Album Auswahl Index: ''Cesme" Cesme: Seite 1 2 3
 
Verworrene Zeiten - vor der Reise nach Cesme
 

Wohltuender Trost und ungewollte Schwangerschaft

Noch in Deutschland, lernte ich einen Augsburger kennen, der mich verstand und mit dem ich eine schöne Zeit verbrachte, die wie mir schien - gerechtfertigt war. Ich hatte Sehnsucht nach meinem Sohn und nahm mir vor, ihn nach Deutschland zu holen und meine intime Freundschaft mit Kemal zu beenden. Dann bekam ich Gewissheit, dass ich schwanger war. Ich wollte um keinen Preis der Welt weiterhin eine Lüge leben. Ein Leben mit dem jungen Mann war nicht denkbar. Ich wollte, dass Kemal über die Situation im Bilde wäre und versuchte ihn verzweifelt in etlichen Versuchen ans Telefon zu bekommen. Meistens rief ich spät nachts von der Arbeit aus an, wo ich Überstunden machte. Stets war Mehmet am Apparat. Zuerst versuchte er mich zu beschwichtigen. Doch von Gespräch zu Gespräch veränderte sich seine Stimme und eines Tages erklärte er mir, dass Kemal mit den Frauen unterwegs sei, und ich kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Dann sagte er so schnell und leise, dass ich es kaum hören konnte: ''Komm schnell, wir vermissen dich!'' Ich traute meinen Ohren nicht. Ich fragte Mehmet, was er da soeben gesagt hatte - und er sagte: ''Nichts, ich habe nichts gesagt!'' Bestimmt hatte ich mich verhört. In dieser Nacht fuhr ich mit Schmetterlingen im Bauch nach Hause. Die wurden auch in den nächsten Tagen nicht kleiner.

Alles war verworren und ineinander verstrickt. Baris - mein Sohn war in der Türkei bei seinem Vater, der mit Sicherheit versuchen würde, Baris zu entführen, wenn ich einfach so mit ihm nach Deutschland abfahren würde. Es war ein leichtes, die Grenzen zu informieren und zu behaupten, ich würde das Kind unrechtmäßig mitnehmen. Davor fürchtete ich mich sehr. Und ich war schwanger. Ich wußte, dass ich eine zweite Geburt nicht so einfach überstehen würde. Aber ich wollte auch keinen Schwangerschafts- Abbruch mehr.

 

Ein ungewöhnlicher Traum und
Gespräch mit meinem ungeborenen Baby

Da kam ich eines Abends auf die Idee, mit dem Ungeborenen Wesen in mir zu sprechen. Ich legte meine Hände auf meinen Bauch und sagte Völlig unsicher und vorsichtig: ''Ich möchte dir gerne etwas sagen. Ich habe Angst, das spürst du. Und wenn ich die Augen schliesse und die Angst beiseite lasse, dann spüre ich, wie lieb ich dich habe. Aber wenn ich die Augen wieder aufmache, dann wird mir Angst und bang. Dann weiss ich, dass das nicht gut gehen kann. Ich habe kein Geld, keine Mittel, um dich großzuziehen. Du weißt sicher, wie schwierig es schon für meinen ersten Sohn Baris ist. Kemal ist kein Vater, wie er im Bilderbuch steht und er hat auch keine Lust, sich mit Kindern groß abzugeben. Und dein Vater ist auch noch viel zu jung. Er hatte Sehnsucht nach jemand, der ihn in den Arm nahm und ihn für einen Moment verstand. Und als wir beide in diesem unbewußten Augenblick zusammen waren, da hast du deine Chance gesehen und bist hereingehuscht.

Das kann ich gut verstehen. Ich hätte es bestimmt auch so gemacht!'' Ich spürte, wie es warm in mir wurde - so als ob dieses Wesen in mir mich umarmte. Ich sprach weiter: ''Aber wie ich es auch drehen und wenden mag, ich finde keine Lösung, die für eine unbeschwerte Kindheit für dich sprechen würde. Und so stehe ich nun vor dir - und bitte dich von ganzem Herzen: ''Brich deine Zelte hier bei mir ab! Bitte geh wieder fort!''

