidung hatte ich mir ultra-billig auf Flohmärkten
besorgt. Und das waren manchmal richtig modische und teure
Fetzen. So war ich nie besonders aufgefallen.
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Als ich so darüber nachsinnierte, fühlte
ich plötzlich eine tiefe Verbundenheit mit diesem fremden
alten Mann. Dann gab ich mir einen Ruck und erklärte
ihm, daß, wie schön und wie mutig ich es finde,
daß er sich für die Hauslosigkeit entschieden
hatte. Jetzt sah ich auch das Schildchen, das er vor sich
stehen hatte. Darauf stand: Uwe Schade, fahrender Landstreicher.
Viele Bilder stiegen in mir auf - erlebte und ungelebte
Augenblicke meines Lebens vermischten sich. Wir unterhielten
uns eine Weile und er erklärte mir, daß er nur
sehr selten mit den Vorübergehenden über seine
Lebensweise spräche, da sie sich nicht dafür interessierten.
Seine Augen beganngen zu glühen - die meinen vermutlich
auch.
Irgendwann verabschiedete ich mich und ging fort.
Aber wieder meldete sich dieses Gefühl, daß ich
etwas übersehen hatte. Ich ging zum wiederholten male
hin zu ihm, um der Sache auf den Grund zu gehen. Ich schaute
mich noch einmal richtig um - und da sah ich, daß
er einen Stapel kopierte Hefte vor sich liegen hatte. Darauf
stand: Lyrik eines Landstreichers, 'Die Harmonie der Welt'.
Jetzt fühlte ich mich sehr betroffen. Ich entschuldigte
mich von ganzem Herzen, daß ich so blind und unaufmerksam
durch die Welt renne - und ich nahm sofort eines der Hefte
mit.
Als ich es zu Hause las, kamen mir die Tränen
in die Augen. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Da plötzlich
erkannte ich, daß ich einem echten 'Steppenwolf',
so wie ihn Herman Hesse in seinem Buch beschreibt begegnet
war!
Ich fühle eine feierliche Stimmung, während ich
diesen Text gleich wiedergebe.
Und hier
könnt ihr lesen, was sich heute, nach so vielen Jahren
um Uwe Schade und seine Botschaft ereignet.
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Teil 2 - Lyrik eines Landstreichers:
"Die Harmonie der Welt"
Uwe Schade - fahrender Landstreicher
geboren 1923 - von dieser Welt gegangen 2009
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1
Dein Schicksal überrascht
Dich nicht
Denn Du bist Dein Schicksal
Deine Begegnungen wundern Dich nicht
Denn Du bist nicht getrennt von ihnen
Dein Tod erschreckt Dich nicht
Denn Du bist tausendmal gestorben .
Deine Bewegungen sind die Bewegungen der Welt
Deine Verwandlungen sind die Verwandlungen der Welt
Dein Stillstehen ist nur ein Schein
Dein Sterben ist nur ein Wort .
Du meinst Du seiest etwas Bestimmtes
Doch Du bist eine Welle im Weltenmeer
Du meinst Du seiest selbstständig
Doch Du bist der Treffpunkt von hunderttausend Kräften
Du meinst Du kannst Dich lenken
Weil Du nicht siehst was Dich zieht und treibt
Du meinst Du müßtest etwas tun
Doch Deine Anstrengung ist nur Widerstand .
Hast Du Schmerzen, lauf nicht davon
Hast Du Hoffnungen, halt sie nicht fest
Suchst Du die Freiheit, bindet Dein Suchen Dich
Ergreifst Du das Gute, ist Dein Greifen das Böse .
Weil Du unglücklich bist, strebst Du
Weil Du Angst hast, denkst Du
Doch Dein Streben wird kein Glück
Dein Denken wird keine Ruhe .
Du suchst eine Zuflucht
Doch es gibt keinen Schutz
Du suchst einen Ausweg
Doch es gibt keine Öffnung .
In Deiner Rede reden tausend Menschen
In Deinem Gang gehen Lurche und Pferd
Aus Deinen Augen blicken Vogel und Reh
Deiner Hände Greifen ist das Greifen der Steinzeitmenschen
.
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2
Dein Fühlen ist Wahrheit
Dein Vorstellen ist Schein
Du jagst nach dem Schein
Und die Wahrheit verfolgt Dich .
Du hast Schmerz an der Welt
Und suchst Trost im Vergnügen -
Sie schnitten mit Messern durch Deine Seele
Und trösteten Dich mit Süßigkeiten .
