Erste
Handlung
Erster
Auftritt:
Seth. Selima.
S
e l i m a. Wie schön ist dieser glückselige Tag
der Liebe! Wie hell ist er! Wie viel freudiger, als alle Tage,
die ich gelebt habe! Und nun ist unsre Mutter auch hingegangen,
daß sie sehe, wie ihre Töchter meine Brautlaube
schmücken, und mit mütterlicher Hand auch einen
Zweig in die Laube flechte. Ich habe kühlende Früchte
abgebrochen. Ich habe sie schon auf die Teppiche geschüttet,
daß unsre Brüder und Schwestern sich erfrischen,
wenn sie von der Laube kommen. Ich habe sie mit röthlichen
Trauben gekränzt. Die schönsten für Heman habe
ich mit thauvollen Blättern bedeckt. Ich Glückselige!
Der weise, der tugendhafte Heman hat Selima gewählt!
Heman liebt Selima! Und dazu werden die Enkelinnen mit der
Abendröthe kommen, und ihre dreyjährigen Knaben
Adam das erste mal bringen, daß er sie segne, und uns
mit allen seinen väterlichen Freuden in die Brautlaube
führe. Aber warum siehst du mich so ernst an, mein Bruder?
Warum lächelte dieses Lächeln nicht ganz?
S e t h. Meine Selima! Ich sann mit ernsten Freuden deiner
Glückseligkeit nach.
S e l i m a. Aber du sagtest ja dieses - du sagtest es mit
einer Stimme, die Unruh verschweigen wollte.
S e t h. Was kann ich dir, Selima, verbergen! Ich wollte es
dir verbergen. Allein die reine Aufrichtigkeit meines Herzens,
und dieser wartende Kummer, mit dem du vor mir stehst, zwingen
mich, daß ich dir es sagen muß. Aber betrübe
dich nicht, Selima. Die Liebe zu unserm Vater machte mich
zu aufmerksam auf seinen Ernst, mit dem er zu Abels Altare
hinein gieng, als du vor der Hütte standst, und Eva nachsahst.
S e l i m a. Soll ich hingehen, und seine Hand umfassen? und
sie festhalten? und ihn kindlich ansehen? und ihm flehn, daß
er nicht traurig sey? - Ach, mein Bruder! mein Bruder! du
verschweigst mir noch etwas! So hab ich dich noch niemals
weinen gesehn!
S e t h. Meine Selima, wärst du in der Vorhütte
geblieben! Du hast mich zu sehr bewegt! Denn nun - ja nun
muß ich dir alles sagen. Noch niemals hab ich unsern
Vater so gesehn, wie er erst vor mir vorübergieng. Sein
Gesicht war fürchterlich bleich! Er bebte fort, kaum
gieng er. Seine Augen starrten auf mich her! Er sah mich nicht.
Er gieng zum Altare hinein. Da hört ich ihn laut beten!
und laut zittern! Aber ich verstand seine gebrochnen Worte
nicht. Seitdem du hier bist, hör ich ihn nicht mehr.
Ach Selima, du hast es gewollt. Ich hab es dir sagen müssen!
- hörst du unsers Vaters Schritt? Er kömmt.
Zweyter Auftritt:
Adam. Seth. Selima.
A
d a m. Seth und Selima sind hier? - Es ist ein finstrer, es
ist ein schreckenvoller Tag! - Er wird wieder heiter werden,
Selima! Doch geh zu deiner Mutter, und lies Blumen mit ihr,
deine Brautlaube zu schmücken. Sag ihr, daß es
auf meinen Befehl geschieht, daß du hierinn wider die
Gewohnheit einer Verlobten handelst.
S e l i m a. Ich gehe, mein Vater. -
Dritter Auftritt:
Adam. Seth.
A
d a m. Sie hat eine schöne Seele! Wie sie es empfand,
daß sie uns verlassen mußte. Mein Sohn! - - (Gott
segne sie! Ich werde sie nicht wieder sehen! Sie ist wie Eva,
da der Fluch noch nicht war! Gott segne sie!) Mein Sohn! Mein
bester Sohn! Ich weis, wie du den Unerschaffnen kennst, und
wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich
kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!
S e t h. Mein Vater! - Adam! mein Vater!
A d a m. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger
verstummen! (zu Seth) Mein ganzes Herz empört sich, da
ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören!
Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal
das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen
Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir
sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß
ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel
sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben
werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ
mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner
Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal,
als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte
mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende
Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine
Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung
geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du
würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!
Mein theurer Sohn! Mein Sohn Seth! Du Bruder Abels! Ich will
nicht klagen! Wie dürft ich klagen? Da ich diesen kommenden
Tod empfand, da fuhr eben so schnell der Gedanke in meiner
Seele auf, daß ich heut sterben würde! Tief grub
er sich in mein Herz ein. Und noch denk ich nur ihn! Da schwebt
er vor meiner Stirne! Hier schlägt er in meinem Herzen!
Und noch Einer, den ich dir an dem Tage meines Todes nicht
mehr verschweigen will, begleitet ihn, und ist so gewaltig,
wie er! Als ich gerichtet ward, und nun von meiner Betäubung
aufstand, trat ein Todesengel vor mich und sprach: Wenn du
diesen Ausspruch verstehn wirst, den Tag, Adam; sollst du
mich wieder sehen! Ich erwarte die Erscheinung, die furchtbare
Erscheinung, so gewiß ich sie auch erwarte! doch würde
sie noch furchtbarer seyn, wenn ich sie nicht erwartete! -
Schau gen Himmel auf, mein Sohn! Der mich richtet, mischt
Linderung in meine Todesangst! Aber das fühl ich von
neuem, daß sein großes Urtheil: Ich sollte des
Todes sterben, noch nicht vollzogen, und von viel tieferm
Inhalt ist, als ich itzt noch verstehe. Du wirst meine Quaal
sehn! Ich fürcht ihn nicht den Tod, zu dem ich mich Jahrhunderte
bereitet habe: aber fühlen werd ich ihn!
S e t h. Sage mir, ach! sage mir, mein Vater: Du willst sterben?
A d a m. Wie gern blieb ich noch unter euch, meine Kinder!
S e t h. So bleib denn, mein Vater, bleib und stirb nicht!
