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Yalova - Geburt meines Sohnes Baris im Staatskrankenhaus Yalova

Das Staatskrankenhaus Yalova - Geburtsabteilung
Baris mit 10 Jahren an der TreppeAls wir wieder einmal im Thermalbad waren und ich mich im herrlich warmen Wasser entspannte, da krachte es in meinem Becken und ich spürte deutlich, wie sich alles ganz plötzlich - fast ohne Vorwarnung weitete. Zuerst ignorierte ich diese Hinweise. Aber es wurde rasch heftiger und fast hatte ich das Gefühl, dass ich das Kind im Bad zur Welt bringen würde. Mich ergriff Panik. Ich hatte keine Ahnung vom Kinderkriegen - und wollte plötzlich so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Wir zogen uns an und eilten zum Bus so schnell ich konnte. Der Bus fuhr durch große Schlaglöcher und ich wurde ganz verkrampft, um das Baby nicht mitten im Bus stehend zur Welt zu bringen. Am Busbahnhof angekommen mußte ich noch einige Meter laufen, bis wir endlich am Krankenhaus ankamen.

Aber hier wurden wir nicht wie bei uns in Deutschland von einer handvoll Sanitäter oder Krankenhelfer empfangen. Ich ging den langen gang mit letzter Anstrengung hinunter. Kemal sprach mit den Schwestern und Ammen. Einen Arzt schien es hier nicht zu geben. Ein Bett wurde mir zugewiesen. Ich zog mich aus und legte mich sofort hin. Plötzlich hörten die Wehen wie fortgeblasen auf. Ich vermute, dass Baris sich gedacht hatte, dass er durch so eine verkrampfte Türe lieber doch noch nicht gehen wollte. Kemal verabschiedete sich, da er sich hier nicht aufhalten durfte. Dieser Bereich sei nur Frauen zugänglich wurde mir erklärt. Es dauerte
Yalova Devlet Hastanesi - Dogum
Baris neben dem Eingangnicht lange, da brachten sie eine Frau herein, die wand sich vor Schmerzen. Sie legten sie in ein Bett neben mir. Die Verwandten, die sie begleiteten, riefen unablässig nach einer Amme. Sie waren verzweifelt und weinten. Mir war plötzlich sterbenselend in dieser Atmosphäre. Niemand kam zu Hilfe. Dann schlief ich vor Erschöpfung ein. Nach etwa einer Stunde erwachte ich wieder und sah zu der Frau hinüber. Ihre Bettdecke war auf der Höhe ihres Schoßes blutgetränkt. Eine andere Frau bemerkte es auch und schrie um Hilfe. Fast dreissig Minuten lang kam niemand - dann plötzlich kam ein Arzt und zwei Männer. Sie schlangen sich die Arme der Frau um den Hals und schleppten sie fort. Ich zitterte am ganzen Leib. Zurück blieb ein unglaublich trauriges und leeres Gefühl. Am Spätnachmittag kam Ganimet. Sie hielt mir die Hand und blieb eine ganze Weile bei mir. Sie stärkte mich und erklärte mir, das ich ruhig atmen solle. Ich versuchte ihrem Rat so gut ich konnte zu folgen. Die Wehen wurden jetzt wieder stärker und kamen in immer kürzeren Abständen. Eine Amme kam und steckte ihren Mittelfinger in meine Vagina und zog kräftig daran. Mir wurde fast schwarz vor Augen als ich erfahren durfte, dass dies der Test sei, ob die Öffnung sich schon genug geweitet hatte, um eine Geburt einzuleiten. Ich erklärte vehement, dass ich keine künstliche Geburtseinleitung wünschte. Aber die Schwester kam immer häufiger, um nachzusehen. Das war doch irgendwie beruhigend, sonst hätte ich wohl noch die Geburt meines eigenen Sohnes verpasst?!?

