Eines Tages
fand ich auf unserer Papiermülltonne ein antiquarisches
Buch. Ich nahm es mit nach Hause - und als ich es öffnete,
schlug mir dieser Abschnitt direkt entgegen. Dieser
Text berührte mich sehr tief, gab mir eine völlig
neue Bedeutung über Menschen und Situationen, die
uns in unserem Leben Schwierigkeiten bereiten... Am
meisten überraschte es mich, zu sehen, wer dieses
Buch geschrieben hatte: es war kein geringerer, als
der Autor des berühmten Buches "Der kleine
Prinz"...
Antoine
de Sant Exupéry
Die
Stadt in der Wüste
Ich
will dir die Augen öffnen über das Trugbild
der Insel. Denn du glaubst, in der Freiheit der Bäume,
der Wiesen und Herden, in der Begeisterung, die die
Einsamkeit der großen Räume erweckt, in der
Inbrunst zügelloser Liebe werdest du aufrecht emporwachsen
wie ein Baum.
Aber
die Bäume, die ich am aufrechtesten wachsen sah,
sind nicht solche, die in der Freiheit gedeihen.
Denn diese haben keine Eile, größer
zu werden, sie trödeln bei ihrem Aufstieg und steigen
nur in Windungen hoch. Während der Baum des Urwaldes,
von den Feinden bedrängt, die ihm seinen Platz
an der Sonne rauben, mit der Dringlichkeit eines Anrufs
in senkrechtem Schwunge den Himmel erstürmt.
Denn
du wirst auf deiner Insel weder Freiheit noch Begeisterung
noch Liebe finden. Und wenn du dich auf lange Zeit in
die Wüste zurückziehst
(denn
es ist etwas anderes, wenn du dich dort vom Betriebe
der Städte erholst),
weiß ich nur
ein Mittel, sie für dich zu beleben, dich in ihr
in Atem zu halten und sie zum Nährboden deiner
Begeisterung zu machen. Und das ist, dass ich ein Gefüge
von Kraftlinien über sie ausspanne. Mögen
sie nun der Natur oder dem Reiche angehören.
Und ich werde das Netz der Brunnen karg genug einrichten,
damit du auf deiner Wanderung einem jeden von ihnen
mehr zustrebst, als dass du ihn erreichtest. Denn um
den siebenten Tag herum muss man mit dem Wasser in den
Schläuchen sparen. Und diesen Brunnen mit aller
Kraft zu erreichen trachten. Und durch seinen Sieg gewinnen.
Und gewiss wird man Reittiere
büßen
(1),
um diesen Raum und diese Einsamkeit zu überwinden,
denn das wird den Preis freiwilliger Opfer wert sein.
Und jene versandeten Karawanen, die den Brunnen nicht
gefunden haben, zeugen von seinem Ruhme. Und über
ihren Gebeinen strahlt er unter der Sonne.
So rufst du in der Stunde des
Aufbruchs dein besseres Ich an, wenn
du die Lasten nachprüfst, wenn du an den Stricken
ziehst, um festzustellen, ob die Waren richtig ausgelastet
sind, und den Stand der Wasservorräte untersuchst.
Und dann wanderst du deinem fernen Lande entgegen, das
jenseits der Sandwüsten In den Wassern gesegnet
wird, und erklimmst die Sprossen zwischen dem einen
und dem anderen Brunnen wie die Sprossen einer Leiter;
und da es einen Tanz zu tanzen
und einen Feind besiegen gilt, bist
du im Zeremoniell der Wüste gefangen. Und zugleich
mit deinen Muskeln bilde
ich dir eine Seele
(2).
Wenn
ich dir aber die Wüste noch reicher machen will,
wenn die Brunnen mit noch größerer Gewalt
wie Pole anziehen oder abstoßen sollen, bis die
Einöde zu einer Schöpfung deines Herzens wird
(3),
werde ich sie dir mit Feinden bevölkern. Sie werden
die Brunnen besetzt halten, und so musst du Listen gebrauchen,
kämpfen und siegen, wenn du trinken willst. Und
je nachdem, ob die Stämme, die hier und dort ihre
Zelte aufschlagen, grausamer oder weniger grausam, der
Einsicht zugänglicher oder undurchdringlich in
ihrer Sprache, besser oder schlechter bewaffnet sind,
werden deine Schritte behender oder behutsamer, verschwiegener
oder lauter sein, werden die Entfernungen schwanken,
die du an den Marschtagen zurücklegst, obwohl,
es sich um eine Fläche handelt, die für das
Auge an allen Punkten die gleiche ist. Und so wird eine
unermessliche Weite mit Spannung geladen und reich an
Abwechslung werden; so
wird sie verschiedene Färbungen annehmen, während
sie zuvor gelblich und eintönig war, und für
deinen Geist und dein Herz mehr
Gestalt gewinnen (4)
als jene glücklichen
Länder, in denen sich die frischen Täler,
die blauen Berge, die Seen mit süßem Wasser
und die Wiesen finden.