A d a m. Laß mich, mein Sohn! Meine Seele hängt
an deiner Seele! Laß mich! Du bist mein sehr theurer
Sohn: Aber der das Todesurtheil über mich aussprach,
ist anbetenswürdig!
S e t h. Er ist es! Er ist es! - Aber könnte dich, mein
Vater, die Liebe zu deinen Kindern nicht täuschen, daß
du eine starke Erschütterung deiner männlichen Gesundheit,
dieser Gesundheit, die Jahrhunderte gedauert hat, für
den kommenden Tod hieltest?
A d a m. Wie kann ich dem geliebtesten meiner Söhne antworten,
wenn er so redet? O wenn es der Todesengel nur nicht zu schnell
entscheidet! Wenn meines Sohns Augen den Furchtbaren nur nicht
selbst sehn! - Dort ist Abels Altar, Sohn! dort, wo er noch
mit dem Blute deines Bruders bezeichnet ist! dort faß
ihn mit ringenden Händen! Dort hebe sie empor! Geh! werd
erhört! Vielleicht daß du noch einen Tag zu meinem
Leben erflehst!
S e t h. O Vater!- Adam, mein Vater! - Ich gehe.
Vierter Auftritt:
Adam allein.
Er
ist hingegangen! Wenn er auch wird beten können; wird
er doch nicht erhört werden! - Was ist das in mir! Hört
die Betäubung auf? Und fängt die Empfindung des
Todes mit allen ihren Schrecken wieder an? Itzt steh ich noch
über dem Staube! In wenigen Stunden werd ich unter ihm
verwesen! Und wenn nun meine geliebte Eva, wenn nun meine
Kinder kommen, und mich sterben sehen! - Nein, so entsetzlich
ist der Gedanke von der Verwesung nicht; als der, wenn mich
Eva sterben sieht! - Die Mitgeschaffne! die Geliebteste unter
den Geliebten, wird sie mit mir sterben? Du weißt es,
und nur du, der den Fluch über uns aussprach!
Fünfter Auftritt:
Adam. Seth.
A
d a m. Du kömmst wieder. Hast du gebetet, Sohn?
S e t h. Wie ich noch nie gebetet habe. Schauer auf Schauer!
Das war mein Gebet.
A d a m. Aber, mein Sohn! Wenn nun Eva mit ihren Kindern käme!
Sollen sie mich sterben sehen? Geh, Sohn, und sage ihnen,
daß ich allein opfern wolle, und daß sie erst
kommen, wenn die Sonne untergegangen ist.
S e t h. Ich kann dich itzt nicht verlassen, mein Vater, das
kann ich nicht! Ich habe dir in meinem ganzen Leben gehorcht.
Doch heute kann ich dich nicht verlassen! Dazu ist Selima
schon hingegangen und hat sie traurig gemacht! Denn sie bat
mich, und überwand mein Herz. Ich sagte ihr, mit welcher
Bangigkeit du zum Altare hineingiengst.
A d a m. So kommen sie denn! Nun, so wird mein Herz eher brechen.
S e t h. Ich höre Fußtritte. Das sind die Füsse
Selima.
A d a m. Itzt kommen sie schon! O meine Kinder, meine Kinder!
Ich unglückseligster unter den Vätern!
Sechster Auftritt:
Adam. Seth. Selima.
A
d a m. (Vor sich) Sie ist todtblaß, wie Abel war, da
er am Altare lag! (zu Selima) Warum bist du so bekümmert,
Selima? Sey ruhig, meine Tochter.
S e l i m a. Zürne nicht mit mir, mein Vater, daß
ich dir nicht gehorchte. Habe Mitleiden mit deiner Selima.
Da ich eilte zu meiner Mutter zu gehn, da wurde ich so bang,
so beklommen über das, was mir Seth von dir gesagt hatte,
daß es mir auf einmal dunkel vor meinen Augen ward.
Weiter weis ich nicht was geschah. Ich habe mich seitdem unter
den Blumen wieder gefunden. Ach, zürne nicht, daß
ich nicht zur Laube gegangen bin. Mein Vater! (Sie umfaßt
seine Knie) sey nicht traurig, mein Vater! Soll ich kühlende
Blätter auf deinen Sommersitz streuen? und ihn überschatten,
daß du da sitzest, und deine Kinder kommen sehest?
A d a m. Steh auf, Selima! Du bist meine geliebte Tochter!
Sey meinetwegen nicht bekümmert. Ich habe nur eine ernsthafte
Unterredung mit Seth. Ich bin in der Vorhütte gewesen.
Du hast den Weinstock noch nicht so hoch an den Ulm hinauf
gewunden, als du mir sagtest, daß du thun wolltest.
Du bist meine geliebte Selima. Geh hin, und sey ruhig. Du
weißt, ich liebe diesen Ulmbaum vor allen unsern nachbarlichen
Bäumen.
Siebenter Auftritt:
Adam. Seth.
A
d a m. Wäre sie länger geblieben, so hätte
ich ihren Anblick nicht mehr aushalten können. Ach, du
kannst mir es nicht nachempfinden, Seth, wie unglücklich
ich bin! Diese Blume, diese unschuldvolle Blume wird auch
abfallen, und in Staub sinken! und die Enkelinnen ihrer Enkelinnen
auch! Du weißt es, und du verstandst mich immer am meisten,
wenn ich euch erzählte, wer ich nach meiner Schöpfung
war! Aber nun muß ich sterben! und alle meine Kinder
müssen sterben! Er liegt wie ein Gebirge auf mir! Es
ist ein entsetzlicher Gedanke! - Geh, mein Sohn, und heitre
Selima auf. Ich will hingehen und mir bey dem Altare ein Grab
machen.
S e t h. Ich verlasse dich nicht! Und du sollst dir kein Grab
machen! Ich beschwöre dich bey dem lebendigen Gott! mach
dir kein Grab!
A d a m. Abel liegt dort begraben! Ich will dort auch begraben
liegen! Wollt ihr mich vor euren Augen verwesen sehn?
S e t h. Du furchtbarer Gott, der uns gerichtet hat! -
A d a m. Die Schrecken des Allmächtigen ergreifen mich
zu sehr! Ich muß mein Antlitz von dir wenden, Sohn!