in diesem Raum erblickte Baris das Licht der Welt
die Aufnahme entstand 10 Jahre nach der Geburt meines
Sohnes, der Raum ist also um einiges moderner ein-
gerichtet, als er es zur Geburt war... Irgendwann kam sie wieder und befahl mir aufzustehen und mitzukommen. Ich zog meinen Morgenmantel über und folgte ihr brav in das Kreiskämmerchen. Von einem Kreissaal kann kaum die Rede sein. Aber das war mir jetzt auch egal. Hauptsache, Baris überlegte es sich jetzt nicht doch noch mal anders. Es kamen noch zwei Ammen herein. Bei einer heftigen Wehe feuerten sie mich alle drei mächtig an, als hätte ich ein spannendes Match zu bestehen. Ich presste und presste - aber es ging nicht. Und mein Arzt, dessen Horrar ich bereits beglichen hatte, war auch nicht gekommen. Mir war Angst und bange. Als ich die Schmerzen kaum noch ertragen konnte, war er plötzlich da - mein Arzt. Ich schrie in den Wehen und er sah mich an und sagte: ''Wenn sie nicht aufhören zu schreien, dann gehe ich wieder!'' Und er drehte sich um und machte Geste, zu gehen. Da wurde ich stumm und schrie innerlich - bis ich ohnmächtig wurde. Ich erwachte wie mich jemand auf die Backe schlug. ''Pressen - pressen - aman Allahim - pressen sie doch weiter!'' Die Schmerzen im Damm waren jetzt so stark, dass ich nicht wußte, ob ich nun gleich einen großen Haufen - oder meinen Sohn gebähren würde. Es war mir unendlich peinlich. Ich wußte nicht, ob es anderen Frauen in dieser Situation auch so ging und ich wünschte mir, ich hätte vorher noch daran gedacht, auf die Toilette zu gehen.

Ich presste weiter. Etwas riss und schmerzte wie der Schnitt eines Messers. Jetzt bat ich doch um eine Spritze. Und dann versuchte ich es aus leibeskräften noch einmal und spürte, wie der Druck nachliess. Mein Baby war auf die Welt gekommen. Es war ein Junge. Sie nahmen ihn sofort weg und klatschten ihm auf den Po. Er sah aus wie ein grüner Alien. Ich war im ersten Moment schockiert. Er schrie und atmete nicht. Sie rüttelten ihn... da brüllte er los.
Und dann legten sie ihn mir auf die Brust. Meine Gefühle waren zerrissen. Er war noch nicht gereinigt. Und mir schoss es durch den Kopf, dass Indianerinnen ihre Kinder selbst abnabeln. Aber in diesem Augenblick fühlte ich mich plötzlich unendlich verlassen und hilflos im großen Universum schweben. Als hätte ich mich in meinen eigenen Bauch geflohen.

Der Arzt hatte mir noch zugemurmelt: ''Ich hab doch nur Spass gemacht!'', wünschte mir alles gute und war auch schon verschwunden. Man nahm Baris wieder fort und ich schlief sofort wieder ein. Wieder erwachte ich von Schlägen auf die Wange. Ich hatte schreckliche Schmerzen. Es brannte an meiner Vagina. Ich fragte die Schwester, was passiert sei. Sie antwortete, dass sie mich vernähen müsste. Sie gab mir eine Spritze. Nachdem sie ein paar Minuten gewartet hatte, begann sie zu nähen. Aber ich spürte jeden Stich und hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ich sagte es ihr. Aber sie schüttelte den Kopf und nähte weiter. Ich war froh, als die Prozedur überstanden war. Dann befahl sie mir aufzustehen und zu meinem Bett zu gehen. Ich fiel fast hin. Die Schmerzen waren unerträglich. Eine Amme half mir zum Bett zurück. Dann legte man Baris in einen Kundak gewickelt zu mir. Kundak ist eine enge Wicklung aus Windeln um das Baby, die verhindern sollen, dass es sich zu stark bewegt und aus dem Bett fällt. Indianer tragen ihre Babys auch eng verschnürt bei sich.