Deine Augen machen aus tausend Strahlen eine Farbe
Deine Ohren machen aus tausend Schwingungen einen Ton
Deine Hände fühlen in tausend Bewegungen einen
Körper
Dein Denken macht aus tausend Wahrnehmungen eine Idee .
Dein Wahrnehmen ist gefilterte Welt
Dein Denken ist gefilterte Wahrnehmung
Dein Streben ist gefiltertes Denken -
Was ist es, das Du da greifst ?
Des kreisenden Vogels Spähen gilt nur der Beute
Des Rehes Lauschen gilt nur der Gefahr
Des Hundes Schnüffeln gilt nur den Reizen
Deiner Gedanken Umherlaufen gilt nur der Befriedigung .
Du gehst zu den Lustigen
Doch ihr Lachen ist ohne Freude
Du suchst den Reichtum
Doch er lastet auf Deiner Seele
Du suchst den Erfolg
Doch der Glanz blendet Dich
Du gehst zu den Weisen
Doch ihre Weisheiten sind Gefäße ohne Böden
Du rufst Deinen Gott
Und hörst nur Dein Echo
Du fliehst die Stille
Doch Dein Schreien will niemand hören
Du suchst den Tod
Doch Dein Suchen ist Leben -
Was Du suchst, erreichst Du nicht
Was Du fliehst, verläßt Dich nicht .
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3
Ist jeder Halt zerbrochen
Fällst Du nicht um
Ist jedes Haus zerstört
Fällt Dich nichts an
Ist jeder Wunsch vergiftet
Reißt Dich nichts fort
Ist Alles verloren
Kommt die Welt zu Dir .
Die Welt ist offen
Du suchst zu schließen
Die Welt ist verbunden
Du suchst zu trennen
Die Welt ist Verwandlung
Du versuchst die Form .
In Deiner Mitte fühlst Du die Welt
Mit Deinen Sinnen veränderst Du die Welt
Mit Deinem Denken fliehst Du die Welt
In Deinem Streben zerstörst Du die Welt .
Du zwingst die Stoffe in Deine Form
Doch sie zerfallen
Du zwingst Deine Kinder in Deine Form
Doch sie wenden sich gegen Dich
Du zwingst die Gesellschaft in Deine Form
Doch Menschen werden das nicht
Du zwingst Dich selber in Deine Form
Und sie zerbricht Dich .
Die Strahlen der Welt durchdringen Dich
Die Schwingungen der Welt erschüttern Dich
Die Kräfte der Welt bewegen Dich -
Dein Reden von Freiheit betrügt Dich .
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4
Du redest von Freiheit
Und Dein Motiv ist Zwang
Du redest von Sicherheit
Weil Du sie suchst
Du redest von Unabhängigkeit
Und wartest auf Beifall -
Du kannst nichts Böses tun
Denn Du bist die Konstellation
Von hunderttausend Konstellationen .
Du hast Mut in den Weltraum zu fliegen
Doch Du zitterst vor Gespenstern
Du beherrscht Atome und Raketen
Doch Dein Denken beherrscht sich nicht
Du ordnest das Leben von Völkern
Doch Deine Gedanken ordnen sich nicht
Du verfügst den Tod anderer Menschen
Und weißt nicht ob Du nicht an Dir selbst zerbrichst
.
Die Mechanik Deiner Logik täuscht Dich
Lebendiges bewegt sich nicht gradlinig
Materie bewegt sich nicht beziehungslos
Kannst du ungradlinige Bewegung verstehen
Kannst Du allseitigen Bezug sehen
Ist die Mechanik Deiner Logik zu Ende .
Du bewahrst Deine Täuschung
Und erlebst Deine Macht
Du bewahrst Illusionen -
Und fühlst Deine Ohnmacht .
Du redest von Fortschritt
Und bewegst Dich auf der Stelle
Du machst Revolutionen
Und wiederholst die Unterdrückung
Du glaubst an das Neue
Und Dein Denken orientiert sich beim Alten
Du strebst nach vorn
Und schaust nach hinten .
Dein Lebensbaum erhebt sich aus dem Dunkel der Welt
Du schaust Deine Krone an
Und fühlst Deine Wurzeln
Zwischen beiden spannt sich Dein Leben -
Du hängst an dem einen
Und meidest das andere .