Denn
dein Schritt ist hier wie der Schritt eines zum Tode
Verurteilten, dort wie der eines Befreiten; hier zeugt
er von einer überraschung, dort von einer überwindung
einer überraschung. Hier von einer Verfolgung und
dort von einer aufmerksamen Zurückhaltung wie in
der Kammer, in der sie schläft und in der du sie
nicht wecken willst.
Und
freilich wird sich auf den meisten deiner Reisen nichts,
ereignen, denn es genügt,
dass
jene Unterschiede (5)
für dich Geltung haben und dass das Zeremoniell,
das aus ihnen hervorgeht, begründet und notwendig
und unumschränkt ist und so der Güte deines
Tanzes zugute kommt. Dann wird sich das Wunder ereignen,
obgleich einer, den ich deiner Karawane zuteile - wenn
er nicht deine Sprache versteht und nicht an deinen
ängsten, deinen Hoffnungen, deinen Freuden teilhat,
wenn er lediglich wie die Führer deiner Reittiere
auf Gesten beschränkt ist nur die leere Wüste
kennen lernen wird; so wird er die ganze Zeit gähnen,
während er eine endlose Fläche durchquert,
die ihm nur Langeweile einflößt; und nichts
in meiner Wüste wird diesen Reisenden verändern.
Der Brunnen wird ihm nur als ein Loch von mäßigem
Umfang erscheinen, das man vom Sande freischaufeln muss.
Und was wird er von der Langeweile erfahren haben, da
sie ja ihrer Natur nach unsichtbar ist! Denn sie besteht
nur aus einer Handvoll Samenkörner, die die Winde
verweht haben, obwohl sie genügt, um für den,
der in sie verstrickt ist, alles zu verwandeln, so wie
das Salz ein Festmahl verwandelt. Und wenn ich dir nur
die Spielregeln meiner Wüste zeige, gewinnt sie
solche Macht über dich und nimmt dich so sehr gefangen,
dass du noch so gemein, eigensüchtig, verkommen
und skeptisch sein kannst, wenn ich dich in den Vororten
meiner Stadt oder den Sümpfen meiner Oasen auflese:
ich brauche dir
dann nur eine
einzige Durchquerung der Wüste aufzuerlegen,
damit der Mensch in dir zum Vorschein kommt wie ein
Samenkorn, das aus seiner
Hülse bricht und damit sich dir Geist und Herz
entfalten. Und so wirst du nach deiner Wandlung in aller
Herrlichkeit zurückkehren und gerüstet sein,
das Leben der Starken zu leben.
(6)
Und wenn ich mich darauf
beschränkt habe, dich an der Sprache der Wüste
teilhaben zu lassen - denn das Wesentliche kommt nicht
von den Dingen, sondern vom Sinn der Dinge -, wird sie
dich wie eine Sonne keimen und wachsen lassen.
Du
wirst sie durchqueren wie ein wunderbares Wasser. Und
wenn du am anderen Ufer wieder hochsteigst, lachend,
männlich berückend, werden sie dich gewiss
erkennen, die Frauen - dich den sie suchten, und du
brauchst sie dann nur zu verachten, um sie zu gewinnen.
[?]
Wie
töricht ist einer, der das Glück der Menschen
und der Befriedigung ihrer Wünsche suchen möchte
und der glaubt, da er ihnen zusah, wie sie ihres Weges
zogen,
es komme den Menschen vor allem
darauf an, ihr Ziel zu erreichen. Als
ob es jemals ein Ziel gegeben hätte.
(7)
Daher sage ich dir, dass für
den Menschen zuerst und vor allem die Spannung der Kraftlinien,
an denen er teilhat, von Bedeutung ist, und weiter
seine eigene innere
Dichte(8)
, die sich
daraus herleitet, der Widerhall
seiner Schritte (9)
, die Anziehungskraft
der Brunnen und die Schroffheit des Hanges, den er im
Gebirge erklimmen muss. Und wenn der, der ihn zu erklimmen
vermochte, durch die Kraft seiner Fäuste und die
Abnutzung seiner Knie eine Felsnadel bezwungen hat,
wirst du doch nicht behaupten wollen, seine Freude sei
von der gleichen minderwertigen Beschaffenheit wie die
Freude jenes Sesshaften, der sich auf der leicht erreichbaren
Kuppe eines runderen Hügels im Grase wälzt,
wohin er an einem Ruhetage seinen trägen Leib geschleppt
hat.
