| Plutarch (etwa 45 
                            - 125) Er lehrte zur Amtszeit von Trajan Philosophie 
                            in Rom und war hochan-gesehen.Zu jener Zeit ging die klassische Epoche der römischen 
                            Literatur, die unter dem Konsulat von Cicera begonnen 
                            hatte, zu Ende und es begann eine neue Epoche, in 
                            der die griechische Sprache und Literatur ihren Rang 
                            behauptete und immer mehr an Einfluss gewann. Es war 
                            wie eine Nachblüte der griechischen Geistesbildung, 
                            die sich in der Philosophie und der Redekunst ausprägte. 
                            Unter der großen Menge der Schriftsteller aus 
                            dieser Periode ragt Plutarch heraus. Dieser geniale 
                            Schriftsteller von hohem und edlem Charakter legte 
                            in seinen Schriften besonderes Gewicht auf Ethik.
 
 Plutarch soll etwa 
                            300 Schriften verfasst haben, die zum Teil philosophisch 
                            bzw. mehr historisch ausgerichtet waren. Es sind uns 
                            nur 125 davon erhalten geblieben. In diesen Schriften 
                            finden sich viele Stellen, die an die Ethik des Pythagoras 
                            anknüpfen. Ich zitiere aus den diätetischen 
                            Vorschriften, einem Gespräch zwischen Moschion 
                            und Zeuxippus:
 Es wurde davon gesprochen, 
                            dass die einfachste Kost immer die gesundeste sei 
                            (Man müsse sich vor allem vor Überfüllung, 
                            Betäubung und Genusssucht hüten, wenn ein 
                            Fest, eine Bewirtung der Freunde, ein Gastmahl bei 
                            einem König oder einem Adeligen oder sonst ein 
                            Festmahl bevorstünde. Dann müsse man seinen 
                            Körper geradezu auf einen bevorstehenden Sturm 
                            vorbereiten, denn es sei schwer, sich bei solchen 
                            Festlichkeiten in den gewöhnlichen Grenzen zu 
                            halten, ohne unhöflich bei allen aufzufallen.Damit sich aber nicht Feuer auf Feuer, Überfüllung 
                            auf Überfüllung und Wein auf Wein häufe, 
                            müsse man jenen feinen Scherz des mazedonischen 
                            Königs Philipp nachahmen, der bei einem üppigen 
                            Gastmahl, das ihm zu Ehren bereitet wurde, seinen 
                            Freunden insgeheim sagen ließ, ein jeder sollte 
                            ein Plätzchen für den Kuchen übrig 
                            lassen. Alle erwarteten den Kuchen und hielten sich 
                            von den anderen Speisen etwas zurück.
 Plutarch Er wurde 39 nach Chr. 
                            Geb. zu Chäronea in Böotien geboren. Unter 
                            Trajan's Regierung lehrte er in Rom Philosophie und 
                            bekleidete mehrere bürgerliche Ehrenämter.Die klassische Zeit der römischen Literatur, 
                            die eigentlich unter dem Konsulat des Cicero begonnen 
                            hatte, neigte sich ihrem Ende zu und es begann die 
                            Zeit, wo griechische Sprache und Literatur ihre Überlegenheit 
                            behaupteten und eine immer weitere Herrschaft in der 
                            geistigen Welt gewannen; eine neue Nachblüte 
                            der griechischen Geistesbildung, die ihre Wurzel vorzugsweise 
                            in Philosophie und Redekunst befestigte. Unter der 
                            großen Menge von Schriftstellern aus dieser 
                            Periode ragte Plutarch hervor, ein genialer Schriftsteller, 
                            der sich den moralischen Reichtum des klassischen 
                            Altertums zu eigen gemacht hatte und namentlich in 
                            seinen Biografien einen Schatz von Wissen, einen großen 
                            streng sittlichen Gehalt entfaltete und den redlichsten 
                            Charakter offenbarte.
 
