Abenteuerreise 2004
per
Anhalter von Deutschland in die Türkei -
Seite 1
Mittwoch,
12. Mai 2004
Erster
Tag
Deggendorf
- österreich, kein Weiterkommen
Wir
sind sehr aufgeregt. Wir verabschieden uns von unseren lieben Nachbarn
Sylvia, Harald und Kathrin. Um die Reise mit dem richtigen Segen
zu beginnen, schüttet uns Sylvia vor unserem Abmarsch Wasser
hinterher. Diesen herrlichen Brauch haben wir den Türken abgeschaut.
Und es hat - so wollen wir glauben - schon so manches Wunder bewirkt.
In der Türkei sagt man, dass das Wasser den Weg reinige. Aberglaube
hin oder her - in allen Mythologien wird Wasser mit Reinigung und
Klärung gleichgesetzt. Das gefällt uns. Es hat etwas Ermutigendes.
Mein
Freund und ich laufen mit unseren schweren Rucksäcken die zwei
km von der Wohnung bis zur Autobahn. Dort warten wir zwei geschlagene
Stunden, dann gehen wir zu einer anderen Autobahnausfahrt. Auch
dort warten wir fast eine Stunde, bis uns eine Gardinenschneiderin
aus der Möbelbranche mitnimmt. Wir sind heilfroh, dass wir
endlich hier wegkommen. Wir fahren mit ihr bis kurz nach der österreichischen
Grenze. Wir haben das Gefühl, dass die arme Frau uns eigentlich
am liebsten gar nicht mitgenommen hätte. An den Gesprächen
merken wir, dass sie während der ganzen Strecke Angst hat.
Sie wirkt sichtlich erleichtert, als sie uns verabschiedet. Aber
der Parkplatz, an dem wir aussteigen, ist fast menschenleer.
Wie
zufällig steht ein einsamer türkischer LKW dort. Ich überwinde
meine Scheu und gehe zu ihm hin. Der Fahrer ist aus Bolei, kurz
nach der Grenze von österreich. Er erklärt sich bereit,
uns mitzunehmen, wenn er sich ausgiebig ausgeruht hat. Wir warten
ca. 1 1/2 Stunden, dann fahren wir über Himmelreich, Meggenhofen,
Freindorf, St. Valentin, Winden, St. Pölten. Wir erkennen zu
spät, dass wir an der besten Raststätte vorbeigefahren
sind. Jetzt befinden wir uns auf der falschen Autobahn. Der Mann
nimmt uns mit bis Alland. Dort kommen wir um 20.30 Uhr an. Es ist
schon sehr dunkel, deshalb beschließen wir, hier erst mal
zu übernachten und suchen uns einen Platz, wo wir unser kleines
Domzelt aufbauen können. Aber hier ist Naturschutzgebiet und
wilder Wald und auf einem Schild an einem Platz, von dem aus ein
Feldweg Richtung Wald führt, lesen wir: "Zelten verboten".
Wir laufen weit, den Feldweg zum Wald und steil bergauf. Aber es
gibt keine Möglichkeit, ein Zelt aufzustellen. überall
wächst sehr hohes Gras. So im Dunkeln ist uns das im Moment
noch zu viel Aufwand. Wir gehen wieder zurück, legen im Dunkeln
unser Zelt wie eine Unterlage auf einem frisch gemähten Feld
aus und schlafen unter freiem Himmel wie kleine Kinder.