Tränen stiegen mir in die Augen. Ich spürte große Liebe in mir aufsteigen. ''Ich weiß nicht, was das Leben noch bringen wird - vielleicht kannst du zu einem anderen Zeitpunkt bessere Bedingungen bei mir vorfinden, vielleicht findest du eine andere Zuflucht! Wenn es dir möglich ist, und du mich verstehst, dann mach es uns beiden bitte nicht so schwer und geh wieder fort! Ich liebe dich - das sollst du wissen! Aber ich weiss nicht, wie ich diese Situation meistern soll!''

Dann war Stille. Und ein fast feierliches Licht durchflutete den Raum. Es vergingen ein paar Tage und ich bekam das Gefühl, dass es dumm von mir gewesen sei, mit meinem ungeborenen Baby im Bauch so geredet zu haben, wie mit einem erwachsenen Menschen. In der Nacht des dritten Tages hatte ich plötzlich einen sehr klaren Traum: ein Mann kam zu mir. Er hatte lange, fast schwarze Haare, war großgewachsen und sah mich voller Liebe in seinen Augen an. Er umarmte mich und wirbelte mich eine Weile im Kreis, dass meine Beine in der Luft flogen, dann setzte er mich wieder ab und sagte: ''Ich liebe dich! Ja, ich liebe dich so, dass es egal ist, was passiert. Ich werde immer bei dir sein, ganz egal, was passiert. Du weißt, dass du eine große Wunde an deiner Fussfläche hast. Die hast du schon seit 7 Jahren. Und sie blutet sehr stark!'' Seine Liebe strahlte und schien grenzenlos. Ich kannte diesen Mann und konnte mich doch nicht erinnern, wer er war. Ich schaute meinen Fuss an und sagte: ''Aber da ist doch gar nichts!'' Er wiederholte das, was er gesagt hatte noch einmal klar und deutlich. Ich schaute am anderen Fuss nach - und da war auch nichts. ''Sie unten nach!'' Ich drehte meinen Fuss - und da erschrak ich sehr. Die ganze Fussohle war blutrot und da klaffte eine Wunde, die mich an eine Vagina erinnerte. Und als ich aufblickte, war der Mann verschwunden.

Als ich am morgen erwachte, wunderte ich mich sehr über meinen Traum. Ich ging auf die Toilette und wollte spülen. Da sah ich, dass ich das Kind verloren hatte. Ich blutete sehr stark. Ich ging in mein Zimmer und weinte und bewarf mich mit Selbstvorwürfen. Dann fuhr ich zur Arbeit. An diesem Tag blieb ich nicht lange. Die Sonne ging gerade unter, als ich mit der S-Bahn nach Hause fuhr. Als die Sonne gerade hinter dem Horizont versinken wollte, da sah ich das Gesicht einer jungen Frau vor mir und hörte eine Stimme in mir sagen: ''Ich liebe dich - das sollst du wissen! Ich habe dich nun verlassen, wie du mich gebeten hast, weil ich dich liebe. Ich werde dich immer lieben - vergiss das nie!'' Die letzten Sonnenstrahlen verloschen und ich war in Tränen erstickt.

Die nächsten Tage rief ich in der Türkei an, um Mehmet zu sagen, dass ich in die Türkei unterwegs sei. Er freute sich wie ein kleines Kind.
Am Hauptbahnhof sah ich vor dem Abflug in die Türkei zwei wunderschöne Ringe. Ich kaufte sie und dachte bei mir: ''Warum kaufst du sie, wo du doch mit Kemal brechen willst!?''

Dann flog ich nach Istanbul und von dort aus fuhr ich in einem der komfortablen Ulusoy-Reisebusse direkt nach Izmir. Von dort aus nahm ich mir ein Dolmus nach Cesme. Das ist ein Sammeltaxi-Bus, der so lange wartet, bis er voll ist. Die meisten Leute fahren auf diese Weise, da die Tickets sehr preisgünstig sind. Deshalb dauert es nicht lange, bis so ein Kleinbus voll ist.
 