Du
aber hast alle Spannung ertötet, da du jenen göttlichen
Knoten auflöstest, der die Dinge verknüpft.
(10)
Denn du sahst dass sich die Menschen
abmühten, um zum Brunnen zu gelangen, und so glaubtest
du, es komme auf die Brunnen an, und hast ihnen Brunnen
gebohrt. Denn du sahst, dass die Menschen am siebenten
Tage nach Ruhe verlangten, und so hast du ihre Ruhetage
vermehrt. Denn du sahst, dass die Menschen Diamanten
begehrten und so hast du einen Haufen Diamanten unter
sie verteilt. Denn du sahst, dass die Menschen den Feind
fürchten, und so hast du ihre Feinde beseitigt.
Denn du sahst, dass die Menschen nach dem Liebesgenuss
Verlangen hatten, und so hast du ihnen Freudenviertel
so groß wie Hauptstädte gebaut, in denen
alle Frauen käuflich sind. Und du hast dich auf
diese Weise törichter gezeigt als jener alte Kegelspieler,
von dem ich dir schon einmal sprach und der seine Lust
vergebens darin suchte, dass er sämtliche Kegel
durch Sklaven umstoßen ließ.
Regina Franziska Rau: Jesus sprach zu mir: "Ich bin das Licht - und der Weg"
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Aber
glaube nicht etwa, ich hätte dir gesagt, es gelte,
deine Wünsche zu pflegen. Denn wenn sich nichts
in ihnen regt, entstehen auch keine Kraftlinien. Und
wenn der Brunnen dir nahe ist, wünschst du ihn
freilich herbei, wenn du verdurstest. Aber wenn er dir
aus irgendeinem Grunde unerreichbar bleibt und du nichts
von ihm empfangen und ihm auch nichts geben kannst,
ist es genau so, als wenn dieser Brunnen nicht vorhanden
wäre. So ist es auch mit jener Vorübergehenden,
der du auf deinem Wege begegnest und die nicht für
dich bestimmt ist. Die trotz der Nähe noch ferner
ist, als wenn sie in einer anderen Stadt lebte und anderswo
verheiratet wäre.
Ich verwandle sie dir, wenn ich weiß, dass sie
dir als Element eines ausgebreiteten Gefüges dienen
kann. Und dass du zum Beispiel
davon träumen könntest, wie du des Nachts
mit einer Leiter unter ihrem Fenster zu ihr gelangst,
um sie zu entführen und sie auf dein Pferd zu werfen
und dich in deinem Schlupfwinkel an ihr zu erfreuen.
Oder wenn du Soldat bist und sie Königin, und du
hoffen kannst, für sie zu sterben.
Schwach
und erbärmlich ist die Freude, die du aus falschen
Gefügen gewinnst, wenn du sie dir zum Spiele erfindest.
Denn wenn du einen Diamanten liebst, würde es dir
genügen, ihm mit kleinen Schritten immer langsamer
entgegenzugehen, um ein erhabenes Leben zu leben. Doch
wenn dein langsamer Gang zum Diamanten auf einem Ritus
beruht, der dich in Schranken hält und es dir verwehrt,
schneller zu gehen;
wenn du mit aller Kraft gegen
ihn ankämpfst und meine Zügel spürst
, die dir Einhalt gebieten
(damit
du aufhörst, dich zu wehren);
wenn dir der Zugang zum Diamanten weder unbedingt verwehrt
ist (dann würde dies seine Bedeutung verlieren
und in ein belangloses Schauspiel verwandelt werden),
- noch dir leicht fällt (das würde nichts
aus dir herausholen), - aber auch nicht nur infolge
eines törichten Einfalls Hindernissen begegnet
(das wäre nur ein Zerrbild des Lebens), sondern
wenn dieser Zugang einfach auf einem starken und vielfältigen
Gefüge beruht: erst dann bist du reich. Und ich
weiß nichts Besseres als deinen Feind, um dich
zu begründen, und ich gewahre nichts, was dich
dabei überraschen könnte, denn ich sage lediglich,
dass zum Kriegführen zwei gehören.
Denn
dein Reichtum besteht im Brunnenbohren,
im Erlangen
eines Ruhetages (11),
im Schürfen von Diamanten, im Gewinnen der Liebe.
