Regina's Abenteuer-Reisen
Türkei - Türkiye
Istanbul 1994
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Immer,
wenn ich über die Bogazici Köprüsü - die berühmte
Brücke, die den Europäischen mit dem asiatischen Kontinent verbindet,
fühle ich mich, als würde ich von einer Zeit in eine andere
hinein fahren. Eines Tages, als ich nachts allein aus Deutschland mit dem Bus angereist kam, sah ich mich wie aus großen Höhen in dem hell erleuchteten Bus sitzen, der sich wie ein Glühwurm im dunklen All wirlte, der mich von einer Zeit in eine andere fuhr... Wir sitzen in Zügen, schnellen Autos und Flugzeugen, um uns fortzubewegen - wir bewegen uns dabei schneller, als wir es könnten, wenn wir zu Fuß gingen. Diese Zeit sind wir dann scheinbar der Zeit, die wir auf dem Fußweg gebraucht hätten voraus. Manchmal frage ich mich, ob wir diese Zeit nicht auf anderem Wege wieder hereinholen müssen. Ich mache mir Gedanken darüber, ob der ungeheure Leistungs- und Zeitdruck, in dem wir heute leben - nicht auch von dieser bisher kaum berücksichtigten Tatsache seinen Ursprung hat... Ich finde diese Zusammenhänge zumindest immer sehr erstaunlich und spannend. |
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Die Bosporus-Brücke | ||||
Die Brücke am Bosporus |
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Das natürliche Kind des Florentiner Notars Ser Piero und eines Bauernmädchens Caterina ließ Sultan Beyazit II. im Jahre 1502 den Entwurf für eine dreihundertfünfzig Meter lange Brücke über das ''Goldene Horn'' vorlegen. Man könnte, stand in dem Schreiben, auch daran denken, eine Zugbrücke über die Gewässer des Bosporus zu errichten, um zu Fuß nach Anstalten zu gelangen. Beyazit 11. ließ die Gelegenheit vorübergehen, ein Weltwunder zu erbauen. Er baute eine Moschee zum Lobe Allahs und wurde von seinem Sohn Serien vergiftet. Der
Name des himmelstürmenden Brückenentwerfers aber wird heute
noch mit Ehrfurcht genannt: Leonardo da Vinci. Nach
Beyazit vergingen noch rund dreieinhalb Jahrhunderte, ehe Istanbul für
eine neue Brücke ber das "Goldene Horn"
reif wurde. Das ''Weltwunder'', die Bosporusbrücke zwischen Ortaköy auf der europäischen Seite und Beylerbeyi auf der asiatischen Seite, entstand 470 Jahre nach Leonardos phantastischen Visuellen, in den Jahren zwischen 1970 und 1973. Die Brücke wurde oft erdacht, mehrmals entworfen und einmal beinahe in Angriff genommen. Aber man hat die Planer durch politische Mühlen gedreht, vergrämt, verschreckt, in die Wüste geschickt. Ihre Pläne landeten in den Archiven und boten den zwei großen rivalisierenden Parteien über lange Zeit hin einen praktikablen Zündstoff . Daß man den Bau nach einem Parlamentsbeschluss von 1966 doch beginnen konnte. war schon eine Vorstufe zum Weltwunder. Die
Brücke überspannt freitragend eine Distanz von 1074 Metern,
ihre gesamte Länge beträgt 1560 Meter. Zwei 165 Meter hohe Pylone
tragen die sechsspurige Fahrbahn, die den Bosporus in 64 Meter Höhe
überquert und an 580 Millimeter Durchmesser dicken Stahlseilen hängt. |
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Ein bisschen Geschichte | ||||
Soll und Haben | ||||
Ein
Wald von Kuppeln, so müssen es die Osmanen empfunden haben, als sie
in die Stadt einritten. Seit Septimius Severus hatte Konstantinopel gebaut.
Mit der Frömmigkeit der Frommen. Mit der Wachsamkeit der Weisen. Mit
der Pracht der Prunksüchtigen. Sie bauten Rom und Athen und um ihren Glauben einen steinernen Mantel. Sie gaben der Stadt Glanz, Luxus und die Aura der Weltmitte. Mehmet sah sie nicht mehr im Stande der Fülle, sondern im Stande der Hinterlassenschaft: Von 480 Kirchen und 300 Klöstern nur mehr ein paar Dutzend unversehrt, die Kaiserpaläste beschädigt, die Foren desolat, das ''Goldene Tor'' vermauert. In den mehrschiffig gewölbten Säulenhallen allein blieb die Vergangenheit unversehrt: Die Zisternen der Römer lagen unter der Erde. Auf den Hügeln der Landzunge zwischen Goldenem Horn und Marmarameer, unter dem auslaufenden Sporn des thrazischen Plateaus in Galata, nördlich des Goldenen Horns, lebten in den Glanzzeiten gegen Ende des 6. Jahrhunderts wahrscheinlich eine halbe Million Menschen. Achthundert Jahre später nur mehr ein Zehntel davon: Römer, Griechen, Türken aus Bithynien, Venezianer, Genossen, Lombarden, Amalfitaner, Pisaner und Russische Juden. Von allen Superlativen, die man dieser Stadt so üppig beigefügt hat, ist nur mehr ein einziger gültig: schönste Lage der Welt. |
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Zwei Meere und zwei Länder | ||||
Man
sagt landläufige Formeln: Nur die zentrale Lage seines Herrschaftssitzes
verleiht einem Staat aggressive und passive Macht. Die Formeln stimmen: Einmal war Konstantinopel die Herzmitte der Welt. Als es an die Peripherie geriet, starb es einen unverblümten Tod. Als die Osmanen kamen und rundherum wieder ein Reich annullierten, holte Istanbul den Glanz Konstantinopels zurück. Als es wieder an die Peripherie geriet, gingen die Lichter der Macht aus. Flut und Ebbe, wie die Geschichte geschieht. Sultan Mehmet IL regierte dreißig Jahre. Ein seltsam Getriebener mit unruhigem Geist. Er eroberte die Throne von zwei Kaiserreichen und vierzehn Königreichen. Er beherrschte zwei Meere und herrschte im Abendland und Morgenland. Er krönte die byzantinischen Kirchen mit Minaretten. Und war letzten Endes doch auch ein Bewahrer: Den Soldaten, der mit einer Streitaxt das Bodengetäfel der Hagia Sophia zertrümmerte, er schlug er mit einem einzigen Hieb. Dann sprang er auf den Altar und weihte den von den Kreuzrittern geplünderten Christendorn Allah, dem alleinigen Gott, und Mohammed, seinem Propheten. |
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Nächtlicher Ausblick auf die Brücke. Die leuchtenden weissen und roten Lichterketten, die die Rücklichter der endlosen Autokette zogen - faszinierten mich. Wieder ergriff mich dieses mysteriöse Gefühl, dass wir alle auf diesem Planeten Durchreisende sind... Mir wurde für einen Moment klar, wie sehr die Menschen unbewußt hasten und eilen - von einem Ort zum anderen - und hinter all ihrem Hasten und Eilen keine anderer Antrieb ruht, als das große Glück oder ein ''winzig'' kleines Stück des vielbesungenen Paradieses zu finden.. | ||||
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