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5
Willst Du in der Welt ruhen
Mußt Du den Geschmack der Welt lieben
Willst Du den Geschmack der Welt lieben
Mußt Du ihn kennenlernen
Willst Du ihn kennenlernen
Mußt Du feinfühlig werden
Willst Du feinfühlig werden
Mußt Du allen Widerstand aufgeben
Willst Du allen Widerstand aufgeben
Mußt Du auf dem Fleck sitzen bleiben
Mußt stehen bleiben, wo Du stehst -
Das Festgehaltene weicht von Dir
Das Unterdrückte gesellt sich zu Dir
Dein Ich stirbt tausend Tode
Die Welt wird in Dir geboren .
In Deinem Widerstreben spannt sich die Welt
In Deinem Streben erhebt sich die Welt
In Deinem Wirken verwandelt sich die Welt
In Deinem Sterben entspannt sich die Welt
In Spannung und Entspannung erklingt
Die Harmonie der Welt .
Du greifst nach Reichtum und verurteilst die Diebe
In beidem wirkt Dein Widerstand
In beidem wirkt die Spannung der Welt
Du baust Atombomben und verfluchst ihre Wirkung
In beidem wirkt Dein Widerstand
In beidem wirkt die Spannung der Welt
Du baust eine Welt und hast Angst vor Zerstörung
In beidem wirkt Dein Widerstand
In beidem wirkt die Spannung der Welt
In Dir erhebt sich ein Ich und sucht sein Heil
In beidem wirkt Widerstand und die Spannung der Welt .
Das Böse ist nur ein Schein
Im Spiegel Deiner Moralen
Zerstörung ist nur ein Schein
Im Spiegel Deines Formens
Verlieren ist nur ein Schein
Im Spiegel Deines Ergreifens
Dein Weilen ist nur ein Schein
Im Fluss der ewigen Bewegung .
Die Arbeit Deiner Sinne ist Ergreifen und Widerstand
Drum entstehen Schönes und Häßliches
Wohlklang und Mißklang, Schmackhaftes und Schmackloses
Die Arbeit Deines Denkens ist Ergreifen und Widerstand
Drum entstehen Verstehen und Nichtverstehen.
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6
Dein Lieben ist Nichtergreifen
Dein Sterben ist Nichtergreifen
Dein Weltoffensein ist Nichtergreifen -
Diesem gilt Deine verborgene Sehnsucht .
Deine Zellen sind permanenter Austausch
Dein Blut ist permanenter Fluss
Dein Hirn ist permanente Reaktion
Deine Idee ist der Versuch, alles anzuhalten -
Die Basis Deines Ideenturmes ist Dein Widerstand
Die Steine Deines Ideenturmes sind Deine Vorstellungen
Der Mörtel ist Dein Ergreifen
Die Spitze ist Dein ICH .
In Deinem Spiegel erscheinen Möglichkeiten
Dein Denken erkennt diese Möglichkeiten
Dein Streben ergreift diese Möglichkeiten
Dein Leben wird abhängig von diesen Möglichkeiten
.
Deine Gedanken ruhen sich aus
Wenn sie von einem Buch geführt werden
Wenn sie von einem Spiel amüsiert werden
Wenn sie in einer Aufgabe diszipliniert werden
Wenn sie in einen Traum entlassen werden
Deine Gedanken ruhen sich aus
Wenn sie von Dir nicht festgehalten werden .
Wenn das Leben an sich selber leidet
Heilt sich das Leben
Schiebt sich eine Vorstellung dazwischen
Bleibt Dein Leiden steril .
Du willst Deinen Schmerz nicht sehen
Denn Du schaust lieber die Heilmittel an
Du wagst Deine Qual nicht zu bekennen
Denn Du meinst Du müßtest ihr Meister sein
Du wagst nicht Deinen Gott zu verfluchen
Denn Du denkst er müßte Dein Ebenbild sein
Du willst nicht zur Wurzel gehen
Denn dort bist Du klein .
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7
Du sagst Du magst dieses Essen nicht
Es ist Dein Geschmack den Du nicht magst
Du sagst Du magst dieses Wetter nicht
Es ist Deine Erwartung die Du nicht magst
Du sagst Du magst diese Gesellschaft nicht
Es ist Deine Anschauung die Du nicht magst
Du sagst, wenn Du es wagst, Du magst diese Welt nicht
Es ist der Geschmack von Dir selber, den Du dann wahrnimmst
.
Du meinst Du kannst wie ein Kindlein bleiben
Daß Du das denkst, zeigt, daß Du es nicht bist
Du meinst Du kannst ohne Ideen bleiben
Was Du da denkst, ist eine Idee
Du meinst Du kannst ohne Absturz bleiben
Wenn Du das hoffst, ist er Dir nahe .