Aber er besteht nicht darin, Brunnen, Ruhetage, Diamanten
und die Freiheit der Liebe zu besitzen. Ebenso beruht
er nicht darauf, dass du nach diesen Dingen verlangst,
ohne sie zu erstreben. Und wenn du Verlangen und Besitz
wie Worte, die einander die Zunge zeigen, gegenüberstellst,
verstehst du nichts vom Leben. Denn deine Wahrheit,
die dir als Mensch eigen ist, beherrscht ihren Gegensatz,
und es liegt darin nichts Widersprechendes. Das Verlangen
muss seinen vollkommenen Ausdruck finden, und du musst
nicht auf unsinnige Hindernisse, sondern auf das Hindernis
des Lebens selber stoßen, auf den anderen Tänzer,
deinen Rivalen, dann entsteht der Tanz. Sonst bist du
ebenso töricht wie einer, der "Kopf oder Schrift"
gegen sich selber spielt.
Wenn
meine Wüste zu reich an Brunnen sein sollte, müsste
ein Befehl Gottes ergehen, um einige von ihnen zu sperren.
Denn die erschaffenen Kraftlinien müssen dich von
höherer Warte aus beherrschen, damit dir deine
Neigungen, deine Spannungen und deine Handlungen darin
begegnen, aber sie müssen auch, da sie nicht alle
gleich gut sind, etwas anderem gleichen, das zu verstehen
nicht deine Sache ist. Deshalb sage ich dir, dass es
ein Zeremoniell der Brunnen in der Wüste gibt.
Erhoffe
also nichts von der glücklichen Insel, die für
dich einen auf ewig abgeschlossenen Vorrat darstellt,
gleich jener Ernte der umgestoßenen Kegel. Denn
du würdest darin zum mürrischen Vieh werden.
Und wenn es mein Wille ist, dass die Schätze der
Insel - die dir voller Zauber erschienen, seit du des
Nachts auf sie trafst - in dir einen Widerhall wecken
sollen, werde ich dir eine Wüste erfinden und diese
Schätze je nach den Linien eines Gesichts, das
nicht von gleicher Beschaffenheit wie die Dinge ist,
in der Weite verteilen.
Und wenn ich dir eine Insel erhalten möchte, werde
ich dir ein Zeremoniell für die Schätze der
Insel zum Geschenk machen.
Regina Franziska Rau: Gefühlsausbruch
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Wenn
du mir von einer Sonne sprechen willst, die vom Tode
bedroht ist, sage mir: Oktobersonne. Denn diese verliert
schon an Kraft und teilt dir das Altwerden mit. Doch
die November- oder die Dezembersonne lenkt die Aufmerksamkeit
auf den Tod, und so sehe ich, dass du mir ein Zeichen
geben willst. Und dann interessierst du mich nicht.
Denn ich empfange so nicht von dir die Empfindung des
Todes, sondern die Empfindung, dass mir der Tod bezeichnet
wird. Und das war nicht der erstrebte Zweck.
Wenn das Wort in der Mitte deines Satzes den Kopf hebt,
schlage ihm den Kopf ab. Denn es geht nicht darum, mir
ein Wort zu zeigen. Dein Satz ist eine Falle, die eine
Beute einfängt. Und die Falle will ich nicht sehen.
Denn du täuschst dich über
den Gegenstand der übermittlung, wenn du glaubst,
er lasse sich aussprechen
(12).
Sonst könntest du mir "Schwermut"
sagen, und alsbald würde ich schwermütig werden,
womit man es dir wahrhaftig zu leicht gemacht hätte.
Und freilich spricht bei dir ein gewisser Nachahmungstrieb
mit, der sich meinen Worten angleicht. Und wenn ich
"Zorn der Wogen" sage, bist du leichthin bewegt.
Und wenn ich "der vom Tode bedrohte Krieger"
sage, bist du leichthin um meinen Krieger besorgt. Aus
Gewohnheit. Und es ist das nur eine Wirkung an der Oberfläche.
Die einzige Wirkung, die Wert hat, besteht darin, dich
dorthin zu führen, wo du die Welt siehst, wie es
mein Wille ist.
Denn
ich kenne kein Gedicht und kein Bild in einem Gedichte,
das etwas anderes wäre als eine Wirkung auf dich.
(13)
Es geht nicht darum, dir dies
und das zu erklären - nicht einmal, es dir einzuflüstern,
wie es die Feinsinnigeren glauben, denn es handelt sich
nicht um dies oder das, sondern darum, dich so oder
so werden zu lassen. Aber ebenso wie ich beim Bildhauern
einer Nase, eines Mundes oder eines Kinnes bedarf, um
einen Widerhall zu wecken und dich in mein Netz einzufangen,
so werde ich auch dies und das benutzen, was ich dir
einflüstere oder vor dir ausspreche, damit du anders
werdest.
