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Regenbogen-Linie
Abenteuerreise 2004

per Anhalter
von Deutschland in die Türkei - Seite 5

Regenbogen-Linie

Montag, 17. Mai 2004
Sechster Tag

Rumänische Grenze - Karpaten - Bucarest

Am nächsten Tag erwache ich schon um 6.00 Uhr, lasse meine Gedanken schweifen. Um 7.30 Uhr wecke ich meinen Freund. Unsere Sachen sind noch so nass wie am Abend und wir müssen sie nass einpacken. Die Rucksäcke sind dadurch noch schwerer. Wir setzen uns in die LKW-Stube, trinken Tee und warten gespannt auf den Chef. Der lässt sich aber erst um 8.15 Uhr blicken. Wir sind nervös. Ein Bus ist schon gefahren. Der Chef macht keine Anstalten, uns wegen dem Bus anzusprechen, unterhält sich mit seinem Personal.

Gendarme machen uns "das Leben schwer" -  © www.ced-g-lacognata.itZuletzt sprechen wir ihn an. Er wirkt angespannt, lässt uns aber von einem seiner Mitarbeiter zum Bus begleiten. Die Haltestelle ist direkt gegenüber vom Motel. Wir warten eine Weile auf den Bus, der Verspätung zu haben scheint. Ein Platzregen durchweicht uns fast bis auf die Knochen. Die Leute geben uns zu verstehen, dass der Bus kommt. Gleichzeitig kommt die Gendarmerie angerauscht. Wir sollen unsere Pässe abgeben. Die Beamten kontrollieren sie besonders gründlich. Eine Frau fordert sie aufgeregt auf, dass sie uns die Pässe zurückgeben sollen, weil der Busfahrer schon drängt. Wir würden sonst den Bus verpassen. Sie geben uns die Pässe widerwillig zurück. Wir rennen erleichtert zum Bus. Da steht der Busfahrer auf, streckt den Kopf vor und bedeutet uns bestimmend auf Rumänisch: "Ich nehme euch nicht mit - ich habe keinen Platz mehr!" Die Frau, die vorher schon die Beamten für uns bearbeitet hatte, will uns auch hier helfen. Aber es kommt ein hartes "Nein" zurück. Das ist ein harter Dämpfer. Wir fühlen uns absolut demotiviert. Ich könnte heulen.

Mit hängenden Köpfen gehen wir wieder zurück zur LKW-Stube. Ich kann es kaum glauben. Mein Freund meint, dass wir es trotzdem mit Trampen versuchen sollten. Ich mache ihm klar, dass das auch zur Ausweisung aus dem Land oder sogar zur Verhaftung führen könnte.

Der Chef vom Europark sieht unsere Verzweiflung und reagiert ergriffen. Er versichert uns, dass er heute noch einen LKW nach der Kleinstadt Arad, das 3 km von hier entfernt liegt, finden würde. Ein LKW kommt gerade von der Grenze. Ich gehe hin, es ist niemand da. Der Chef geht zum Fahrer hin, als der die Stube betritt. Wir sind inzwischen sehr angespannt und fast bereit aufzugeben. Aber der Fahrer sagt tatsächlich zu! Er würde gleich weiterfahren wenn er seinen Tee getrunken hat. Wir fühlen uns höchst erleichtert.

© www.klausmenge.de/Rumanien/RUM2.jpgDer Fahrer ist Kurde und hat eine sehr angenehme, offene Art. Auf unsere Frage, wie weit er uns mitnehmen will, erklärt er uns, dass er uns in Arad aussteigen lassen würde. Er sieht sehr übermüdet aus. Wir sind sehr angespannt. Mein Freund meint, ich solle ihn fragen, ob er nicht doch bereit wäre, uns weiter mitzunehmen. Zögernd erkläre ich dem Fahrer, dass wir auch bereit wären, zu warten, bis er ausgeschlafen hätte. Oder dass wir ihm die Strecke bis Bukarest bezahlen würden. Er will kein Geld nehmen. Er sagt, dass er sehr gerne bereit wäre, uns weiter mitzunehmen, dass aber seine Firma fremde Beifahrer nicht erlaubt und dass ein weiterer Fahrer auf der Strecke sei, der seinem Boss mit Sicherheit Meldung machen wird, wenn er ihn mit uns sieht. Deshalb würde er uns auf jeden Fall in Arad aussteigen lassen. Mein Freund und ich überlegen fieberhaft nach einer Lösung.

©  Regina F. RauWir unterhalten uns über die Türkei, über die Europa-Vereinigung, über den Glauben, die Türken und Rumänien. Leider versteht mein Freund wieder nichts und meine Übersetzung kann ihn auch nicht motivieren, an unserem Gespräch teilzunehmen. Der Fahrer spricht ihn auch mal direkt persönlich an. Mein Freund reagiert überhaupt nicht. Er fragt ihn, warum er nicht mit ihm spricht. Mein Freund sagt nichts. Ich frage meinen Freund, warum er nicht antworten will. Mein Freund sagt, er habe nicht gemerkt, dass er angesprochen worden sei. Aber er schweigt weiterhin. Ich fange an, vor Aufregung zu schwitzen. Zuletzt sage ich dem Fahrer, dass mein Freund sich vor Menschen fürchtet. Jetzt ist mir wohler. Und mein Freund nützt die Zeit, um sich zu entspannen.