 Er soll gegen 300 
                            teils philosophische, teils historische Schriften 
                            verfasst haben, wovon 125 erhalten geblieben sind. 
                            
 In seinen philosophischen 
                            und moralischen Schriften finden sich viel Stellen, 
                            welche Anklänge an die Ethik des Pythagoras enthalten 
                            und namentlich auf die unmenschenwürdige Diät 
                            hinweisen. Wir zitieren viele Namen durch Plutarch. 
                            Die von Porphyrius sind verloren.In den diätetischen Vorschriften, einem Gespräch 
                            zwischen Moschion 
                            und 
                            Zeurippus (Ethica (Moralia) ed. Wyttenbach, 
                            Oxford 1795-1801. lib. XI.):
 
 Es wurde davon gesprochen, 
                            dass die einfachste Kost immer die gesündeste 
                            sei; man müsse sich besonders vor Überfüllung 
                            und Genusssucht hüten, wenn ein Fest, eine Bewirtung 
                            der Freunde, ein Gastmahl bei einem König oder 
                            Vornehmen oder sonst ein unvermeidlicher Schmaus bevorstehe; 
                            man müsse alsdann seinen Körper gleichsam 
                            bei gutem Wetter auf den bevorstehenden Sturm zuschicken 
                            und erleichtern. Denn es sei schwer, sich bei solchen 
                            Gastmahlen und Schmausereien in den gewöhnlichen 
                            Schranken zu halten, ohne durch Unhöflichkeit 
                            allen lästig und beschwerlich zu werden.
 Damit sich also nicht 
                            Feuer auf Feuer, Überfüllung auf Überfüllung 
                            und Wein auf Wein häufe, müsse man jenen 
                            feinen Scherz des macedonischen Königs Philipp 
                            nachahmen, welcher bei einem schwelgerischen Gastmahl, 
                            welches ihm bereitet wurde, seinen Freunden insgeheim 
                            sagen ließ, ein Jeder möchte ein Plätzchen 
                            für den Kuchen übrig lassen. Sie taten dies 
                            und schonten der aufgetragenen Speisen, in Erwartung 
                            des Kuchens; und so war das Mahl für alle hinreichend.
 Sokrates 
                            hatte zuerst gemahnt, sich vor Speisen und Getränken 
                            zu hüten, die uns reizen, ohne Hunger zu essen 
                            und ohne Durst zu trinken. Er 
                            untersagte den Gebrauch derselben aber nicht geradezu 
                            sondern lehrte, man müsse sich nur im Notfalle 
                            dazu verstehen, gleich den Staatsmännern, 
                            welche die zu Schauspielen bestimmten Gelder zu Kriegszwecken 
                            verwenden.
 Denn eine Speise von angenehmer Beschaffenheit darf 
                            nur in so weit genossen werden, als sie einen Teil 
                            der wirklichen Nahrung ausmacht. Man muss das Angenehme 
                            essen, wenn man nach dem Notwendigen hungert, aber 
                            nicht die Esslust nach einzelnen Dingen besonders 
                            erwecken, wenn das gemeine Bedürfnis schon gestillt 
                            ist. So wie das Tanzen für Sokrates eine angenehme 
                            Leibesübung war, so gereicht auch der Nachtisch 
                            denjenigen nicht zu Schaden, der ihn zur ordentlichen 
                            Mahlzeit macht.
 