Nun war auch Kemal hier. Er blieb eine kurze Weile. Ich sagte ihm dass ich vom Leben Baris Manco's - dem großen freigeistigen Musiker der Türkei sehr angetan war - und dass sein Name auch noch Frieden bedeute, und dass ich seinen Namen wunderbar fände. Kemal war sofort einverstanden. Wir gaben also unserem Sohn den Namen Baris. Und dann mußte Kemal auf Anweisung der Ammen wieder gehen. Ich mußte dringend zur Toilette. Eine Zimmernachbarin half mir beim Aufstehen. Jeder Schritt schmerzte entsetzlich. Ich kam endlich in der Toilette an. Es waren türkische Klosetts. Becken, auf die man sich stellen und dann in die Hocke gehen mußte. Aber ich wußte nicht, wohin ich mich stellen sollte. Alles war bis über Kniehöhe voll mit gebrauchten und getränkten Binden, mit Stuhl und Erbrochenem - mir wurde schwindelig und ich mußte gar nicht mehr. Ich stellte mich ganz vorne an den Rand, um wenigstens für kleine Mädchen zu machen... Dann wollte ich mir die Hände waschen. Als ich den Wasserhahn öffnete, kam ein einziger kläglicher Tropfen heraus. Das reichte. Es war wie ein Trip durch eine Geisterbahn auf dem Oktoberfest. Wenn ich erleichtert in mich zusammensinken wollte, weil ein Schock überstanden war, öffnete sich sogleich eine Klappe in der Wand, hinter der ein weiteres Gespenst hervorschnallzte um mir fast ins Gesicht zu springen - und mich anzubrülllen...

Ja - langsam fing ich an, das alles für ganz normal zu nehmen und mich überhaupt nicht mehr zu wundern. Aber ich hatte nicht mit Araberinnen gerechnet.

Als Baris in der Nacht erwachte und zu schreien begann, erwachte auch ich im taghell erleuchteten Raum und sah ein paar schleierbewehrte Araberinnen sitzen, die offensichtlich eine Verwandte besuchten.

Neben mir lag eine Frau, die ebenfalls gerade entbunden haben mußte mit ihrem Säugling im Bett. Sie schaute ihr Baby an und sagte: ''Ach ach - ich hatte mir so sehr eine Tochter gewünscht. Aber was bist du nur. Ach was bist du nur. Du bist nur ein Junge!'' Baris brüllte. Er hatte Hunger. Ich versuchte es mit meiner Brust. Aber Baris wehrte sich, als hätte ich Rote Beete- und Spinatsaft in der Brust. Die Araberinnen sahen es und kamen zu mir herüber. Sie zogen an meiner Brust, quetschten und zerrten daran, dass ich dachte, sie wollten einen Tür-Vorhängelappen daraus machen. Nachdem ich die Tortur nicht mehr ertragen konnte, haute ich um mich und die Frauen machten sich davon, nicht ohne mir zu sagen, dass sie alle diese Prozedur hinter sich hätten, und es ganz normal sei, nach der Geburt eines Kindes mit Hängetüten herumzulaufen. Ich konnte und wollte das nicht glauben.

Ich fragte eine Amme, die nach einer Weile hereinschaute. Sie brachte mir ein Glas mit Wasser und sagte, dass ich es meinem Sohn geben sollte. Ich probierte es. Es war pures Zuckerwasser. Weil ich mir keinen besseren Rat wußte, gab ich es Baris. Er nuckelte verzückt an meinem Finger, den ich zuvor ins Glas getaucht hatte. Irgendwann schliefen wir wieder ein. In der Nacht erwachte ich vom Weinen Baris's und sah, wie eine riesige Kakerlake (8cm) am Rand des Glases balancierte. Das war genug. Ich beschloss für mich von nun an gar nichts mehr komisch oder eklig oder unglaublich zu finden... um nicht von einem schwarzen Loch ins nächste fallen zu müssen.

am Kanal entlang nach Hause Am nächsten Tag holten mich Ganimet und Kemal ab. Wir gingen zu Fuß nach Hause. Der Weg vorbei an diesem Kanal schien mir heute nicht enden zu wollen. Damals war er gerade frisch angelegt und noch nicht so umbaut wie heute. Ich war überglücklich, endlich wieder zu Hause zu sein. Aber die Horrorfahrt war noch nicht ganz zu Ende.