In Cesme

Ich hatte in Deutschland ein Hauszelt gekauft, das schleppte ich auch mit. Als ich am Camp ankam und mich von den ersten Strapazen der langen Reise im Bus von Istanbul bis hierher erholt hatte, konnte ich mich an der Schönheit der Natur, die mich hier ringsum umgab kaum satt sehen. Das Wasser war glasklar - wie ein Licht-Kristall - mit einem sanften Blauschimmer und das Wasser wurde nur sehr langsam tiefer, so dass man sehr lange in diesem herrlichen Blau waten konnte, bis man in tieferes Wasser kam. Es war eine weite Bucht, um die man auf schmalen Pfaden lange herumwandern konnte... es lag ein herrlich süßer Duft in der Luft.

Gleich am ersten Tag steckte ich freudestrahlend Kemal einen der beiden Ringe an den Finger. Ein Stich durchfuhr mich und ich fragte mich erneut: ''Warum tust du das?, du wolltest Kemal doch klar machen, dass sich die Wege nun trennen!'' Ich sagte mir, dass ich Kemal eben noch immer liebe. Das mochte wohl stimmen, aber ich spürte, dass ich mir in Punkto unserer Beziehung etwas vormachte. Ich litt sehr darunter, noch immer mit Kemal zusammenzusein. Dann sah ich Mehmet und miene innere Zerrissenheit war perfekt.

Mehmet fuhr für ein paar Tage fort. Dann besuchte ihn Kemals Schwester, mit der er ein paar Monate gemeinsam verbracht hatte. Ich musste all meine Kraft zusammennehmen, wenn ich Mehmet mit ihr sah. Ich sagte mir dann immer, dass ich keine Berechtigung hätte so zu fühlen und fand mich mit meiner Situation ab. Die Frau fuhr wieder fort.
Es gab eine Diskothek am Platz. Dort verbrachten wir einen gemeinsamen Abend. Mehmet stand hinter dem Tresen. Er mußte ausschenken. Eine große blonde Deutsche, machte sich an Mehmet ran. Ich wußte nicht was ich tun sollte und küsste in meiner Verzweiflung Kemal. ''Ich kann das auch - wollte ich vermutlich damit sagen - und meine Eifersucht damit überdecken. Aber ich fühlte mich schlecht. Und ich hatte nicht den Mut, Kemal zu sagen, dass ich nicht mehr wollte. Da eröffnete ich ihm, dass ich in Deutschland einen anderen Mann geliebt hatte und schwanger gewesen sei. Ich hoffte, dass er mich dann verwerfen würde und ich frei sei. Aber Kemal reagierte anders als erwartet. Er wollte mit mir schlafen und miente, er müsse mir weh tun, damit ich miene Strafe hätte. Ich liess es geschehen und fühte mich nicht mehr.

Eines Tages, als es wieder einmal zu einem Streit zwischen mir und Kemal kam, und meine Verzweiflung, dass ich nicht von ihm wegkam eskalierte, lief ich in die sanften Fluten des Meeres, riss mir den Ring vom Finger, warf ihn in hohem Bogen - so weit ich konnte von mir und rief: ''Da hast du deine Verlobung! Ich will diese Lüge nicht mehr leben!'' Und ein starker Stromschlag durchfuhr mich. Ein türkischer Freund von uns, der auch auf dem Campingplatz wohnte, zeigte mir ein paar Tage später ein Foto, auf dem der Strand darauf zu sehen war und das Meer ein paar Augenblicke nachdem ich das Wasser wieder verlassen hatte. Über dem Meer war alles voller violettroter Linien die unruhig am Himmel hin und her fuhren. Sie sahen aus, als hätte sie jemand mit dem Stift aufgemalt - aber auch auf dem Negativ waren diese Striche zu erkennen. Er sagte, er habe mich dort draussen wüten gesehen und wollte es auf dem Foto festhalten.
Da spürte ich, dass meine erste Loslösung von Kemal vom Himmel begleitet worden war.

Einige Monate verbrachte ich mit Kemal, Baris und Mehmet dort. Meine Beziehung zu Kemal gestaltete sich zunehmends schwieriger. Da Kemal sich kaum um Baris und mich kümmerte, ging Mehmet mit mir und Baris oft ganze Nachmittage lang am Strand spazieren - oder wir setzten uns in eine abseits entlegene Lagune und führten lange Gespräche über das Leben, Gott und die Welt...

 

Album Auswahl Index: ''Cesme" Cesme: Seite 1 2 3