 Wenn seltene und köstliche 
                            Speisen aufgetragen werden, muss man eher eine Ehre 
                            in der Enthaltung als im Genusse suchen und deuten 
                            wie Simonides, welcher sagte, das Schweigen habe ihn 
                            niemals gereuet, wohl aber oft das Reden. So wird 
                            es auch uns nicht gereuen, ein Gericht auszuschlagen, 
                            oder statt des salernischen Weins (Kampanien Horaz) 
                            Wasser zu trinken; Wohl wird uns aber das Gegenteil 
                            gereuen.  Indessen darf man 
                            nicht bloß der Natur keine Gewalt antun, sondern 
                            muss auch, wenn man einmal dergleichen aus Not genießt, 
                            die Esslust immer wieder auf 
                            einfache Speisen richten, um der Gewohnheit und Übung 
                            willen.Überzeugt, dass Schwelgerei und Üppigkeit 
                            vorzugsweise Empörungen und Unterdrückungen 
                            in den Staaten veranlassen, gab Krates, der Schüler 
                            des Diogenes, die scherzhafte Ermahnung: "Ziehe 
                            den Linsen nicht die leckeren Gerichte vor, damit 
                            du uns nicht in Aufruhr verwickelst." Ebenso 
                            muss jeder sich selbst ermahnen, den Linsen nicht 
                            leckere Speisen vorzuziehen, noch der Fische wegen 
                            Kresse und Oliven zu verschmähen, damit man dem 
                            Körper nicht Empörung und Unruhe verursache. 
                            Denn einfache Speisen erhalten die Esslust immer in 
                            den Schranken der Natur - die Künsteleien der 
                            Küche und Zuckerbäcker dagegen, diese arglistigen 
                            Gerichte und Gebäcke vermehren das Vergnügen 
                            ohne wirklichen Nutzen. Ich 
                            begreife nicht, wie man diejenigen Weiber hasst, welche 
                            gegen ihre Männer Liebestränke und Zaubermittel 
                            gebrauchen und doch zugibt, dass Mietlinge und Sklaven 
                            unsere Speisen verzaubern und vergiften.
 
