FRANZ SUSMAN - KIRCHENHISTORIKER
"Und die Erde wird neu erblühen"



Die pythagoräische Lebensweise
der Philosophen



Die alten Philosophen suchten im Wesentlichen nach den Antworten auf die ewigen Fragen des Menschen, warum dieses Leben so bitter, oft unerfüllt, scheinbar sinnlos und voller Krankheiten und Leid ist. Ihre Erkenntnisse brachten zutage, dass der Mensch ein langes, erfülltes Leben (120-150 Jahre) erreichen kann, wenn er mit der Natur und nicht gegen die Natur lebt.

Auffallend aber ist, dass die Philosophen selbst dieses hohe Alter oft nicht erlangten. Warum nicht, so fragt man sich. Beschäftigt man sich aber eingehender mit ihnen, so erfasst man, dass sie eben Pioniere waren, die ja auch auf der Suche nach den verlorengegangenen Naturgesetzen waren und diese oft nur teilweise enträtselt haben. Ohne ihr Suchen und ohne ihre Erfahrungen und Schriften aber wüssten wir heute noch weniger als die Naturvölker, die sich noch von einem guten Instinkt leiten lassen.

Es gibt Stämme, besonders in Nordamerika, die das Wissen um den Menschen und um die Natur in der letzten Eiszeit nicht verloren hatten. Durch mündliche Tradition erhielten sie das, was die Philosophen mit Mühe finden. Das Naturgesetz der natürlichen Ernährung ist leicht zu kontrollieren, wenn man es lebt.
Die primordialen, die ursprünglichen Menschen erreichen das Durchschnittsalter von 110 bis 130 Jahren. Zivilisationskrankheiten kennen sie nicht.

Vivisektion

In Deutschland werden jährlich mindestens 10.000.000 Tiere in der sogenannten Forschung umgebracht, damit der Wissenschaftler bestimmte Medikamente auf ihre Wirkungsweise hin prüft. Viel schmerzloser wäre es zu beobachten, wie eine bestimmte Ernährung auf den Menschen wirkt.

Philosphisch veranlagte Menschen haben das getan. Wir haben Berichte von solchen Studien seit Herodot, Hippokrates, Zarathustra, Pythagoras, Platon, seit Kirchenvätern über die Essener bis zu Cornaro, Leonardo da Vinci, Montaigne, Voltaire, Wagner, Tolstoi und Schweitzer. So haben wir endlich gute Resultate, denn die Aussagen der Denker ergänzen sich und widersprechen sich nicht, sondern weisen alle, dieselbe Richtung. Keine Therapie, keine Medizin hat so geholfen wie die Lebensweise, die die Früchtenahrung kennt. Mit "Früchten" sind jene Produkte der Pflanzen gemeint, die Fruchtfleisch und Kerne (Samen) haben. Menschen, die sich von Früchten ernähren, werden "Frutarier" oder "Frugivoren" genannt. Karotten, Weizenkörner, Nüsse oder Eier sind nach dieser Begriffsbestimmung keine Früchte.

Die folgenden Forscher sind nach meinen Beobachtungen die
wissenschaftlichen Bahnbrecher des neuen Lebens, der neuen Kultur:

    1. Arnold Ehret - der Entdecker der schleimfreien Diät
    2. Dr. Edmond Bordeaux-Szekely - der Essenerforscher
    3. Dr. George Clements - Historiker
    4. Dr. Leon A. Wilcox - Heilung der Menschen mit Orangen
    5. Henry Bailey Stevens - Kulturforscher, Entdecker des
      Zusammenhangs zwischen Höherentwicklung und Baumkultur
    6. Dr. Richard St. Barbe Baker - Heiler der Welt
    7. Dr. Anna Kingsford
    8. Walter Sommer - das Urgesetz der natürlichen Ernährung

Auf Grund der Erkenntnisse, die diese großen Männer entdeckt haben, wird in den nächsten Jahren eine neue, echte Ernährungswissenschaft entstehen, denn sie haben die Erfahrungen der Geschichte zusammengefasst und die gewonnenen Ergebnisse an sich selbst erprobt.