- Es ist ein dunkler Tag! Was bebt dort? Ein schwarzer entsetzlicher
Tag! - Hörst du die Felsen beben, Sohn? Er wandelt immer
näher herauf! Vernahmst du wie itzt der Hügel an
unsrer Hütte bewegt ward? Auf dem Hügel steht er!
Siehst du den Fürchterlichen?
S e t h. Es ist Nacht um mich; aber mein Ohr hört!
A d a m. (Zu Seth) So hör denn mich und ihn! (zum Todesengel)
Ich kannte den Fußtritt deines Ganges wohl, Gesandter
des Gerichts! Todesengel! Verderber! hier bin ich!
D e r T o d e s e n g e l. So sagt der, der dich aus Staube
zum Menschen schuf: Eh die Sonne den Cedernwald hinunter gestiegen
ist; sollst du des Todes sterben! Einige deiner Nachkommen
werden entschlummern; einige sterben: aber du sollst des Todes
sterben! Das sollst du, wenn ich wiederkomme, und auf diesen
Felsen trete, und ihn erschüttre, daß er hinstürzt.
Dein Auge wird dunkel seyn, und nicht sehen; aber dein Ohr
wird den donnernden Felsen hören, eh die Sonne den Cedernwald
hinunter gestiegen ist.
A d a m. Sage dem, der mich geschaffen und gerichtet hat,
daß ich mich aufmache, und komme, und anbete! Fleh ihn
an, du Furchtbarer, daß er Lindrung in meine Todesangst
mische.
S e t h. O du mein theurer Vater, ich will mit dir sterben!
Warum gehst du von mir, mein Vater?
A d a m. Anzubeten!
Achter Auftritt:.
Seth allein.
Zu
bittrer, unaussprechlicher Schmerz! Du namlosester unter den
Schmerzen! Du wirst mein Leben zerreißen, bis ich mich
auch bey seinen Gebeinen niederlege! Ach du erster und bester
der Väter! Vater der Unmündigen und Ungebohrnen!
- (Meine Ungebohrnen werden seine grauen Haare nicht sehn!)
Du Todestag! Ach, du Todestag meines Vaters! wie schnell bist
du gekommen, mich laut zu fragen: Ob ich Gott fürchte?
- Ich will hingehen und mich mit meinem Vater vor den Altar
legen. Dieser bebende Arm soll ihm sein Grab mit aufgraben!
O du Grab! du Grab meines Vaters! Und du erschreckliche Stimme:
Eh die Sonne den Cedernwald hinunter gestiegen ist!
Zweyte
Handlung
Erster
Auftritt:
Adam. Seth.
A
d a m, (der an den Altar gelehnt, bey seinem Grabe steht.)
Es ist fürchterlich, Sohn! Zwar diese kühle Erde,
in der auch die duftende Rose und die schattende Ceder wächst,
ist es nicht! Aber hier soll ich verwesen! - Ich, der unter
der bildenden Hand des Allmächtigen aufsprang! den keine
Sterbliche gebohren hat. Und schon kündigt sich die Verwesung
bey mir, so fern nicht mehr, an. Mein Auge wird dunkler! Mein
Arm bebt, oder starret! Ich athme die Lebensluft schwer ein.
In meine innerste Nerven hat sich der Tod tief eingegraben.
Ich fühl es wohl, hier in meinem Herzen voll kalter Angst,
fühl ich es, daß ich des Todes sterbe: und nicht
entschlummre! - Mein Auge wird immer dunkler. Komm, Sohn!
Eh sich ihm die Schöpfung ganz verschließt, will
ich noch einmal hingehen, und einen freyern Raum meines mütterlichen
Landes, als dieses Grab, überschaun. Thu unsere Hütte
gegen Eden weit auf, daß ich dort hinaus sehe, und lebendige
Luft athme.
S e t h. Dort liegt Edens Gebirge.
A d a m. Ich sehe kein Gebirge mehr! Ist die Sonne mit Wolken
ganz bedeckt, Sohn?
S e t h. Es sind noch viel Wolken da, aber die Sonne ist nicht
ganz bedeckt.
A d a m. Ist sie noch weit vom Cedernwalde? Doch sage mirs
nicht, ich will dich hernach wieder fragen.
S e t h. Itzt bedecken sie die Wolken wieder. Schwarze Wolken
bedecken sie.
A d a m. So seh ich sie nicht mehr, wenn sie auch hernach
wieder hervorkömmt! denn so bald ich zu meinem Grabe
zurück gegangen bin, so geh ich nicht wieder davon weg.
Komm mein Sohn, daß ich mich an dich lehne.
S e t h. Mein Vater! -
A d a m. Ihr schönen Gefilde! Ihr hohen quellvollen Berge!
Ihr schattenden kühlen Thäler, und ihr Kinder der
Berge und der Thäler! die ihr euch unter dem Fuße
des Wandrers biegt, oder eure Wipfel über die hohe Wolke
emporhebt! ihr segenvollen Gefilde, wo ich gewandelt, wo ich
Leben und Freude eingeathmet, wo ich so lange, wo ich so oft
glückselig gewesen bin, wo ich alle meine Kinder, so
viele Lebendige um mich gesehen habe! Und du vor allen, o
Eden! doch ich kann deine Wonne nicht nennen, ich müßte
Thränen unter die Wonne mischen, und ich will dich durch
Thränen nicht entweihen! von euch nehm ich heut feyerlich
Abschied, da ich aufhöre, ein Sterblicher zu seyn! Doch
ihr hört nicht auf, die Folgen des Fluchs zu tragen,
der mit meiner Sterblichkeit über euch kam. - Ich will
mich wegwenden, mein Sohn, denn ich kann den Strom kaum mehr
von der Ebne unterscheiden. Wie wird mir seyn, wenn ich nun
bald den besten meiner Söhne nicht mehr kennen werde!
(vor sich) Er bebt! Ich muß mich ermannen! (zu Seth)
Ich bin wegen Selima besorgt, daß sie zu uns komme.
O wie würde ich die Wehmuth dieser zarten Unschuld aushalten
können.
S e t h. Nun kann ichs dir nicht mehr verschweigen, mein Vater.
Es kömmt mir vor, als wenn ich Selima schon einige Zeit
ängstlich hin und her gehen höre. Sie geht schneller
gegen die Thüre zu, als sie zurück geht.