 Den Athenern warf 
                            Demades vor, dass sie 
                            immer zur Unzeit kriegerisch wären und nach einer 
                            erlittenen Niederlage nur in schwarzen Kleidern Frieden 
                            schlössen. Ebenso denken auch wir nicht eher 
                            an eine mäßige und eingeschränkte 
                            Lebensweise, als bis wir uns von den Ärzten müssen 
                            brennen und bepflastern lassen. Auch alsdann suchen 
                            wir noch unsere Vergehen so viel wie möglich 
                            zu bemänteln und schieben, wie der Pöbel, 
                            die Schuld nicht auf die Unmäßigkeit und 
                            Leckerhaftigkeit, sondern auf die Luft, aber auf die 
                            ungesunde Gegend oder auf Landseuchen.
 Für einen gesunden 
                            Körper schicken sich keine heftige, widerspenstigen 
                            und tobenden Begieren. Daher muss man einer ausschweifenden 
                            lüsternen Begierde widerstehen und ihr Klagen 
                            und drängen für lächerlich und kindisch 
                            halten. Man bedenke, dass die Esslust gestillt sein 
                            werde, sobald das Essen abgetragen worden ist, und 
                            dass die Begierde dann gelassen und ruhig den folgenden 
                            Tag erwarten wird. 
 Timotheus 
                            sagte, nachdem er beim Plato in der Akademie einem 
                            philosophischen und mäßigen Gastmahl beigewohnt 
                            hatte: "Wer beim Plato speist, der hat auch noch 
                            am andere Tage Lust, zu essen." Und von Alexander 
                            erzählt man, als die Königin Uda von Carien 
                            ihm Köche zugesandt, hätte er dieselben 
                            mit den Worten zurückgeschickt: er führe 
                            weit bessere Köche mit sich, für das Mittagsmahl 
                            den nächtlichen Marsch, für das Abendessen 
                            die dürftige Mittagsmahlzeit.
 Allerdings können 
                            die Menschen auch durch Übermüdung, Erhitzung 
                            und Erkältung in Fieber verfallen. Allein wie 
                            der schwache Geruch der Blumen stärker wird, 
                            wenn man ihn mit Öl versetzt, ebenso gibt auch 
                            der Überfluss an Säften den äußerlichen 
                            Ursachen den Stoff: ohne diesen wäre nichts Schlimmes 
                            zu befürchten, sondern die äußerlichen 
                            Ursachen lassen sich gar leicht heben und zerteilen, 
                            begünstigt durch ein verdünntes Blut und 
                            einen freien Atem, welcher der Bewegung zu Statten 
                            kommt. Die überflüssige Menge von Säften 
                            aber pflegt, wie ein aufgerührter Schlamm, alles 
                            zu verunreinigen, zu verschlimmern und die Kur zu 
                            erschweren. Deshalb darf man den Leib nicht erst überladen 
                            und beschweren und alsdann wieder reinigen und ausspülen 
                            - so wie eifrige Schiffer aus Geiz zu viele Ladung 
                            in das Schiff nehmen, und nachher unaufhörlich 
                            das Gewässer auspumpen müssen - sondern 
                            man muss seinen Leib beständig in einem solchen 
                            Zustande halten, dass er sich wie Kork, vermöge 
                            seiner Leichtigkeit wieder emporheben kann, falls 
                            er ja einmal niedergedrückt wird.
 Hauptsächlich 
                            hüte man sich vor der Unverdaulichkeit, welche 
                            vom Fleische herrührt, weil sie nicht bloß 
                            anfangs Beschwerden verursacht, sondern auch sehr 
                            üble Folgen zurücklässt. Am besten 
                            wäre es freilich, seinen Körper zu gewöhnen, 
                            dass er des Fleisches gar nicht bedarf. Die Erde bringt 
                            ja tausenderlei nicht bloß nahrhafte, sondern 
                            auch angenehme Dinge hervor, die man teils auf der 
                            Stelle ohne weitere Mühe genießen, teils 
                            auch durch Vermischung und mannigfaltige Zubereitung 
                            noch angenehmer machen kann.
 Die 
                            Arzneien richten im Unterleib nichts als Zerrüttung 
                            an, verderben und lösen alles Vorhandene auf 
                            und erzeugen dadurch mehr schlechte Säfte als 
                            sie austreiben. Wer aus Verdruss über 
                            das griechische Gesindel, unter dem er lebt, die Stadt 
                            mit lauter Arabern und Leuten bevölkern wollte, 
                            der würde sehr lächerlich handeln; aber 
                            ebenso lächerlich handelt Derjenige, welcher 
                            sich, um den Körper zu reinigen, purgierende 
                            Körner und Kräuter und andere naturwidrige 
                            Arzneien, die eher selber einer Reinigung bedürfen, 
                            mit Gewalt einzwingt.
 Vom Kaiser 
                            Tiberius wird erzählt, er habe einst 
                            gesagt: "Ein Mann, der über sechzig Jahre 
                            alt ist und sich noch vom Arzte den Puls fühlen 
                            lässt, macht sich lächerlich." Dies 
                            mag zu weit gegangen sein, aber das bleibt ausgemacht, 
                            dass ein Jeder Kenntnis haben müsse von der Beschaffenheit 
                            seines Pulses, von der Mischung der Wärme und 
                            Trockenheit in seinem Körper und von den Dingen, 
                            die ihm nützlich oder schädlich sind. Denn 
                            demjenigen würde alle Selbstkenntnis abgehen 
                            und er wohnte taub und blind in seinem Körper, 
                            der dieses erst von Anderen erfahren und den Arzt 
                            befragen wollte, ob er im Winter oder im Sommer gesunder 
                            sei; ob Feuchtes oder Trockenes besser zusage; ob 
                            er einen schnellen oder langsamen Puls habe. Solche 
                            Kenntnis ist nicht bloß nützlich, sondern 
                            auch leicht, denn man kann beständig Erfahrung 
                            machen oder darauf achten. Man muss wissen, unter 
                            den Speisen die nützlichen vor den schmackhafteren 
                            zu wählen, was dem Magen nützlich und was 
                            ihm schädlich ist, was die Verdauung nicht stört 
                            und was bloß zum Gaumenkitzel dient. Wenn man 
                            den Arzt fragt, was leicht oder schwer zu verdauen 
                            ist, was den Magen stärkt oder verderbt, so ist 
                            dies ebenso schimpflich, als ihn zu fragen, was süß, 
                            bitter oder sauer sei. Die 
                            Lebensart, für die wir die innere und äußere 
                            Freiheit ernten 
                             