Dass die Höherentwicklung erst mit den Baumfrüchten, als Stufenleiter der Zivilisation, möglich wurde, ist sehr einleuchtend.

Die Urgeschichte

Wenn wir Carl Boetticher und H. B. Stevens folgen, erfahren wir, dass die Urvölker in inniger Verbundenheit mit den Bäumen lebten (die Bischnoi in Rajastan tun das z.B. heute noch, sie schützen die Bäume mit ihrem eigenen Leben).

Die Urreligion war eine Naturreligion in dem Sinne, dass die Menschen auf jener Stufe eine hohe, unfassbare Intelligenz am besten in der Natur, in den Bäumen vorfanden. Deshalb verehrten die ältesten Völker den hohen Geist in der Natur, d.h. in und bei den heiligen Bäumen und Hainen.
Respektvoll standen sie vor der Vielfalt der Kräfte, die in den Bäumen walten. Bäume waren Vertreter hoher Geistwesen.
Jene Völker wussten wohl noch, dass Verschiedenartigkeit durch verschiedene Intelligenzen hervorgebracht wird.

Die moderne Forschung war und ist blind für dieses Wissen der Alten.
Wenn sich früher Stammesführer unter den von ihnen verehrten Bäumen versammelten, um Feste zu begehen oder schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, dann sicher deswegen, weil sie wussten, welche enormen Kräfte durch die Natur in die Menschen fließen.

Im 4. Jahrhundert begann die Verfolgung solcher Feste und Riten.
Die christlichen Missionare und Kaiser, beginnend mit Theodosius (347 - 395) gingen mit der Axt gegen die Bäume vor, unter denen sich die Menschheit naturgemäß entwickelt hatte. Und sie zwangen den "missionierten" Völkern die künstlichen, von Menschenhand gemachten, unnatürlichen Gotteshäuser auf.
Dies war der Anfang der endgültigen Verwüstung der Erde. Trotzdem konnte sich die Baumverehrung bis zum 9. Jahrhundert halten und zwar besonders in den nördlichen Breiten.

Der antike Baumkult

In der alten hellenistischen, italischen und chinesischen Welt war ein religiöser Kult nur dort möglich, wo heilige Bäume standen oder eigens dafür angepflanzt wurden. Boetticher schreibt dazu: "In der Ideenwelt der Alten gibt es nichts isoliert Dastehendes, es ist alles aus einer Wurzel und einem Stamm erwachsen, jedes Einzelne ein Glied der großen Gedankenkette, welches, aus seinem Zusammenhang gerissen, ohne Erklärung dasteht.

Unter den Naturmalen, welche man als Wohnsitze und sichtbare Bildformen der Gottheit ansieht, kommen vornehmlich diejenigen in Betracht, in welchen der Mensch nicht nur eine seiner eigenen Natur engverwandte Lebenstätigkeit erkannte, sondern an die er zu Erhaltung seiner physischen Existenz auch am meisten gewiesen war: die lebensspendenden (statt: lebennährenden) Pflanzen, vornehmlich die Bäume; und weil der göttliche Geist als ein ewig wacher und wirkender Geist gedacht ist, sind dementsprechend unter den Bäumen diejenigen welche grünend niemals ihr Laub abwerfen und dabei eine über alle Erinnerung gehende Lebensdauer haben, die als Vertreter der unvergänglichen und nie schlummernden Gotteskraft betrachtet werden."
"Es sind vom
Uranfang an dem Hellenen, Latiner, Meder und Armenier, dem Chaldäer wie dem dem Kananiter, dem Inder wie dem Germanen und Kelten Bäume die ersten Tempel und irdischen Abbilder der Gottheiten gewesen, in welchen deren Geist hauste und mit ihnen verkehrte, in welchen er seinen Willen durch Vorzeichen und Orakel offenbarte. Schwer kann es noch einen Zweifel geben, dass unter allen Naturmalen, nächst dem Quell, die Bäume zuerst als Heiliges verehrt wurden, dass Feuer und Wasser die ältesten Zeichen heiligen Dienstes gewesen seien. Denn wie der Mensch nicht ohne den trankspendenden Quell, so vermag er nicht ohne den Nahrung, Feuer und Nutzholz gebenden Baum zu leben.