In Deinem Leibe entwickelt das Lebendige Härte
Um, zerbrechend, heimzukehren in die Verwandlung
In Deinen Ideen entwickelt das Lebendige Verirrung
Um, zerbrechend, heimzukehren in die Wahrheit
In der Menschheit entwickelt das Lebendige Brutalität
Um, zerbrechend, heimzukehren in die Schönheit .
Du mußt gewaltig irren
Um die Wahrheit tief zu erfahren
Du mußt gewaltig triumphieren
Um Deine Nichtigkeit zu erfahren -
Glaubst Du, Du kannst eines Menschen Weg abkürzen ?
Du rückst die Stoffe zurecht
Und Deine Mühe nimmt kein Ende
Du rückst die Kreaturen zurecht
Und Dein Töten nimmt kein Ende
Du rückst die Welt zurecht
Und die Zerstörung kommt auf Dich zurück.
Kannst Du ein Spinnennetz nachmachen ?
So, wie Du diesen Augenblick erlebst
Will das Lebendige in Dir den Augenblick erleben
So, wie die Menschheit diesen Augenblick erlebt
Will das Lebendige in der Menschheit sich erleben .
Verdammst Du einen Gedanken in Dir
Verdammst Du eine lebende Zelle
Verfluchst Du ein Gefühl in Dir
Verfluchst Du lebendiges Blut
Verurteilst Du einen Schuldigen
Dann verurteilst Du einen Menschen
In dem Dein Gedanke Fleisch und Dein Gefühl Blut wurden
.
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8
Deine Häuser sperren Dich ein
Dein Wissen kettet Dich an
Deine Wünsche zerren Dich umher
Doch Leben ist Bewegung aus sich selbst
Dein Atem wird nicht von Dir gemacht
Dein Feuer wird nicht von Dir gemacht
Dein Wirken wird nicht von Dir verursacht
Denn Leben ist Bewegung aus sich selbst .
Mal zerschlägst Du den Stein
Mal erschlägt er Dich
Du siehst Deine Farbe aus dem übrigen Grau hervorstechen
Doch unterschiedlos ist der Allzusammenhang .
Wird Lebendiges gereizt
Wächst Widerstand oder Begehren
Werden Menschen gereizt
Wächst das Ich
Ist das Ich stark
Ist die Blindheit groß
Und die Zerstörung nimmt kein Ende.
Drum muáten die, die Menschen verändern wollten
Vor ihnen fliehen
Drum wurden die Worte derer,
Die den Menschen etwas Gutes verhieáen
Die Quelle endloser Zerstörung -
Weil das Ich gestärkt wurde .
Hast Du etwas im Auge, sieht Dein Auge nicht klar
Hast Du Dein Denken gebunden, ist es unbeweglich
Ist Dein Ich stark
Ist Deine Orientierung schwach .
Die Gnade Deiner Krankheit ist
Daß sie Dich Dein Kranksein nicht sehen läßt
So bleibt Dir groáer Schmerz erspart
Der Fluch Deiner Krankheit ist
Daß sie Dich Dein Kranksein nicht sehen läßt
So bleibt Dein Kranksein bewahrt.
Doch wenn Lebendiges an sich selbst leidet
Geht es aus allem heraus .
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9
Entsteht in Deiner Mitte das Gefühl
von Mangel
Bewirkt es an Deinen Rändern Ergreifen
Die Augen suchen reizvolle Bilder
Die Ohren reizvollen Klang
Der Gaumen reizvollen Geschmack
In Deinem Denken entstehen reizvolle Vorstellungen.
Bleibst Du in der Mitte
Erfllt sie sich selbst .
Binden leibliche Freuden Dich
Wird in leiblichen Freuden Lebendiges sich entspannen
Binden Worte und Bücher Dich
Wird im Gebrauch von Worten Lebendiges sich entspannen
Binden Mystik und Glauben Dich
Wird in Mystik und Glauben Lebendiges sich entspannen
Binden hoch und niedrig Dich
Wird im Höherstreben Lebendiges sich entspannen
Will Dir jemand Deine Fesseln abnehmen
Wirst Du Dich zur Wehr setzen
Niemand ist gern seines Erlösungsmediums beraubt.
Doch will Lebendiges sich befreien
So wird es geschehen -
Du aber kannst das Atmen Deiner Seele nicht verändern.