© Regina F. RauEr erklärt uns, dass die Menschen durch Causescu hier in Rumänien zum ersten Mal in den Besitz eines kleinen Häuschens gekommen seien. Causescu habe sehr viel für sein Volk getan. Heute seien die Häuser aber inzwischen alle baufällig und die Menschen hätten kein Geld, um zu reparieren. Sie könnten das Geld einfach nicht zusammenhalten und nicht bis zum nächsten Morgen denken. Unser Fahrer sagt, wenn man einem Rumänen heute 100 Euro schenken würde, so würden sie sofort damit in die Disko rennen, tanzen und trinken und alles "auf den Kopf hauen". Und am nächsten Morgen wüssten sie wieder nicht, wovon sie ihre Kinder ernähren sollten und ihre Mieten bezahlen...

Diese Worte hören wir später in Rumänien noch sehr oft auch von anderen Leuten.

Während unserer Gespräche merke ich, dass uns unser Fahrer gerne noch eine Zeit länger mitnehmen würde. Und richtig, kurz vor Arad erklärt er, dass wir uns nun auf der Umgehungsstraße von Arad befinden und es für uns viel zu weit wäre, zu Fuß in die Stadt zu gehen. Er würde uns deshalb noch bis Sibiou mitnehmen.

Felder und weite Ebenen, so weit das Auge reicht - © Regina F. RauDie Natur in Rumänien scheint fast unberührt. Überall grünt es satt. Dichter geheimnisvoller Wald und weite pastellfarbene Felder laden zum Wandern und zu Erkundungsgängen ein. Die Landschaft wirkt aufgeräumt - die Natur noch urtümlich und wild. Die Felder sprühen vom Licht der Blumen und Kräuter. Es ist unglaublich grün um diese Jahreszeit! Wir machen Rast bei einem Türkischen Café. Mein Freund kauft sich für sechs Euro drei Äpfel und vier Orangen. Das sind wirklich "Hammer"-Preise. Wir merken schon, dass die Rumänen keine Chance ungenützt lassen.

Wir sind kurz vor Deva. Gleich hinter Deva macht der Kurde Halt. Hier will er uns aussteigen lassen. Er erinnert sich, dass bei Sibiou eine Umgehungsstraße ist, von der aus wir wieder sehr lange zu Fuß in die Stadt gehen müssten. Er will ein Taxi für uns rufen. Ich erkläre ihm, dass das nicht nötig ist und wir überglücklich sind, dass er uns bis hierhin mitgenommen hat. Wir schreiben ihm unsere Adresse auf - für einen eventuellen Besuch bei uns in Deutschland. Dann verabschieden wir uns kurz aber herzlich und marschieren los.

Arm - und Reich - in Rumänien ein Unterschied wie Tag und Nacht - © www.troniu-dk/photo/romania/640x0/040110ro11.jpgRumänische Plattenbauten © www.treck-online.de/liveDie Stadt ist voll von super ärmlichen Gebäuden ohne Verputz, ohne Fassaden. Alles ist verwahrlost. Überall sitzen völlig verarmte Zigeuner in Lumpengewändern herum. Und immer wieder gehen wir an OVM-Tankstellen vorbei, die den Eindruck machen, als seien sie von "Marsmenschen" hier aufgestellt worden. Weil ich dringend auf die Toilette muss, nehme ich die Gelegenheit wahr, mir eine solche Tankstelle von innen anzusehen. Wahnsinn! Der Verkaufsladen ist mit einer unglaublich teuren Ausstattung prunkprotzig eingerichtet. Am Boden spiegelt sich alles. Rundherum ist es blitze blank. Man könnte vom Boden essen. Blinke blanke supermoderne Tankstellen-Inventur erinnert eher an Schweizer Banken. Blitze blanke Tankstellenwärterinnen in Uniform bedienen die Kunden. Die Toilette ist eingerichtet mit hochmodernster Sanitäranlage, Bidet, Toilette und Männerpissoir - auch alles Meister Proper gereinigt, strahlend weiß und spiegelblank. Alles ist mit modernster Elektronik gesteuert. Die Toilettenbrille wird gereinigt, das Wasser automatisch abgesaugt, etc. etc.

© www.tabibito.de/balkan/norimono.jpgIch komme wieder auf die Strasse. Dort empfängt mich das schreiende, krasse Gegenteil! Dreck, Lumpen, Armut, Hungrige Augen, streunende, verwahrloste Hunde.