A d a m. Sage mir, mein Sohn, würd ichs ihr verbergen
können? Oder fängt der Tod schon an, sich auf meinen
Wangen zu verbreiten? Du wendest dich von mir?
S e t h. Ach jedes Wort aus deinem Munde geht mir durch die
Seele! Du bist fürchterlich bleich, mein Vater! Ich hab
Abel nicht gesehen, aber ich hab einen Jüngling gesehen,
der in seiner Blüthe starb, und dessen Tod sie dir verborgen
haben.
A d a m. Also treff ich bey Abel noch einen meiner Kinder
an? Ach sie haben vielleicht mir und auch dir noch vieler
andern Tod verborgen! Er fürchtete den Allmächtigen
doch der Jüngling?
S e t h. Er hatte eine schöne Seele. Ueber ihn vergaß
ich die finstre Seite des Todes lange. Denn er starb mit dem
Lächeln eines Engels. Aber ich konnte seinen Anblick
nicht aushalten, da er todt war. Doch Selima kömmt.
A d a m. Ach Sunim, mein jüngster Sohn, Sunim ist auch
noch nicht wieder gefunden!
Zweyter
Auftritt:
Selima. Die vorigen.
S
e l i m a. Mein Vater werde nicht zornig, daß ich schon
wieder dein Gebot übertrete. Aber höre mich, mein
Vater. Es geht ein Mann, ein Mann, wie ich noch keinen gesehen
habe, um unsre Hütte herum, und droht mir, daß
ich ihm die Hütte öffne. Er will zu Adam. Er erschreckte
mich sehr. Es müssen noch irgendwo Menschen wohnen, die
deine Söhne nicht sind, und deren Sohn er ist. Er ist
Adams Sohn nicht!
A d a m. Wie ist der Mann gestaltet, Selima?
S e l i m a. Es ist ein hoher drohender Mann. Er hat tiefe
Augen, mit denen er wild umher schaut. Er hat sich mit fleckichten
Häuten bedeckt, die schimmern. Er trägt eine schwere
knotenvolle Keule. Er sieht verbrannt, und doch bleich aus;
aber nicht so bleich, als du itzt bist! Ach mein Vater! -
A d a m. Hatte der Mann seine Stirn entblöst?
S e l i m a. Ja, er hatte sie entblöst, und auf derselben
etwas, das ich nicht beschreiben kann, weil ich es kaum anzusehen
vermochte. Röthlich, glühend, fürchterlich,
lief es über sie herunter, wie der zückende Blitz.
A d a m. Es ist Kain, Seth, es ist Kain! Der Allmächtige
hat ihn gesandt, daß er mir meinen Tod noch bittrer
mache. Geh, daß wir gewiß erfahren, ob ihn der
Allmächtige gesandt habe, geh, sag ihm, daß er
sich wende, und mein Angesicht nicht sehe! Aber wenn er dennoch
kommen will; so hab ichs verdient, daß er komme, und
so hat ihn Gott gesandt! Doch verschleuß vorher den
Altar, daß er seines Bruders Blut nicht sehe.
Dritter
Auftritt:
Selima. Adam..
S
e l i m a. Mein Vater, ach, was war denn das für eine
geöffnete Tiefe bey dem Altare?
A d a m. Du hast noch kein Grab gesehen, Selima?
S e l i m a. Was ist das, ein Grab, mein Vater?
A d a m. (Vor sich) Zu jammervoller Tag! Kain kömmt!
Und dieses unschuldvolle, dieses geliebte Kind vor mir!
S e l i m a. O rede mit mir, mein Vater! Du bist doch nicht
zornig auf Selima? Sonst nanntest du mich ja deine Selima!
A d a m. Du bist es auch! Du bist meine sehr geliebte Tochter!
S e l i m a. Ach du sagtest ja, mein Vater, daß Kain
gekommen wäre, dir deinen Tod noch bittrer zu machen.
Ach! ich kanns nicht aussprechen! - Du willst doch nicht sterben,
mein Vater?
A d a m. Sey nicht so bekümmert, meine Selima. Du weißt
es ja, daß uns Gott gesagt hat: Wir sollen wieder Erde
werden, woraus wir gemacht sind. Meine Haare sind schon lange
grau gewesen, lange vorher eh du gebohren wurdest! Wenn mich
nun Kain heut zu sehr betrübte! -
S e l i m a. Ach um deiner bessern Söhne willen, um Abels,
um Seths, um Hemans willen (sie umfaßt sein Knie) um
der Unmündigen willen, die du heute das erste mal segnen
wirst, stirb nicht, ach stirb nicht, mein Vater! -
A d a m. Weine nicht, du theure Tochter! - Steh auf. Sie kommen.
Vierter
Auftritt:
Kain. Seth. Die vorigen.
K
a i n. Ist das Adam? Du wurdest ja sonst beym Anblicke derjenigen
nicht bleich, die du elend gemacht hast!
A d a m. Schone mindstens dieser weinenden Unschuld!
K a i n. Ist Unschuld auf der Erden gewesen, seit dem Adam
Kinder gebohren sind?
A d a m. (Zu Selima) Verlaß uns, meine Tochter Selima.
Seth soll dich wieder zu mir rufen.
Fünfter
Auftritt:
Adam. Kain. Seth.
A
d a m. Warum hast du mein Gebot übertreten, -und bist
in meine friedsame Hütte gekommen, Kain?
K a i n. Beantworte mir vorher auch eine Frage, so will ich
dir antworten. Wer ist der Mann, der mich zu dir herein geführt
hat?
A d a m. Es ist mein zweyter Sohn Seth.
K a in. Ich mag deines Mitleids nicht! Es ist dein dritter
Sohn! Und nun will ich dir auch antworten. Ich bin gekommen,
mich an dir zu rächen, Adam!
S e t h: Willst du meinen Vater auch erwürgen?
K a i n. Eh du gebohren wurdest, war ich schon ganz elend!
Laß mich und Adam allein reden. Ich will deinen Vater
nicht tödten!
A d a m. Wofür willst du dich an mir rächen, Kain?
K a i n. Daß du mir das Leben gabst!
A d a m. Dafür, mein erstgebohrner Sohn?