Die
Nacht ist sternenklar. Wir sind glücklich und schlafen selig
ein. Gegen 1.00 Uhr Nachts erwachen wir. Der Himmel ist tief von
schwarzen und schweren Wolken behangen. Meine Füße schmerzen,
meine Haut brennt, ich habe schlimmen Muskelkater. Wir erwägen,
ob wir doch das Zelt aufstellen sollten, sind aber zu müde
und schlafen wieder ein. Gegen 2.00 Uhr Nachts erwache ich zum zweiten
Mal. In der Nähe durchschneiden zackige Blitze das Dunkel der
Nacht. In allen vier Himmelsrichtungen scheint schweres Gewitter
zu sein. Ich wecke meinen Freund. Wir stehen auf, wollen das Zelt
aufstellen - und merken erst jetzt, dass wir offensichtlich die
falschen Zeltstangen dabei haben. Aber wir haben ja zum Glück
ein zweites Zelt dabei. Aber auch da wollen die Zeltstangen nicht
passen. Also packen wir zusammen. Mein Freund ist zum ersten mal
so unterwegs. Er packt im Schneckentempo seinen Schlafsack zusammen,
immer wieder misslingt es ihm, das Bündel zuletzt in den für
den Schlafsack vorgesehenen Beutel zu stecken. Es fängt an
zu tropfen, Blitze durchzucken grell die Nacht. Ich mahne meinen
Freund zur Eile, erkläre ihm, dass er den Schlafsack einfach
so in den Beutel stopfen soll, ohne ihn akribisch zusammenzuwickeln.
Aber er grollt, "dass er doch nicht umsonst so einen teuren
Schlafsack gekauft hat, damit er ihn jetzt so einfach in den Beutel
stopfe". Der Regen wird stärker, der Sturm kommt auf.
Ich kann es nicht fassen. Mein Freund ist noch immer dabei, seinen
Schlafsack zusammenzurollen... Ich schalte innerlich auf "EGAL"
und warte, denke mir, dass er schon noch merken wird, dass es auf
solchen Abenteuertouren manchmal anders funktionieren muss. Man
muss in der Lage sein, zu improvisieren und auch mal die Sturheit
bei Seite lassen können. Ich warte... bis mein Freund fertig
ist. Und ich kann es kaum glauben, aber der Regen hat aufgehört.
Dennoch bin ich ziemlich geladen. Aber ich denke mir, dass es wohl
auch sein kann, dass ich eine Lektion darin machen soll, dass man
mit STOISCHER Ruhe auch ans Ziel kommt... (grins)
Donnerstag,
13. Mai 2004
Zweiter
Tag
österreich
Alland - Wien
Wir
stellen uns an den Allander Rastplatz und fragen LKW-Fahrer, ob
sie uns mitnehmen. Aber Fehlanzeige. Wir trinken bis 6.00 Uhr früh
insgesamt sechs Pfefferminztee in der Raststätte. Dann fragen
wir wieder bei PKWs und LKWs, gehen viel herum, warten und stehen
uns die Füße in den Bauch. Meine Füße sind
wundgelaufen. Wieder sitzen wir bis 8.00 Uhr in der Raststätte,
gehen herum, fragen bei jeden Fahrzeug, das in die Tankstelle hereinkommt.
Um 9.30 Uhr gehen wir auf die andere Autobahnseite hinüber
- zum großen Rosenberger Rasthof. Dort rettet mein Freund
ein Riesen Nachtpfauenauge mit ca. 20 cm Spannbreite. Er setzt ihn
auf einen Blumenstrauß, der zum Verkauf dasteht. Ein Türke
hatte ihn in die Tankstelle gebracht und gefühllos auf den
Tresen geworfen. Mein Freund holte mich aufgeregt und wir setzten
den großen Schwärmer gemeinsam auf die Wiese. Nach ein
paar meditativen Minuten fliegt er zu unserer großen Freude
davon. Er hebt sich und wir sehen seine wirklich starken Schwingen.
Er wirkt fast so stark, groß und kräftig wie ein richtiger
Vogel. Ein wahrhaft majestätischer Anblick.
Wir
überlegen, was diese Begegnung uns hätte sagen können.
Aber wir haben keine Idee. Ich will den Nachtfalter fotografieren.
Bei dieser Gelegenheit entdecke ich, dass meine tolle Kamera gar
nicht funktioniert. Ich hatte das besondere Stück bewusst entgegen
allen Befürchtungen für die Reise ausgewählt, weil
ich diesmal ganz besondere Fotos machen wollte...
Wir
fragen die LKW-Fahrer auf diesem Rastplatz. Aber sie fahren alle
in die andere Richtung. Also gehen wir wieder auf die andere Seite
zurück. Auch dort ergibt sich nichts. Viele Ungaren machen
Rast - aber keiner will uns mitnehmen. Viele Autos sind restlos
überfüllt.