Es ist so schwer
Aus dem Schein der Macht
Hinabzusteigen in die Wahrheit der Ohnmacht
Du bist süchtig wie ein Moskito
Der für einen Tropfen Blut alles riskiert
Du bist geblendet, weil Du sagen kannst
'Es werde Licht' wenn Du den Schalter betätigst
Du eroberst die höchsten Gipfel
Doch Deine Triumphe werden durch Deine Finger rinnen
Und das Tal der Schmerzen wartet auf Dich
Denn, schau, leicht ist Dein Nichtsein zu erkennen :
Tag und Nacht
Aufstieg und Abstieg
Wachsen und Zerfallen sind Reaktionen
Hunger Frieren Angst sind Reaktionen
Sehen Fühlen Erkennen sind Reaktionen
Verstehen und Nichtverstehen
Sich Zuwenden und Abwenden
Sich Öffnen und Verschlieáen sind Reaktionen
Verschlingen und Ausscheiden
Gnade und Fluch
Verfinsterung und Erleuchtung sind Reaktionen
Du aber bist dieses alles .
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10
Lebendiges erlebt den Schein der Form
In wiederkehrender Bewegung
Im Zyklus vollzieht sich Gebären
Im Zyklus vollzieht sich Ernähren
Im Zyklus erlebt es die Seligkeit des In-der-Welt-Seins
Doch nichts wiederholt sich.
Der Zwang zur Wiederkehr ist in allem Deinen Tun -
Und leicht geraten die Kreise steril .
Zu wiederkehrender Bewegung
Organisiert sich die Materie
Um in Spannung zu erleben
Die eigene Bewegungsform
Das eigene Kreisen
Aus mystischer Energie.
Den Rhythmus zu wahren
Ist des Vitalen Interesse
Die Zerstörung des Rhythmus
Erlebt es als Tod -
Wenn der Rhythmus Deiner sterilen Kreise gestört wird
zerbrechen sie
Und Du erfährst die Gnade des Sterbens .
Als Störung wirkt das Neue
In den Kreisen Deiner Gedanken
Als Störung wirkt das Neue
Auf die Richtung Deines Gehens
Als Störung wirkt das Neue
In das Verhängnis Deines Strebens -
Die Welt holt das Verirrende zurück.
Du aber kannst das Tor zur Freiheit nicht sehen .
Einst sahest Du ein Land von namenloser Schönheit
Hast Du das vergessen ?
Einst kam Dein Tun aus der Quelle der Unschuld
Hast Du das vergessen ?
Einst war in Deinem Fühlen die ganze Welt
Hast Du sie weggeschmissen ?
Es ist alles noch in Dir .
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"Neue
Begegnung"
04.Juni 2003 - ich erhalte gleich zwei Eintragungen in mein
Gästebuch über die Begegnung mit Uwe Schade und
seine Schrift.
Ich besuche die Webseiten und staune nicht schlecht. Die
Inhalte sind sich sehr ähnlich, die Aufmachung ist
sehr ähnlich. Da dämmert mir der Gedanke an den
Satz, den ich schon so oft in meinem Leben gehört habe:
"Alles, was dir im Leben begegnet, bist du selbst!"
Und mir dämmert, wem ich damals in Landshut begegnet
bin...
Auch Jürgen hat Uwe Schade eine Seite gewidmet. Schaut
doch auf dieser Oase vorbei, wo es noch viele andere erfreuliche
Dinge zu finden gibt. Webseite von Jürgen: www.see-blick.de
Und hier geht es zu Michaelix Webseite, auch er trägt
den Wind in den Haaren... www.michaelix.com
Ein Verleger hat sich der Schrift von Uwe Schade angenommen
und sie als Buch herausgegeben - ohne dass Uwe Schade irgendetwas
dazugetan hätte, als einfach zu sein ...
"Uwe Schade"
Die Harmonie der Welt
- "Lyrik eines Landstreichers"
56 Seiten, illustriert, gebunden - ISBN 3-906786-12-9
Fr. 19.80, DM 22,-, öS 176,--, Euro 12,40
beim Lokwort Verlag (Bernhard Engler).
Der Verlag hat auch eine kleine Geschichte über Uwe
Schade zu berichten.