In den folgenden Tagen wurden die Schmerzen schier unerträglich. Ich wollte zur Toilette, konnte aber nicht, wenn ich es doch versuchte, verschwand der Drang durch die Schmerzen wieder. Ich ass nur noch sehr wenig, um den Druck so gering wie möglich zu halten. Als ich am 6. Tag immer noch nicht auf die Toilette konnte, fing ich an zu beten. Ganimet brachte mir Schalen mit heißem Kamillenwasser und ich betupfte damit meine geschundene Vagina. Ich konnte nicht sehen, was mich so schmerzte und ich schämte mich davor, Ganimet darum zu bitten, nachzusehen, warum es so sehr wehtat.

Ich tupfte also weiter und betete im Namen meines Sohnes, Kemals und Ganimets darum, dass ich auf die Toilette gehen könnte und mich um mein Baby kümmern konnte. Ich fühlte große Eifersucht, wenn Ganimet Baris nachts zu sich nahm, um mich zu entlasten.

Am achten Tag spürte ich eine solche Verzweiflung und Wut in mir darüber, dass ich noch immer vor Schmerzen im Bett gekrümmt lag, dass ich mir vornahm es zu schaffen, komme da was wolle. Und so ging ich auf die Toilette, schrie in ein Handtuch hinein, durchlebte noch einmal die Schmerzen der Geburt und "legte einen Stein ins WC". Danach ging ich stolz wie eine Olympiasiegerin zu den anderen und verkündete meinen Sieg. Und ich lies mich richtig mit Leckereien verwöhnen. Endlich konnte ich wieder essen!

Am Nachmittag desselben Tages, als Ganimet nicht im Haus war, nahm ich mir einen kleinen Kosmetikspiegel aus dem Bad und sah nach, was mich da so schmerzte. Da sah ich, dass ich einen Dammriss gehabt hatte. Eine von unten eingerissene Schamlippe war zur Hälfte wie zu einer Kugel verknuddelt nach oben gezogen geformt und in dieser Form zusammengenäht. Die Amme hatte mit den durch den Riss weghängenden Hautlappen wohl nichts anderes anzufangen gewußt, als es einfach mit dem oberen Teil meiner Schamlippe zusammenzunähen.

Mir wurde wieder schwarz vor Augen. Ich stellte mir vor, wieder in die Klinik zu gehen, alles noch einmal aufmachen zu lassen und dann die ganze Prozedur von vorne zu ertragen. Aber diese Vorstellung war mir zu viel. Ich beschloss, alles so zu lassen, wie es war. Aber es sollte sehr sehr lange nicht verheilen. Jahre später, als ich immer noch mit meiner nicht heilen wollenden Wunde zu kämpfen hatte, stattete ich meinem Frauenarzte in Deutschland einen Besuch ab. Er war entsetzt darüber was er sah. Er schlug mir eine Transplantation vor - Haut aus meinem Oberschenkel zu schneiden - um sie dann dort wieder einzusetzen. Ich entschied mich dafür, zu hoffen, dass die Wunde sich irgendwann von selbst ganz schließen würde und beliess es, wie es war.

Hier noch ein Schlaflied, dass mir mein späterer Lebensgefährte und Ehemann Mehmet beibrachte:

 


 
''uyusunda büyüsün - nenni
danalar girmis bostana
kov bostanci danayi
- yemesin lahanayi
hu hu huh huuu...''.

Übersetzung:

''Soll er schlafen und groß werden dabei - nennni
die Kälber sind eingedrungen ins Melonenfeld
verjag das Kalb oh Bauer
damit es nicht fressen kann den Kohl...
hu hu huh huuu...''

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