                              | In 
                                  der Schilderung des Gastmahls der sieben Weisen 
                                  (Ethica, lib. 
                                  XIII.) setzt Plutarch diese diätetischen Lehren 
                                  noch weiter fort:
 
  
                                  Sie scherzten 
                                    bei Tafel miteinander. Indessen bemerkte ich, 
                                    dass die Mahlzeit viel einfacher als gewöhnlich 
                                    war und ersah daraus, dass die Bewirtung weiser 
                                    und biederer Männer keineswegs einen 
                                    größeren, sondern vielmehr einen 
                                    geringeren Aufwand erfordere und alle Verschwendung 
                                    an künstlichen Gerichten, ausländischen 
                                    Leckerbissen und künstlichen Weinen überflüssig 
                                    mache. Vormals pflegte  Beriander 
                                    sich solcher Verschwendung wegen seiner Reichtümer 
                                    und Würden täglich zu bedienen, 
                                    jetzt aber sucht er vor diesen Männern 
                                    eine Ehre in einem mäßigen und 
                                    geringen Aufwand. Ebenso machte er es auch 
                                    mit seiner Gemahlin, die ihren gewöhnlichen 
                                    Schmuck hatte ablegen müssen und in einer 
                                    ganz einfachen, sittsamen Kleidung erschienen 
                                    war.
 Ich lobe den 
                                    Epimedes, sagte Thales im Scherz, dass 
                                    er sich nicht erst die Mühe machen will, 
                                    sein Essen zu mahlen und zu kochen, 
                                    wie Pittalus tuet. Hesiod ist es, der dem 
                                    Epimedes zuerst die Anweisung zu solcher Speise 
                                    gab, versetzte Solon, indem er ihn aufforderte, 
                                    zu untersuchen, welchen Nutzen die Malven 
                                    und Asphodillen gewähren (Hesiod, Werke 
                                    und Tage, B. 41.), womit er wahrscheinlich 
                                    sagen wollte, dass man der gefährlichen 
                                    Schiffahrt und der mühsamen Feldarbeit 
                                    überhoben sei, wenn man sich mit solcher 
                                    einfachen Kost begnügte.Meinst du, sagte Periander, Hesiod hätte 
                                    dies sagen und nicht vielmehr uns die einfachsten 
                                    und gesündesten Speisen empfehlen wollen, 
                                    wie er ja bei jeder Gelegenheit die Sparsamkeit 
                                    erhebt? Die Malve ist angenehm zu essen und 
                                    der Stengel der Asphodillen ist süß: 
                                    jene Speise, oder vielmehr Arznei, wird dagegen, 
                                    wie ich höre, aus Honig, ausländischem 
                                    Käse und vielerlei seltenen Samen bereitet. 
                                    Würde, mit Hesiod zu reden, wohl die 
                                    Arbeit der Ochsen und Last tragenden Männer 
                                    rasten dürfen, wenn man alle diese Sachen 
                                    zu unserer Nahrung anschaffen müsste? 
                                    Es wundert mich sehr, 
                                    mein Solon, dass dein Gastfreund, als er seine 
                                    große Weihe in Delos empfing, nicht 
                                    bemerkte, dass daselbst die Proben der ältesten 
                                    Nahrung zum Denkmal in den Tempel gebracht 
                                    wurden und unter anderem auch Malven und Asphodillenstengel. 
                                    Diese rühmt Hesiod auch ohne Zweifel 
                                    deswegen, weil sie einfach und gewöhnlich 
                                    sind. - Nicht allein deswegen, sagte Anacharsis, 
                                    sondern auch weil beide als die Gesundheiten 
                                    unter allen Kräutern gerühmt werden.
 |  In den Marimen (Ethica. Lib. XVI u. XVII.) von Königen 
                            und Feldherren und in den lakonischen Marimen führt 
                            Plutarch berühmte Muster von einfach und naturgemäßer 
                            Lebensweise auf.
 Der ältere Cato 
                            sagte einst, als er öffentlich über Verschwendung 
                            und Üppigkeit redete: "Wie schwer ist es, 
                            zum Bauche zu reden, der keine Ohren hat!"
 