www.lokwort.ch oder bei Amazon
www.amazon.de
2009 Dezember - Was geschah inzwischen?
Ralf,
der mir erlaubte, sein Erlebnis mit Uwe Schade hier zu veröffentlichen,
schickte mir im Dezember 2009 sein Erlebnis per e-mail:
Hallo Regina, es ist mir ein Anliegen dir zu sagen, dass
auch ich Uwe Schade Anfang der 80er Jahre begegnet bin und
alles nur bestätigen kann; genau so ist es bei mir
abgelaufen; auch ich schob mein Fahrrad durch die Stuttgarter
Königsstr.; Uwe Schade saß im Schneidersitz mitten
im dichten Fußgängerstrom und hat mich magisch
angezogen; ich gehe einmal an ihm vorüber, kann aber
auf die Schnelle nicht den Titel des Heftes identifizieren,
hinter mir drängen andere Passanten, ich traue mich
nicht stehenzubleiben; in sicherer Entfernung beobachte
ich diesen Mann, der mich sehr anzieht durch seine Ruhe
und Freundlichkeit; ich sehe sein Fahrrad, ich sehe im Gepäck
die Milchflasche; ich bin mutig gehe ein 2. Mal langsam
an ihm vorbei; ich kann den Titel nicht erkennen; bleibe,
als ich fast an ihm vorbei bin, stehen und schaue über
meine rechte Schulter noch zu ihm hinab, als er mir freundlich
lächelnd sein Heftchen entgegenstreckt mit der Bemerkung:
\"Hier, vielleicht interessiert es dich!\" Ich
kann jetzt den handgeschriebenen Titel lesen; ohne zu zögern
zahle ich 2 oder 5,-DM; im nächsten Cafe überfliege
ich den Inhalt und spüre, dass etwas passiert ist;
ein paar Tage später treffe ich Uwe Schade in Tübingen
wieder; in bekannter Sitzhaltung diskutiert er offensichtlich
mit einer jungen Passantin; seither sind fast 30 Jahre vergangen
und mir ist immer klarer geworden, dass dieser Mann die
Welt verstanden hat. Gruß Ralf
Ob
er wohl noch lebt? Irgendwo meine ich gelesen zu haben,
dass er Jahrgang 1924 ist; das könnte durchaus
sein, denn damals in der Königsstr. (Anfang der 80er
Jahre) war er geschätzt über 50; dann habe ich
auch gelesen, dass er vom Verleger aufgespürt wurde,
aber von einem Honorar nichts wissen wollte und dankend
abgelehnt hat; das berührt mich unbeschreiblich. Dann
habe ich im Netz gelesen, dass er den Text zur "Harmonie
der Welt" in einer einzigen Nacht auf Grund einer
Eingebung niedergeschrieben hat.
Ich
habe auch viel von deiner Geschichte gelesen; d. h. über
die Suche nach Uwe bin ich auf deine Seite gestoßen
und war wie vom Donner gerührt, als ich deine Begegnung
mit Uwe gelesen habe, die ja der meinen so verblüffend
ähnlich ist.
|
UWE
SCHADE
Landstreicher,
wurde 1923 geboren und starb 2009
Lyrik eines Landstreichers: "Die Harmonie der Welt"
|
Artikel
von Kirti https://zenartblog.wordpress.com/uwe-schade/
mit der freundlichen Erlaubnis um Veröffentlichung
- herzlichen Dank liebe/r Kirti !
Man weiss nicht viel über ihn.
Angetroffen
wurde er in Luzern, neben ihm stand ein Fahrrad und lag
ein Schlafsack. Vor ihm waren seine Gedichte ausgebreitet,
angeboten gegen eine Spende. Ein Spaziergänger lief
an einem jener Wintertage am Landstreicher vorbei, stoppte,
ging zurück und las die Prosa-Gedichte. Fasziniert
von der Ausstrahlung des Landstreichers und seinen weisen
Worten, von der verbindenden und verbindlichen Kraft seiner
Lyrik, hat er die Gedichte veröffentlicht.
Lektüre:
Die Harmonie der Welt von Uwe Schade
ZITATE
von Uwe Schade
In
Deiner Mitte fühlst Du die Welt
Mit Deinen Sinnen veränderst Du die Welt
Mit Deinem Denken fliehst Du die Welt
In Deinem Streben zerstörst Du die Welt
An
einem sonnigen Tag im Sommer 1992 schlenderte ich durch
Hamburgs Innenstadt und hatte eine wundersame Begegnung.
Mein Urlaub stand kurz bevor, und ich fühlte mich leicht
und beschwingt. Die Zeit erschien mir wie ein einziger,
gedehnter Augenblick alle Dinge schienen auf innige
Weise miteinander verwoben zu sein.
Mitten
im Strom zielbewussten, geschäftigen Treibens saß
ein weißhaariger, vollbärtiger, etwa 50-jähriger
Bettler auf dem Gehsteig in der Sonne. Im Vorbeigehen erwog
ich, ob ich dem Mann ein Almosen geben sollte oder nicht.
Er war normal gekleidet für einen Bettler
machte er einen ziemlich gepflegten Eindruck. Vor ihm auf
dem Boden lagen einige Exemplare gehefteter Blätter
mit der Aufschrift Lyrik eines Landstreichers.