Denn wenn ich den Mondschein benutze, so bilde dir nicht
etwa ein, dass es beim Mondschein um dich geht. Wohl
geht es auch um dich bei der Sonne oder beim Hause oder
bei der Liebe Es ging überhaupt nur um dich Aber
ich habe den Mondschein gewählt, weil ich ein Zeichen
brauchte, um mir Gehör zu verschaffen. Ich konnte
sie nicht alle verwenden. Und stellt sich das Wunder
ein, dass meine Wirkungen immer vielfältiger werden,
so wie beim Baum, der zu Beginn die einfache Form des
Samenkorns hatte - das nicht etwa einen Baum im kleinen
darstellte -, der aber Zweige und Wurzeln entfaltete,
als er sich in der Zeit ausbreitete. Das gleiche gilt
für den Menschen. Wenn ich ihm etwas ganz Einfaches
mitgebe, das vielleicht ein einziger Satz übermitteln
kann, wird meine Macht über ihn immer vielfältiger
werden; so werde ich diesen Menschen in seinem Wesen
umformen, und er wird im Mondschein, im Hause oder in
der Liebe sein Verhalten ändern.
Deshalb
sage ich von einem Bilde - sofern es ein wirkliches
Bild ist -, dass es eine Kultur bedeutet, in die ich
den Menschen einschließe. Und du kannst mir den
Umkreis, den es beherrscht, nicht umschreiben.
Doch
jenes Netz von Kraftlinien kann auch nur eine schwache
Wirkung auf dich ausüben. Sie kann schon ersterben,
wenn die Seite zu Ende ist. So geht es mit Samenkörnern,
deren Macht fast sofort erloschen ist, und mit Lebewesen,
denen es an Schwung gebricht. Aber es bleibt doch bestehen,
dass du sie hättest entwickeln können, um
eine Welt mit ihnen aufzubauen.
Wenn
ich also sage "Soldat einer Königin",
handelt es sich gewiss weder um das Heer noch um die
Macht, sondern um die Liebe. Und um eine bestimmte Liebe,
die nichts für sich erhofft, die sich vielmehr
an etwas hingibt, was größer ist als sie
er. Und sie adelt und mehrt. Denn dieser Soldat ist
stärker als ein anderer. Und wenn du ihn beobachtest,
wirst du bemerken, wie er der Königin zuliebe auf
sich hält.
Und
du weißt auch genau, dass er keinen Verrat üben
wird, denn er ist davor durch die Liebe gefeit, da er
im Herzen der Königin seinen Platz hat.
Und wenn er in sein Dorf heimkommt,
siehst du ihn voller Stolz, und doch ist er verschämt
und errötet, wenn man - ihn nach der Königin
fragt. Und du weißt, wie er seine Frau verlässt,
wenn er in den Krieg ziehen muss, und dass seine Gefühle
nicht die gleichen sind wie beim Soldaten des Königs,
der sich vor Zorn gegen den Feind nicht zu lassen weiß
und ihm seinen König in den Bauch pflanzen wird.
Aber der andere wird sie bekehren oder auch sie durch
seinen Kampf, der äußerlich der gleiche ist,
für die Liebe gewinnen.
Aber
wenn ich noch mehr sage, erschöpfe ich das Bild,
denn seine Macht ist nur gering. Und ich könnte
dir nicht ohne weiteres sagen, was den Soldaten der
Königin vom Soldaten des Königs unterscheidet,
wenn sie beide ihr Brot essen. Denn das Bild ist hier
nur eine schwache Lampe, die den Augen nur wenig Licht
spendet, obwohl sie wie jede Lampe auf das ganze Weltall
ausstrahlt. Doch eine starke Gewissheit ist ein Samenkorn,
aus dem du die Welt gewinnen könntest.
Und
daher sagte ich dir, dass du es nicht nötig hast,
sobald das Samenkorn erst gesät ist, selbst deine
Kommentare daraus herzuleiten, dir selber deine Dogmen
aufzurichten und dir selber deine Wirkungsmöglichkeiten
auszudenken. Das Samenkorn wird auf dem Fruchtland der
Menschen gedeihen, und deine Diener werden zu Tausenden
daraus hervorgehen.
Wenn
du so dem Menschen mitzuteilen wusstest, dass er der
Soldat einer Königin ist, wird deine Kultur daraus
hervorgehen. Hernach kannst du die Königin vergessen.
Vergiss
nicht, dass dein Satz eine Tat ist.
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