Der Bahnhof ist kaum 5 Minuten von der Stelle entfernt, wo wir den LKW verließen. Wir sind sehr erleichtert. Wir zahlen für die Fahrt nach Bukarest zusammen 874.000 Lei. Vorher gehen wir noch Geld auf der Bank wechseln, die sich vor dem Bahnhof befindet. Auch hier ist alles blitzsauber und vornehm eingerichtet. Und selbstverständlich gehen hier nur die "vornehmen" Leute ein und aus.

Wir entdecken einen Laden, der richtig sattgelbe Bananen im Pfannenkuchenlook (braune Sprenkel) anbietet. Uns läuft das Wasser im Mund zusammen. Mein Freund kauft gleich zwei Kilo für 70.000 Lei. Wir kaufen für jeden noch zwei kleine Tüten Haselnüsse und zwei kleine Tüten Rosinen zu je 10.000 Lei.

In Rumänien werden viele Züge noch von alten Loks gezogen - ein herrlich nostalgisches Reisegefühl ! © www.bahntouristik.de/040826/episcopia-bihor.jpg©  www.schienenstrang-nach-osten.de/ukraine/2003/0503.jpgDann gehen wir wieder zum Bahnhof und stellen uns an den Schalter, um ein Ticket zu kaufen. Ein Mann bittet uns mit lieben eindringlichen Gesten - und macht "Hundeaugen", damit wir ihn vorzulassen. Wir sind unsicher, weil unser Zug in wenigen Minuten abfahren wird, lassen ihn aber trotzdem vor. Endlich halten wir unser Ticket in den Händen. Wir bezahlen 1250.000 Lei für uns beide. Abfahrt ist um 16 Uhr von Sibou-Turcia nach Bukarest. Es gibt acht Bahnsteige. Wir fragen einen Infomann. Der reagiert sehr aggressiv auf uns, nachdem wir ihn nicht sofort verstanden hatten und noch mal nachfragten. "Um 3 Uhr, verdammt noch mal!" schreit er. Also hat ‚er' unsere Frage nicht verstanden. Das wiederholt sich zwei Mal. Leicht entmutigt fragen wir andere Leute. Aber auch diese scheinen unsere Frage nach dem Gleis nicht zu verstehen. Auch Kinder lachen über uns - vor allen Dingen über die langen Haare meines Freundes. Ich mache sie nach. Da werden sie verlegen. Zuletzt zeigen uns ein paar ältere Frauen, die unsere Verzweiflung sehen, das richtige Gleis. Und da dampft auch schon der Zug heran. Er wird noch von einer richtig alten Dampflok gezogen! Das stimmt mich ungemein romantisch und ich freue mich schon wie ein Kind auf die Fahrt. Eisenbahn fahren! So richtig wie früher, mit dem Originalgeräusch: "tacketack - tacketack…

Wir sind glücklich. Im Zug ist es sehr gemütlich. Der Schaffner ist perfekt angezogen, das WC funktioniert einwandfrei, das Abteil, in dem wir sitzen ist reiner Luxus. Hier treffen wir wieder auf den Wohlstand, den sich die meisten hier gar nicht leisten können. Immer wieder werden wir mit dem krassen Schnitt zwischen Armut und Reichtum konfrontiert. Mittelschicht scheint es hier nicht zu geben.

Spielplatz von Kindern - Manche Wracks dienen aber auch als Schlafstätte - © www.alois-burkard.ch/DSC07039.jpg© Regina F. RauMenschenlose Landschaften fliegen an unserem Fenster vorbei, getränkt in das satte Grün wogender Getreidefelder, Wiesen und Wälder - vorbei an völlig verarmten Dörfern. Der Anblick von Häusern mit schiefen Dächern und breit klaffenden Rissen in den Wänden, teils ohne Türen und auch schon mal total windschief - macht betroffen. In demontierten, ausgebrannten alten Zugwaggons scheinen Menschen zu leben. Andere hausen auf zerbrochenen und windschiefen Pferdewagen oder wühlen in Müllsäcken... Bettelarme Kinder sprechen uns im Zug an - ein erwachsener Mann treibt sie an. Es gibt Dörfer, die scheinbar nur von Cengisen (Zigeunern) bewohnt sind.

Die Häuser sehen aus wie Würfelquader, 2 mal 2 Meter im Quadrat, das Dach ist oben offen. Im Abstand von 1,5 Metern darüber ist ein Ziegeldach angebracht.

Weite Ebenen und freie Tiere - wohin das Auge schaut - © http://images-inessential.com/sheila/romania/BuffaloGreeting.jpg Herrliche Gebirgswelt in Rumänien - © sanktuarium-de_karparten_k

Wieder fahren wir vorbei an weiten Ebenen und sanften Hügeln, voll mit blumendurchwogten Kräuterwiesen, auf welchen große Herden von freilaufenden Kühen und Pferden friedlich nebeneinander grasen. Herrliche Landschaften fliegen vorbei, groteske Berge und Hügel, die an die Landschaften Chinas erinnern.

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