Merkwürdig
, dachte ich, dass
ein Bettler sich selbst als Landstreicher bezeichnet
.
Hat er womöglich einen gewissen Abstand zu der Rolle,
die er spielt? Und dann spricht er nicht von Gedichten,
sondern von Lyrik! Welches Schicksal mag wohl
einen mit Lyrik vertrauten Menschen zum Bettler werden lassen?!
Ich kehrte um und fragte ihn, ob ich ein Exemplar von ihm
kaufen könne und was er dafür haben wolle. Er
schaute mich freundlich-listig durch seine kleinen, runden
Brillengläser mit wachem Ausdruck an und meinte nur:
Ach, vielleicht einen Taler.
Auf den ersten Blick wirkte er unscheinbar, doch was er
sagte, und wie er es ausdrückte, kam völlig unerwartet.
Mir war auf einmal klar, dass hier kein irgendwie versponnener
Typ saß, der sich ein wenig in der Zeit geirrt hatte
und nostalgisch einem anderen Jahrhundert nachhing. Nein!
Er strahlte etwas Zeitloses, Grenzenloses aus, das erst
wenige Minuten später wie ein Blitz einschlug.
Jedenfalls schien er zu sagen, dass der Geldwert relativ
sei und dass seine Gedichte nicht den Zweck erfüllten,
einen armseligen Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Sein
Anliegen war ganz anderer Art!
Ich verabschiedete mich, und noch im Weitergehen schlug
ich neugierig die erste Seite auf und las:
Dein
Schicksal überrascht Dich nicht,
denn Du bist Dein Schicksal.
Deine Begegnungen wundern Dich nicht,
denn Du bist nicht getrennt von ihnen.
Dein Tod schreckt Dich nicht,
denn Du bist tausendmal gestorben.
Die
Worte wirkten nicht wie auswendig gelernte Lebensweis-heiten,
die ich schon in der einen oder anderen Form bei Lao Tzu
oder Angelus Silesius gelesen hatte! Mir lief ein Schauer
den Rücken herunter, und ich war wie elektrisiert!
Ich musste an eine weiße Wolke denken, die frei von
Ziel und Zweck mit jedem Windhauch mitgehen und sich im
grenzenlos blauen Himmel auflösen kann. Eine unbeschreibliche
Leichtigkeit und Freude trieb mir die Tränen in die
Augen. Dort saß ein Mensch, der Weite und Offenheit
ausstrahlte und ein absolutes Vertrauen in die Existenz
zu haben schien. Hinter der unscheinbaren, äußeren
Form verbarg sich eine bodenlose Kraft, die nicht durch
Aggressivität wirkte, sondern durch die Abwesenheit
eines getrennten Selbst. In Wirklichkeit war dort Niemand.
Zwei
Jahre später saß er vor dem Alsterhaus, und ich
war erfreut, ihn diesmal fragen zu können, wie er zu
diesem Lebenswandel gekommen und was der Hintergrund dieser
erleuchtenden Gedanken sei. Ich wollte ihm auch etwas Geld
geben für die Kopien, die ich ohne sein Wissen gemacht
hatte, um sie Freunden zu schenken. Er lehnte ab und sagte,
ich sei frei, diese Gedanken, die niemandes Besitzrecht
seien, weiterzugeben. Ich solle die einzelnen Abschnitte
nur nicht aus dem Zusammenhang reißen. Er erzählte
mir, dass er vor einigen Jahren auf einer Wanderung an einem
See zu leuchten anfing, dass sogar die Tiere
innehielten und ihn anschauten. Er hätte in drei aufeinander
folgenden Nächten immer den gleichen Traum gehabt,
in dem ein Lichtwesen ihn fragte, ob er das Leuchten besitzen
oder nur davon Zeugnis ablegen wolle, und da habe er geantwortet:
Nur sagen
!
Die
rückhaltlose Demut und Bescheidenheit, die keinen Besitzanspruch
auf Erleuchtung erhebt, scheint zu dieser bedeutsamen
Eingebung geführt zu haben, die für immer nachklingen
wird
.
Im Jahre 1998 ist das Sprachrohr dieser Verse
wie ich inzwischen erfuhr von einem Krankenpfleger
in Schleswig bis zu seinem in letzter Hingabe angenommenen
Tode begleitet worden.