Mit seltener Übereinstimmung wird dieses ursprüngliche Heiligkeitsverhältnis der Bäume, als lange Zeit vor dem Bilder- und Tempeldienst bestehend und ihm vorausgehend von alten Schriftquellen bezeugt.

Plinius meint: sie ermangelten ebenso wenig der Seele, wie jedes andere Lebende; es seien stets Bäume und Wälder für das höchste Geschenk gehalten, was die Natur dem Menschen verliehen. Von ihnen habe man die erste Nahrung und Bekleidung bekommen, deswegen wolle er mit der Beschreibung der Bäume auch eine Darstellung der ursprünglichen ältesten Sitten vereinigen.

Nach dieser Einleitung fährt er dann weiter fort: Bäume seien Tempel der Gottheiten gewesen; es weihe noch heute der schlichte Landmann auf altherkömmliche Weise den schönsten Baum einem Gott und man verehre nicht die von Gold und Elfenbein strahlenden Götterbilder in größerer Andacht, sondern die Haine und das in ihnen herrschende feierliche Schweigen; auch bestehe der Glaube, dass die Bäume den Silvanen, Faunen und anderen Göttinnen, oder vielmehr deren Numina, ebenso angehörten als der Himmel den Göttern, daher blieben fortwährend die verschiedenen Arten von Bäumen besonderen Gottheiten geweiht: so die Eiche dem Jupiter, die Olive der Minerva, die Myrte der Venus, der Lorbeer dem Apollo, die Pappel dem Hercules.

2) Plin. 12,2. Bacc fuerc numinum templa, priscoque rito simplicia
oorura etiam nume deo praccellentem arborem dicant. Nee magis ooauro fulgentia atque chore simulaera quam lucus et in iis silentia ooipsa adoramus. Arborum genera muninibus suis decata perpetuo ooservantur: at levi esculus, Apollini laurus, Minervae olea, Veneri oomyrtus, Herculi populus. Quin et Silvanos Faunosque et dearum oogenera silvis ac sua numina tanquam et caelo attributa credimus.
5) Aristoph. av. 615 fg., wo Schol. 617

ganz richtig versteht.
6) St. Cyrillus in Isaiam.

Beispielsweise jener Myrthenbaum als Artemis
Soteira zu Boia; vgl. Myrte.
7) Theophylactus, Comment. in S. Ios. c. 4, p. 616.
8) Zonaras Annal. T. 3. Leon Isaar. p. 82.

Dann führt er weiter aus, welche Segensgaben die Menschen von den Bäumen empfingen; es seien diese so bedeutend dass sie ohne dieselben nicht zu leben vermöchten. Einst, erzählt Phädrus wählten die Götter Bäume, um in ihrem Schutz zu sein; die Eiche gefiel dem Jupiter, die Myrte der Venus u.s.w! Wir aber haben den Olivenbaum wegen seiner Früchte lieber: (Oliva nobis propter fructum est gratior. Phaedr. fab. III, 17)
Lukian holt noch weiter aus, wenn er sagt: Es haben zuerst die Menschen den Göttern Haine und Höhen geweiht, Vögel geheiligt und jeder Gottheit einen besonderen Baum gegeben; sodann habe jedes Volk sich seine besondere Gottheit gewählt und als bei sich wohnend verehrt; zuletzt endlich habe man den Göttern erst Tempel errichtet, ihnen Bilder gemacht und geglaubt das seien die Götter selbst. Wie deutlich sich die späten Athener noch dieses ursprünglichen Verhältnisses bewusst waren, erzählt Aristophanes.
Er verlangt, dass die Athener die Götter wieder im Freien verehren und 'statt Tempel mit goldenen Türen den Ölbaum zu Tempel weihen.'
Er spricht vom ursprünglichen Zustand der Gottesverehrung, von jener Kultphase wo der Ölbaum noch Bild und Tempel der Athena war, bevor man ihr ein Bild und ein Tempelhaus stiftete." (Boetticher Seite 8-11)

Plutarch, Klemens von Alexandrien, Tertullian und Augustinus schreiben, dass die heiligen Bäume Roms älter waren als die Stadt Rom, und dass in den ersten 170 Jahren seiner Gründung Rom noch keine Götterbilder hatte, also nur Bäume.
Plutarch, Numa 8; Clemens v. Alex., Strom. 1,71; Tertull. Apolog. 25: "Etsi a Numa concepta est curiositas superstitiosa, nondum tamen aut simulacris aut templis res divina apud Romanos constabat et deus ipse nusquam."