K a i n. Ja dafür, daß ich meinen Bruder Abel erwürget
habe! Daß sein Blut laut zum Allmächtigen gerufen
hat! Daß ich der Unglückseligste unter allen deinen
Kindern bin, die dir gebohren sind, und noch gebohren werden
sollen! Daß ich mit diesem Elende belastet, auf der
Erde herumirre, und keine Ruhe finde! selbst im Himmel keine
finden würde! Dafür will ich mich an dir rächen!
A d a m. Eh ich dir gebot, daß du mein Antlitz nicht
mehr sehn solltest, hab ich dir dieß schon oft beantwortet.
Aber so hast du es mir noch nie gesagt, und so hab ich es
noch nie empfunden, als an diesem schrecklichsten meiner Tage!
K a i n. Du hast es mir nie genug beantwortet. Und wenn du
es heut empfunden hast, wie stark und wie wahr es ist; so
ist das doch meine Rache noch nicht! Jahre schon, lange Jahre,
hab ich dich, heiße, gerechte, wiedervergeltende Rache!
beschlossen! heut will ich dich ausführen!
S e t h. Wenn dein starres Auge vor Wuth noch sieht, so schau,
o Kain! schau seine grauen Haare!
K a i n. Grau! oder abgefallen! Ich bin der Unglückseligste
unter seinen Kindern! Ich will mich an ihm rächen! Rächen
will ich mich, daß er mir das Leben gab!
A d a m. - (Zu Seth) Sein und mein Richter hat ihn hergesandt!
- Was ist denn deine Rache, Kain!
K a i n: Ich will dir fluchen!
A d a m. Das ist zu viel, mein Sohn Kain! Fluche deinem Vater
nicht! Um der Rettung willen, die du noch finden kannst, fluch
Adam nicht!
K a i n. Ich will dir fluchen!
A d a m. So komm denn, ich will dir den Ort zeigen, wo du
mir fluchen sollst! Komm, dieß ist deines Vaters Grab!
Ich werde heut sterben! Ein Todesengel har mirs angekündigt!
K a i n. Und was ist das für ein Altar?
S e t h. Du Unglückseligster unter den Menschen, weil
du der Boshafteste unter ihnen bist! Das ist Abels Altar!
und, an diesen Steinen, das ist sein Blut! -
K a i n. Die Wuth des Abgrunds steigt zu mir herauf! Der Altar,
der fürchterliche Altar, liegt wie ein Fels auf mir!
Wo bin ich? - Wo ist Adam? - Höre mich, Adam! Mein Fluch
beginnt: An dem Tage, da du sterben willst, Adam! - an dem
letzten deiner Tage, - müsse dich die Todesangst von
siebentausend Sterbenden ergreifen! Müsse das Bild der
Verwesung--
A d a m. Es ist zu viel! Es ist zu viel, mein erstgebohrner
Sohn! - Nun versteh ich dich ganz, du Todesurtheil! das dort
über mich ausgesprochen ward, ich verstehe dich ganz!
- Laß ab von mir, mein erstgebohrner Sohn!
K a i n. Ach! - Ach! - hab ich meines Vaters Blut vergossen?
Wo bin ich? Wer leitet mich aus dieser schreckenden Dämmerung,
wer leitet mich, daß ich die Nacht des Abgrunds finde?
- - - Doch hier ist mein Vater! - Ist er es selbst? oder erscheint
er mir? Wende dein Antlitz von mir, daß ich entfliehn
kann. (Er entflieht).
Sechster
Auftritt:
Adam. Seth.
Er
hat meine ganze Seele erschüttert! Geh ihm nach, Seth.
Er ist mein Sohn! Geh ihm nach, und such ihn auf, und sag
ihm: Daß er seine Hand nicht an mich gelegt hat, und
daß ich ihm vergebe. Erinnere ihn nicht daran, daß
ich heute sterbe.
Siebenter
Auftritt:
Adam allein.
Was
ist das in mir? Ich werde ruhig, da mein Elend zu seiner letzten
Höhe empor gestiegen ist? Oder kannst du noch höher
steigen, du Elend des Sterbenden? Wenn du das kannst, so mag
denn diese schreckende Ruhe meine Seele ganz einnehmen, daß
sie ihr Opfer bereite, und es nicht ungekränzt zum Altare
führe! - O du kühles, stilles Grab! nimm den müden
Wandrer bald in deinen Schooß auf! Und du Seele meines
Sohns Abel! du schöne Seele! Denn du schwebst gewiß
itzt um deines Vaters Grab; wenn du es hörtest, da dem
furchtbarsten der Engel geboten wurde, mir den Tod anzukündigen!
Wenn du hier bist, mein bester Sohn! so begegne meiner Seele,
wenn sie sich nun von dem brechenden Auge, oder von der kalten
Lippe emporhebt. Ach du starbst, nicht, wie ich sterbe! dreymal
seufztest du nur, als du in deinem Blute lagst, und da entschliefst
du!
Achter
Auftritt:
Seth. Adam.
S
e t h. Ich habe Kain gefunden. Er lag auf der Erde ausgestreckt.
Da er mich sah, stützt er sich auf, und rief mir zu:
Ach, einen Trunk aus dieser Quelle, Seth, einen Trunk, daß
ich nicht sterbe! Ich schöpfte, und gab ihm, und er trank.
Ich sagte ihm alles, was du mir gebotst. Er richtete sich
noch mehr auf, und sah mich an. Es schien als wenn er weinen
wollte: aber er konnte nicht weinen! Zuletzt sagte er mir:
Es ist mein Vater! Gott müsse ihm vergeben, wie er mir
vergeben hat!
A d a m. Es ist genug! -
S e t h. Du bist ja so ruhig, mein Vater!
A d a m. Ich bins!
S e t h. Was in mir vorgeht, weis ich nicht. Ist es Betäubung?
Ist es höhere Kraft, die mich stärkt? Ich bin auch
auf einmal ruhig geworden.
A d a m. Laß uns sehn, ob unsre Ruhe in unserm Herzen
sey? Oder nur leicht darüber schwebe? hast du die Sonne
gesehn, da du zurückkamst?
S e t h. Sie war mit Wolken bedeckt, doch war sie nicht ganz
dunkel eingehüllt. Wenn mich mein Auge nicht trügt;
so war sie - weit herunter gestiegen!