Kirti
4
Antworten zu diesem Blog UWE SCHADE
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Mir
ging es ähnlich beim Lesen von Lyrik eines
Landstreichers
Wer bis Du Kirti? Info bitte an post@uhr304.de
Ulrich
H. Rose said this on Dezember 28, 2014
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Habe
gerade einen Druck gefunden den ich mal von Uwe Schade
bekam mit Filzstift steht auf der Rückseite Lyrik
eines landstreichers m schade. Das hatte er selbst
drauf geschrieben. Muss in den Achzigern gewesen sein,
als ich ihn traf
.habe gerade wenig Erinnerung
an die Begegnung
und beim Suchen im Netz fand
ich diese Seite hier.
auraleserin
said this on März 21, 2015
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Ich
habe diesen Menschen auch getroffen, als ich 1995
in Köln als Zivildienstleistender gelebt habe.
Er saß vor dem Dom auf einer Decke inmitten
seiner kopierten Hefte und sagte: gib mir was
du dafür geben willst. Ich hatte wenig
Geld damals und gab ihm 2 Mark; beschämend wenig
dafür dass ich diese Gedichte wieder und wieder
las, kopierte und verschenkte. Das gehört mit
zum Weisesten was ich bislang gelesen habe.
Aber diese Worte haben auch in mir etwas bewirkt und
damit Früchte getragen. Uwe Schade wüsste
das. Danke Uwe!
Stefan
said this on Juni 15, 2015
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Auch
ich, wie die anderen Kommentatoren auf dieser Site,
traf ich Uwe Schade zufällig. Es geschieht in
Hannover, wo ich damals an der Uni studierte, und
ich weiss sogar das genaue Datum jenes unvergesslichen
Treffens, weil ich die Manie habe, den Anschaffungstag
meiner Bücher und Hefte immer aufzuschreiben:
Es war der 15. Juli 1995. Ich war 29 Jahre alt zu
jener Zeit.
Es ist viel Zeit seitdem vergangen und jenes Erlebnis
meines Treffens mit dem sonderbaren und wortkargen
Landstreicher war zum Teil in Vergessenheit geraten.
Doch vor wenigen Tagen bekam ich in Alicante, der
Stadt an der Mittelmeerküste, wo ich seit einigen
Jahren lebe, mehrere Umzugskisten aus dem Domizil
meiner Eltern in Nordspanien mit Büchern aus
meinem damaligen Studium in Hannover. Darunter befand
sich der Druck von Uwe Schade, dem mystischen und
unbegründlichen Landstreicher jenes unvergesslichen
Hannover-Treffens aus dem Jahre 1995.
Damals wusste ich nicht, dass er Uwe Schade hiess.
Nach dem Kauf seines Druckes Die Harmonie der
Welt sah ich auf der Rückseite die Erläuterung
Liryk eines Landstreichers, was ich noch
entziffern konnte, aber die zwei Worte drauf, die
sich nach dem Lesen der hier stehenden Erläuterungen
als seinen Namen Uwe Schade entpuppt haben, blieben
mir damals ein Rätsel.
Herr Schade war ein Sonderling, seine besondere Ausstrahlung
fiel mir sofort auf. Es war kein herkömmlicher
Bettler. Er bat auch nicht um Geld, er wollte davon
gar nichts wissen. Er bot seine Literatur gegen etwas
Geld. Ich traf ihn mit meinem Fotoapparat auf dem
Schulter und frage ich höflich, ob ich eine Aufnahme
von ihm machen durfte. Seine Antwort, mehr oder minder
in dieser Form, die mir noch heute in Erinnerung bleibt,
über 20 Jahre nach der damaligen Begegnung, lautete
so ungefähr: Wenn du mich aufnimmst, nimmst
du mir die Seele weg. Nach solcher Grundsatzerklärung
hatte ich wohl wenig mehr zu sagen. Ich schämte
mich vor mir selbst und nickte mit dem Kopf, wohl
meinend, ich hätte verstanden, und wollte bloss
für seinen Druck zahlen und gehen. Ich fragte
schüchtern, ob er 10 Mark dafür annehmen
würde, wozu er sagte, das sei zu viel Geld, worauf
ich erwiderte, das sei in Ordnung.
Ich nahm seinen Band ich die Hand, schaute nochmals
perplex auf ihn und verabschiedete mich höflich
und mit wenigen Worten von ihm. Ich war sprachlos
von der Begegnung und wusste nicht richtig, wie ich
die vorhin erlebte Situation einstufen sollte. Mir
war einzig und alleine klar, dass ich einen Zauberaugenblick
erlebt hatte, soche Erlebnisse, die ganz besonders
sind und das Leben eines Menschen für immer prägen.
Toni
Castaño (antoniocastano7@hotmail.com)
said this on Juli 30, 2015
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