Augustinus De civ. Dei 4,31 und 9 - Auch nach der Erscheinung der Tempel aus Stein und den Göttern aus Marmor, blieb doch die Verehrung des Lebens in den Bäumen als die normale und wesentlichste Würdigung der Gottheit. Die steinernen "Häuser Gottes" in Dodona, Samos und Delphi sind am Anfang lediglich Räume zur Aufbewahrung der Weihegeschenke. Die Tempel dagegen entstehen erst mit dem Bilderdienst. (Deshalb sagte Jesus auch: "Macht euch kein Bild von Gott, sondern betet zu ihm in eurem Herzen.")

Nur weil eine numinöse Seele einen Baum belebt, werden die besonderen, individuellen Götter der Bäume verehrt. Mit dem Baum entsteht der Kult, mit ihm wandert er weiter. "Wohin die Sacra als Filiale übersiedelt werden, dahin führt man einen Sprössling vom väterlichen Gottesbaum, pflanzt ihn auf und heiligt ihn durch Gründung des Altars und Speisetisches."

Herodot berichtet: In Euphratländern wuchs kein Ölbaum und kein Wein, sondern nur Sesam und Palmen. Aus diesem Grund konnten die Kulte der Athena und des Dionysos nicht dorthin verpflanzt werden. Auch später war keine Stiftung eines Kultustempels ohne Gottesbaum möglich.

Der Pythagoräismus durch die Geschichte

Obwohl ich mich während meines Geschichtsstudiums mit einigen Fragen beschäftigte, gab es doch Bereiche, die ich nie genauer untersuchte. Im Jahre 1981 rief mich ein alter Freund aus meiner Studienzeit an und bat mich um Hilfe. Er sollte für ein wichtiges internationales Gremium Material über Ökologie und über Tierschutz aus den ältesten historischen Quellen zusammentragen. Ich rief gleich bei Dr. Skriver an. Er meinte anfangs, es gäbe keinen Überblick über diese Fragen. Doch am nächsten Tag schrieb er mir, es gäbe doch ein Buch, das mir hier weiterhelfen könnte, Robert Springer's "Enkarpa", Kulturgeschichte der Menschheit im Lichte der pythagoräischen Lehre. Das Buch war 1884 in Hannover erschienen.

In wenigen Tagen hatte ich das Buch in Händen. Und es stellte sich heraus, dass es eines jener Bücher war, das wieder ein ganz neues Gebiet erschloss. Es beschäftigte sich mit den Quellen unserer Kultur, zurückgehend bis zu den Ägyptern, Indern, Israeliten und dann weitergehend zu den griechischen, römischen und neuzeitlichen Philosophen. Ganz erstaunlich war für mich die Erkenntnis, dass alle großen Denker wussten, worin die Ursachen unseres Elends gründen. Die Quintessenz aller Aussagen lautet: "Leid gibt es nur deshalb in der Welt, weil der Mensch, wenn auch unwissentlich, die Naturgesetze übertritt." Die Philosophen beobachteten ja immer die Entwicklung der Welt nach dem Gesetz der Ursache und Wirkung, denn sie wollten erkennen, wie die Dinge zusammenhängen, um dann Schlussfolgerungen für ein glückliches Leben aus diesen Erkenntnissen zu ziehen. Alle großen Philosophen haben das Wesentliche gewusst, nur hat jeder seine Akzente verschieden gesetzt, je nachdem, welche Details er studiert und beobachtet hat. In dem "Notwendigsten", in dem was die "Not wendet" aber waren sich alle einig. Die ganze hellenistische Kultur basierte auf der Einsicht des "reinen Lebens".