A d a m. Weit herunter. - Sieh aus, mein Sohn, ob die Wolken
nicht weg sind? und ob deine Mutter nicht kömmt? Angst,
Todesangst hat mich wieder rings um eingeschlossen! Jammer,
wenn ich sie wieder sehe! Und wenn ich sie nicht wieder sehe,
Jammer! - Soll ich sie rufen? oder soll ich meine Hütte
fest vor ihr verschließen?
S e t h. Die Wolken sind nicht weg, und Eva kömmt nicht.
A d a m. Was soll ich thun? - Ich will es dem überlassen,
der der Sonne ihren Lauf und dem Todesengel Gericht gab. Es
geschehe, wie er es beschlossen hat! - Mein Sohn Seth! Mein
erstgebohrner Sohn! Denn Kain hat mir geflucht, und Abel ist
nicht mehr! wenn du nun auch alt und grau geworden bist, und
deiner Kinder Kinder, die Enkel meiner Enkel um dich versammelt
sind, und dich nach mir fragen, um dich hertreten, und sprechen:
Du hast unsern Vater Adam sterben gesehn. Was sagte unser
Vater Adam, da er starb? So antworte: (Mein Herz will mir
brechen! aber du must es ihnen sagen!) antworte ihnen: An
dem Abend, da er sterben wollte, lehnte er sich an mich, und
sprach: Ach, meine Kinder! mein Fluch ist auch euer Fluch
geworden! Ich hab ihn über euch gebracht! Der mich zum
Unsterblichen geschaffen hatte, legte mir Leben und Tod vor.
Ich wollte noch mehr, als unsterblich seyn, und wählte
den Tod! - Welch ein Weinen schallt von den Gebirgen! Welche
stumme Angst sinkt in die Thäler nieder! Der Vater hat
seine Tochter! die Mutter ihren Sohn! Die Kinder haben ihre
Mutter, die Wittwe! die Schwester den Bruder! der Freund den
Freund! der Bräutgam hat die Braut begraben! Kehrt eure
Blicke nicht von meinem Grabe, wenn ihr es seht, und flucht
meinen Gebeinen nicht! Erbarmet euch meiner, meine Kinder,
wenn ihr mein Grab seht, oder wenn ihr an mich denkt! Erbarmt
euch meiner, und flucht den Todten nicht! - Sie werden sich
meiner erbarmen! Denn Gott, der Mensch werden wird, die Hoffnung,
die Wonne, der Retter des menschlichen Geschlechts hat sich
meiner erbarmet! Sag ihnen: Ohne ihn, der kommen wird, wär
ich den Schrecken meines Todes ganz untergelegen! wär
ich vor Gott vergangen! - (Er setzt sich bey seinem Grabe
auf den Altar, wo dieser ein wenig eingesunken ist).
S e t h. Sein Haupt sinkt starrend hin! Ach! - stirbt er?
Adam! mein Vater! mein Vater! lebst du, mein Vater?
A d a m. Laß mich! Es ist Linderung in der Todesangst.
Es ist der letzte Schlummer, den ich schlummre!
S e t h. Wie schnell er eingeschlafen ist! Wie sanft er schlummert!
Ich will sein heiliges Haupt zudecken - Ach, ich will deinen
Gebeinen nicht fluchen, du bester Vaterl - Ach so tief, so
tief ist die Sonne herunter gestiegen! - Wer kömmt dort
in der Ferne! Aber unsre Mutter kömmt ja sonst niemals
allein! Sie kömmt immer mit ihren Kindern! - Sie ist
es! sie ist es doch! O mein Herz! mein belastetes Herz! was
wirst du nun noch empfinden! Aber ich will weggehn, und mich
verbergen, daß ich mich fasse, daß ich ein Mann
sey, und diese letzte Angst aushalte!
Dritte
Handlung
Erster
Auftritt:
Eva von einer, und Selima
von der andern Seite.
S
e l i m a. Ach da kömmt meine unglückselige Mutter!
Nein! ich kann ihren Anblick nicht aushalten!
E v a. Alles ist hier so einsam! Wo ist Adam? Wo ist Seth?
Wo ist Selima? O wo sind sie? daß ich ihnen alle meine
Freuden, daß ich ihnen die ganze Glückseligkeit
dieses Tages erzähle? Ach ich glückselige! Ich glückseligste
unter den Müttern!
Zweyter
Auftritt:
Seth. Eva.
S
e t h (eh ihn Eva sieht). Verstumme, du blutender Schmerz,
verstumme! helft mir ihren Anblick, helft mir den aushalten,
ihr Engel!
E v a. Da kömmt mein Sohn Seth! Mein Sohn Seth, ich bin
die glückseligste unter den Müttern! Wo ist Adam?
Ach, ich bin die glückseligste unter den Müttern!
S e t h. Adam schläft, meine Mutter.
E v a. Wo ist er? Wo schläft er? daß ich ihn aufwecke,
und ihm alle meine Freuden sage!
S e t h. Er ist nur erst eingeschlummert. Laß ihn noch,
meine Mutter!
E v a. Laß mich hingehn, mein Sohn. Ich muß ihn
aufwecken! Ach ich Glückselige!
S e t h. Nein, thu es noch nicht, meine Mutter. Er bittet
dich, daß du ihn nicht aufweckst. Er hat mirs gesagt.
E v a. Er wird in der Nähe so vieler Freuden nicht lange
schlafen können. Er wird von sich selbst aufwachen. Ach,
mein Sohn Seth! ich habe den Knaben, deinen jüngsten
Bruder, ich habe Sunim wieder gefunden! Da er zu den Hütten
seiner Brüder gehn wollte, hat er sich in einer Einöde
diese lange traurige Zeit verlohren, und ist wunderbar erhalten,
wunderbar errettet worden! Doch er soll dieß alles seinem
Vater selbst erzählen. O wie wird ihm sein Herz schlagen,
dem armen Sunim, daß er noch nicht bey seinem Vater
ist! Aber ich hab ihn zurück gehalten. Er kömmt
mit den drey Müttern. Ich wollt es Adam erst sagen, damit
ihn die Freude nicht zu sehr bewegte, wenn er den Knaben auf
einmal vor sich sähe! Er kömmt mit den Müttern.