 Agesilans 
                            sagte zu einem, der sich über seine und der Lacedämonier 
                            Mäßigkeit in Kost und Kleidung wunderte: Für 
                            diese Lebensart, o Fremdling, ernten wir die Freiheit."
  
                            Jemand wollte ihn 
                              überreden, von dieser Strenge abzulassen, da 
                              er ja nicht wissen könne, ob das Schicksal 
                              ihm immer Gelegenheit dazu geben würde. Er 
                              versetzte: "Ich gewöhne mich so, damit 
                              ich in keiner Veränderung eine Veränderung 
                              suche."
 Auch im Alter setzte 
                              er diese Lebensweise fort. Als man ihn einst fragte, 
                              weshalb er als Greis bei strengem Winter ohne Unterkleid 
                              ausginge, sprach er: "Damit die Jüngeren 
                              nachahmen, wozu ihnen die Ältesten und Könige 
                              ein Beispiel geben."
 Die Bewohner der 
                              Insel Thasus bei Thracien schickten ihm, als er 
                              durch ihr Land kam, Mehl, Gänse, Früchte, 
                              Honigkuchen und viele andere Speisen und köstliche 
                              Getränke. Er nahm aber von allem nur das Mehl 
                              und befahl den Überbringern, das Übrige 
                              zurückzunehmen, da es ihm unnütz wäre. 
                              Als die Abgeordneten ihn inständig baten, es 
                              anzunehmen, so ließ er es unter die Zeloten 
                              verteilen und gab als Grund an:  "Männer, 
                              welche sich großer Taten befleißigten, 
                              dürfen solches Naschwerk nicht annehmen.
 Was für Sklaven eine Lockspeise ist,
 das schickt sich nicht für Freie."
 
 Die Mahlzeiten der 
                              lacedämonischen Jünglinge waren sehr karg, 
                              denn sie sollten (nur?) ihren Hunger befriedigen 
                              und dadurch kühn und verschlagen werden; überdies 
                              wollte man sie auch gewöhnen, sich niemals 
                              zu überladen und im Notfall nur brauchbarer 
                              sein, wenn sie Beschwerden ertragen könnten, 
                              sondern sie würden auch mäßiger 
                              und enthaltsamer sein, wenn sie lernten, mit Wenigem 
                              lange auszukommen. Auch sollten sie mit der ersten 
                              besten Speise vorlieb nehmen, wenn sie keine Zukost 
                              hätten. Durch eine solche 
                              Lebensart, glaubte man, würde nicht bloß 
                              der Körper sich gesund erhalten, sondern auch 
                              einen schlanken Wuchs bekommen, indem der Atem, 
                              da er nicht durch übermäßige Speise 
                              in die Breite und Tiefe gedrückt werde, den 
                              Körper in die Höhe treibe und ihm ein 
                              schönes Ansehen gäbe. Denn eine 
                              schlanke, schmächtige Leibesbeschaffenheit 
                              befördert viel eher die Ausbildung der Glieder 
                              als eine dicke, fleischige, welche derselben durch 
                              ihre Schwere widersteht.In den Tischreden von Plutarch findet sich ein Gespräch 
                              zwischen Ulysses, Kirke und Gryllus, worin nachgewiesen 
                              wird, dass die Tiere Vernunft haben. (griechische 
                              Fußnote auf Seite 239)
 