Wir
beginnen uns wegen übermüdung und überforderung zu
streiten - und entschließen uns, zu Fuß mit dem schweren
Gepäck nach Alland zu gehen, um dort eine Pension zu finden,
wo wir uns erst einmal ausruhen wollen. Es sind 5 km Fußmarsch.
Aber in Alland ist es überdimensional teuer und alle Pensionen,
die für uns in Frage kommen könnten, sind geschlossen.
Wir gehen zur Allander Gendarmerie, um uns dort weiterhelfen zu
lassen - aber dort ist niemand anzutreffen!
Wir
gehen wieder zurück. Ich kann kaum noch laufen, kaufe mir in
einem Supermarkt Niveacreme und creme meine Füße ein
- aber es nützt nichts. Wir gehen die 5 km wieder zurück
zum großen Rosenberger Rastplatz auf der anderen Autobahnseite.
Dort haben sich Trucks aus der Türkei von der Firma Ulusoy
und Kökova angesammelt. Aber sie fahren Richtung Deutschland
oder sie haben keine Lust uns mitzunehmen.
Der Tankwart - auch er ist Türke - will uns für 100 €
an die Ungarische Grenze fahren. Er sagt, wir sollen uns derweil
ins Fernfahrerstübchen setzen, bis er Feierabend macht. Ich
bin zu müde, verstehe auch nicht richtig, wie er das meint.
Ein Platzregen verhindert, dass wir uns einfach am Rand der Tankstelle
ins Gras fallen lassen könnten. Der Körper schmerzt. Ich
frage LKW-Fahrer aus der Türkei, welche Route sie nehmen.
Jetzt
haben wir drei Möglichkeiten: Griechenland, Italien, Yugoslavien.
Langsam bin ich so entkräftet, dass nichts mehr geht. Ich will
telefonieren, um eine günstige Pension zu erfragen. Der Tankwart
zeigt erneut in den Tankstellen-Shop. Wir sollten uns doch in die
Fernfahrerstube setzen. Jetzt erst verstehe ich - und kann es kaum
glauben. Da gibt es tatsächlich eine herrlich gemütliche
Stube - selbstverständlich' geheizt - mit Tischen, Stühlen,
TV und zwei wunderbaren Sprüchen an der Wand:
AUSDAUER
"Im Leben gewinnen nicht die Schnellen, sondern die Ausdauernden"
LEISTUNG
"Die einen Leute träumen von der herausragenden Leistung,
während andere wach sind und sie vollbringen"
Wenn
wir das gewusst hätten, hätten wir uns die Steherei im
Regen an der Tankstelle auf der anderen Seite der Autobahn sparen
können und hätten hier gemütlich die LKW-Fahrer gefragt.
Hier
trinkt mein Freund dann seinen ersten Kaffee - nach Jahren - vermute
ich mal. Und ich esse viel zu viele Nüsse und Rosinen. Ein
Durchfall braut sich in meinem Bauch zusammen. Wir überlegen,
ob wir doch noch in die Pension gehen sollten, die wir auf dem Schild
von Alland gesehen hatten. Drei km Entfernung vom kleinen Allander
Rastplatz. Ich frage die Tankwärtin nach einer günstigen
Bleibe. Sie weiß natürlich` sofort etwas supergünstiges`.
Erst als es zu spät ist, merken wir, dass die österreichischen
Tankwärter mit den Türkischen Tankwärtern zusammenarbeiten
und uns übers Ohr hauen. Sogar die Chefin spielt mit. Wir werden
für 10 € in einen Ort gefahren, der genau 2,5 km entfernt
ist. Man hatte uns gesagt, dass es 15 km seien! Und wir zahlen jeder
27 € für die übernachtung in einer billigen Absteige.
Es muffelt nach Schimmelpilz und faulen Socken. Die Teppiche und
Möbel sind uralt und schäbig. Wir sind sehr traurig darüber,
dass wir dieses abgekarterte Spiel nicht erkannt haben. Vermutlich
nehmen wir diese Situation sehr persönlich, weil wir nervlich
und körperlich so erschöpft sind - und uns die kurze Nacht
kaum Linderung brachte. Mein Muskelkater blüht und meine Füße
brennen wie Feuer.
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