Die führen drey vollblühende Knaben. Und zu allen
diesen Freuden kömmt noch diese, daß ich heut meinen
Heman und meine Selima in die Brautlaube führe. Das dachtet
ihr nicht, meine Kinder, daß euch Sunim die hochzeitliche
Fackel tragen würde!
S e t h. O du geliebte Mutter!
E v a. Warum siehst du mich so ernst an, mein Sohn? Freuest
du dich nicht mit deiner Mutter?
S e t h. So viel Freuden auf einmal machen mich ernst!
E v a. Ich sehe die Mütter von ferne kommen! Ich muß
gehn, und Adam aufwecken.
S e t h. (der die Hände zusammen schlägt und gen
Himmel sieht, vor sich) O du unglückselige Mutter! (zu
Eva) dort ist Adam nicht, wo du ihn suchst.
E v a. Wo ist er denn, mein Sohn, wenn er schläft?
S e t h. Beym Altare.
E v a. Beym Altare schläft Adam?
S e t h. Er hat sich dort ein Lager bereitet. Dort will er
nun immer schlafen.
Dritter
Auftritt:
Eva. Adam. Seth.
E
v a. (die den Teppich vor dem Altare aufzieht). Ach das ist
seine unüberwindliche Traurigkeit wegen Abel! Warum hat
er sein Antlitz bedeckt, mein Sohn? Was habt ihr dort aufgegraben?
Hat Adam seines Sohns Gebeine gesucht? Ach der Schmerz um
Abel wird Adam noch tödten! Du antwortest mir nicht?
S e t h. Es ist ein Grab, meine Mutter!
E v a. Verbergt mir die Gebeine! zeigt mir meines Sohnes Gebeine
nicht! Mein Herz würde mir brechen, wenn ich sie sähe!
S e t h. Wir haben keine Gebeine.
E v a. So sind auch sie zu Staube geworden? - Seth! mein Sohn
Seth! dein Vater schläft sehr ängstlich. Und diese
Hände! O Himmel, diese bleichen Hände!
S e t h. (Der von der einen Seite zurückkömmt, vor
sich). So dicht am Walde! (zu Eva) Meine Mutter! meine theure
Mutter! Nein! nun kann ich nicht länger schweigen. (Er
verhüllt sich) Es ist Adams Grab! - Er wird sterben,
eh die Sonne den Cedernwald hinunter ist. - Er hat eine Erscheinung
gehabt. Ich habe den Todesengel selbst gehöret - Der
Todesengel kömmt wieder. Er kömmt bald. Dann stürzt
der Fels an der Hütte ein, und dann -
(Eva sinkt an die andre Seite des Altars).
A d a m. (Der erwacht und sich aufdeckt). Das ist ein ängstlicher
Schlummer gewesen! Du, in dieser Ruhestatt, du wirst süßer
seyn! - Hast du Selima zu mir gebracht, Seth? Sey nicht so
sehr gebeugt, Selima! deine Mutter, deine liebevolle Mutter
lebt ja noch!
E v a. Ich bin - ach, wenn du diese gebrochne Stimme noch
kennst, o Adam! - ich bin nicht Selima!
A d a m. O Tod, den ich sterbe!
S e t h. (der Adams Knie umfaßt). Mein Vater stirbst
du?
A d a m. Stürzte der Fels ein?
S e t h. Der Fels stürzt nicht ein.
E v a. Leite mich zu ihm, Sohn! - Kennst du mich nun, Adam?
A d a m. Ich würde dich nicht ganz kennen, wenn ich deine
Stimme nicht hörte.
E v a. Nannte denn der Todesengel meinen Namen nicht mit deinem
Namen? Ach soll ich nicht mit dir sterben? Das war immer meine
Zuflucht in meinen trüben Stunden, mein stiller einziger
Trost war es dann, daß ich mit dir sterben würde.
Ich bin ja mit Adam geschaffen! Aber ich Verlaßne! ich
Einsame! soll ich nicht mit dir sterben?
A d a m. O du Geliebteste unter den Geliebten! Noch theurer!
noch geliebter! an diesem dunkeln entsetzlichen Tage! Eva!
Du Mitgeschaffne! Eva! meine Eva! (sehn kann mein Auge nicht
mehr, aber es kann doch noch weinen!) Laß ab von mir!
Er ist noch mehr Tod, der Tod, wenn ich deine Stimme höre!
S e t h (vor sich.) O Himmel! die Mütter kommen auch!
A d a m. Was für Fußtritte hör ich?
S e t h. Es sind die drey Mütter und Heman.
Vierter
Auftritt:
Die drey Mütter mit
ihren Söhnen, und Sunim von einer,
Selima und Heman von der andern Seite.
S
e l i m a. Nun will ich mitgehn. Nun will ich auch hineingehn!
H e m a n. Ich will auch mitgehn, meine Selima! Ach meine
Selima! Nein, ich kanns noch nicht glauben!
E i n e M u t t e r. Komm, Sunim!
N o c h E i n e. Was seh ich!
D i e D r i t t e. Ist das unser Vater?
A d a m. Geh zu ihnen, mein Sohn Seth.
S e t h. Schaut mich nicht an, sonst verstumm ich vor euch!
(Die erste verhüllt sich; die zweyte sieht weg, die dritte
beugt sich über ihren Sohn). Es ist schon lange her,
daß ich diese Todesangst fühle, die euch sagen
muß: Eh die Sonne die Cedern hinunter ist, stirbt Adam!
Er hat einen Todesengel gesehn. Der kömmt wieder. Wenn
der Fels an der Hütte einstürzt, dann ist er da.
Dann stirbt Adam! Hier ist sein Grab! - O wendet euch, und
schaut nach seinem Grabe nicht hin!
A d a m. Was ist das für eine Stimme unter den Stimmen
der Weinenden, der ich mich nicht genug erinnre? Das ist keine
von den Müttern! Das ist auch nicht die Stimme Selima
oder Hemans.
S e t h. So freu dich denn noch einmal in deinem Leben, mein
Vater! Es ist Sunims Stimme. Sie haben deinen Sohn Sunim wieder
gefunden.
A d a m. Will mich mein Sohn Seth in meinem Tode täuschen,
der mich in meinem Leben nie getäuscht hat, damit ich
mich noch einmal freue? Wisse Sohn, für mich ist hier
keine Freude mehr!
S e t h. Mein Vater! -
A d a m. Aber - warum redet Sunim nicht, daß ich seine
Stimme höre?
S e t h. Der Knabe ist vor Schmerz verstummt.
A d a m. So führ ihn denn her zu mir, daß ich seine
starken Locken, daß ich die Wange des Knabens fühle.
S e t h. Hier ist er.
A d a m. (zu Sunim, der sein Knie umfaßt). Du bist es!
Du bist es! du bist mein Sohn Sunim!
S u n i m. Ich bin Sunim! -
A d a m. Geh zu deiner Mutter, mein Sohn! (Sunim geht zu Eva)
E v a. Geh zu deinem Bruder Seth! Ach du hast keine Mutter
mehr!
(Sunim lehnt sich an Seth)
S e t h. O du Todesurtheil, das über sie gesprochen ward!
- - - Richte dich auf, mein Sunim! Laß mich! Ich komme
eilend zu dir zurück. (Da er zurückkömmt) Mein
Vater! denn heut ist kein Tag des Schonens! kein Tag des Schweigens!
Die Sonne steigt hinunter! die Cedern fangen schon an sie
zu decken. Gieb uns deinen Segen, mein Vater!
A d a m. Sie steigt hinunter? - Komm, komm, o Tod, so komm
denn Tod! - Ich kann euch nicht segnen, meine Kinder. Der
euch geschaffen hat, segne euch! Ich kann euch nicht segnen!
der Fluch ruht auf mir!
A l l e. Gieb uns deinen Segen! Gieb uns deinen Segen! - -
A d a m. Ich habe keinen Segen! - (vor sich) Sie ist noch
nicht vorüber, die namlose Angst! Sie steigt noch! Mit
diesen neuen Empfindungen steigt sie! Mein Leben, das Leben
meiner ersten Tage empört sich noch einmal ganz in mir!
Meine erste Unsterblichkeit, sie, sie ist es, die in meinen
Gebeinen bebt! - Wo werd ich hingeführt? - Auch die Dunkelheit
fällt von meinen Augen! Aber ach, sie fällt, daß
ich diese todesvollen Gefilde sehe! - Kehrt eure Blicke von
mir, ihr starren Augen! Du rufst laut, Blut, Blut der Erschlagenen!
Du rufst laut! trübes, schwarzes, zu schreckliches Blut,
wende deinen Strom, und fleuch! Oder daß jene Gebirge
dich bedecken! - Ach! und diese Mutter mit gerungnen Händen,
die gen Himmel ruft! Und dieser todte Jüngling mit der
stummen Lippe! Er war ihr einziger Sohn! Jener fortgerißne
Arm! - Dieser rauchende Schädel! - Flieht! flieht! Erbarmt
euch meiner, meine Kinder! ihr einsamen Uebrigen! und führt
mich von diesem Gefilde weg! -
S e t h. (der gen Himmel sieht) Wenn diese gerungnen Hände,
wenn dieß Herz, das mit seinem Herzen bricht - -
A d a m. Ist Seth, ist mein Sohn Seth so nahe bey mir? Ich
hörte deine Stimme, Seth. Ach, ich habe so sanft geschlummert.
S e t h. O ihr Engel, er lächelt! - Kommt, kommt! Komm
Eva! komm Heman und Selima! und Sunim, du! Kommt ihr Mütter!
laßt uns sein letztes Lächeln sehn! Wir sind alle
hier. Segne uns, mein Vater!
A d a m. Kommt her, meine Kinder! Wo bist du, Seth, daß
ich meine Rechte auf dich lege, auf dich Heman, meine Linke.
Selima neige sich an Heman, und Sunim an Seth. Kommt, ihr
Mütter, und führt mir eure Söhne her. Eva segne
ihre Kinder mit mir!
(Sie knien um ihn)
E v a. (indem sie zuletzt auch niederkniet) Du mußt
mich auch segnen, Adam!
A d a m. Ich soll Eva auch segnen? Da hast du meinen Segen:
Komm mir eilend nach! Du wurdest bald nach mir geschaffen,
du Mutter der Menschen! So müssest du nach mir sterben!
Hier ist mein Grab!
E v a. Das waren Worte eines Engels, die du sprachst, o Adam!
A d a m. Das ist mein Segen, meine Kinder! das ist mein Segen,
mit dem ich die Enkel eurer Enkel, mit dem ich das ganze Geschlecht
der Menschen segne. - Der Gott eures Vaters, der Staub zum
Menschen empor gehoben, und ihm eine unsterbliche Seele eingehaucht
hat! dessen Erscheinungen ich gesehn habe! der mich gesegnet,
und gerichtet hat! - Er, der große Angebetete, geb euch
- viel Schmerzen - und viel Freude! und so erinnere er euch
oft, daß ihr sterben müßt, wieder unsterblich
zu werden. Was nur die Erde giebt, und der Leib des Todes
nur empfängt, das nehmt, wie der Wandrer, der sich an
der Quelle nicht hinsetzt, sondern eilt. Seyd weise, daß
euer Herz edel werde! Seyd so edel, daß ihr den großen
Werth der Trübsale dieses Lebens ganz verstehn lernt.
Liebt euch untereinander! Ihr seyd Brüder! Menschlichkeit
müsse eure Wonne seyn! Der sey der größte
Mann unter euch, der der menschlichste ist! Es müsse
euch an Seths nicht fehlen, die euch an Gott erinnern! Und
wenn der Gott eures Vaters und euer Gott den großen
Verheißnen, zu dem ich itzt gehe, euch sendet: so hebt
euer Haupt auf, und schaut gen Himmel, und betet an, und dankt,
daß ihr geschaffen seyd! - Aber auch dann noch seyd
ihr Erde, und müßt zu Erde werden! -
(Indem er diese letztern Worte spricht, wird ein dumpfes Geräusch
in der Ferne gehört).
S e t h. (der ängstlich aufspringt) Hört ihr die
Felsen beben?
E v a. Adam!
S e t h. Sie beben immer näher herauf!
A d a m. Richter der Welt! ich komme! (indem der Fels krachend
einstürzt) O Tod! - Du bists! Ich sterbe!
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