 Gryllus bewegt den 
                            Ulysses, einzugestehen, dass die Seelen der Tiere 
                            zu Tugenden geeignet sind (insofern sie dieselben 
                            ohne Unterricht vollbringen), so die Natur die Saat 
                            aus einem unbebauten Feld aufwachsen lässt und 
                            dass sie die Tugenden sogar in höherem Maß 
                            besitzen als die weisesten unter den Menschen. Gryllus 
                            zeigt ferner, dass die Natur den Tieren, nicht aber 
                            den Menschen, Mut und Herzlichkeit verliehen habe; 
                            dass sie ferner durch ihre Begierden der Natur keine 
                            Gewalt antun, wie es bei den Menschen häufig 
                            vorkomme, dass überhaupt der Abstand von einem 
                            Tier zum anderen nicht so groß sei, wie sich 
                            die Menschen untereinander an Geist, Vernunft und 
                            Gedächtnis unterscheiden. Zum Schluss macht Gryllus 
                            auch die Folgerung: "Wie ein Baum nicht mehr 
                            und nicht weniger leblos ist als die anderen, sondern 
                            alle an Empfindlichkeit gleich sind, weil alle eine 
                            Seele haben; ebenso müsste auch unter den Tieren 
                            keines dümmer und ungelehriger sein als die anderen, 
                            da alle mit Verstand und Vernunft begabt wären, 
                            nur das eine mehr, das andere weniger."
 Im 8. Buch der Tischreden 
                            wird über die Pythagorischen Symbole gesprochen 
                            und weshalb die Pythagoäer sich der Fische enthielten.Es lasse sich schwer nachweisen, meinte Lucius, dass 
                            Pythagoras ein Etrurier gewesen sei; so viel aber 
                            sei sicher, dass er lange Zeit mit den ägyptischen 
                            Weisen Verkehr gehabt und vieles von ihnen angenommen 
                            habe, wie die priesterlichen Reinigungen. Dazu gehöre 
                            auch die Ablehnung der Bohnen. Denn Herodot erzähle 
                            (2. Buch, Kap. 37), dass die Ägypter weder säen 
                            noch ernten. So wissen wir auch - fuhr er fort, dass 
                            die Priester sich noch heute der Fische enthalten 
                            und, der Reinigung halber, auch den Gebrauch des Salzes 
                            vermeiden und keine Speise anrühren, die mit 
                            Meersalz vermischt ist.
 
 Plutarch 
                            fügt hinzu: 
                            Man ersieht aus den Schriften der Alten und 
                            aus ihren Opfern, dass sie nicht nur das Essen sondern 
                            auch das Schlachten eines Tieres, das keinen Schaden 
                            anrichtet, als eine sündhafte und gottlose Handlung 
                            betrachten. Da sie aber durch die zunehmende Menge 
                            der Tiere bedrängt wurden - ihnen auch ein Orakel 
                            aus Delphi die Feldfrüchte zu schützen befahl 
                            - so fingen sie an, den Göttern zu opfern, aber 
                            noch immer mit Furcht und Bangigkeit. Daher brauchten 
                            sie auch von der Opferhandlung die Wörter "handeln" 
                            und "verrichten", weil sie das Schlachten 
                            eines lebendigen Geschöpfes als ein großes 
                            und schweres Geschäft ansahen. Auch noch jetzt 
                            darf ein Tier nicht eher geschlachtet werden, bis 
                            es mit dem Trankopfer begossen, durch ein Nicken mit 
                            dem Kopfe seine Einwilligung gegeben hat. So vorsichtig 
                            hütete man sich vor jeder Art von Ungerechtigkeit. 
                            Das Schlachten wurde anfangs nur aus Notwendigkeit 
                            eingeführt, so kann man es doch jetzt schwer 
                            abschaffen, da man Vergnügen am Fleischessen 
                            gefunden hat.Anders verhält es sich mit den Seeltieren, da 
                            diese in einem anderen Element als wir leben und unseren 
                            Früchten keinen Schaden anrichten; der Fischfang 
                            sei daher nur ein Werk der Gefräßigkeit.
 
 Die Pythagoreer aber 
                            hätten sich vorzugsweise der Fische enthalten, 
                            weil sie jede Ungerechtigkeit nicht nur gegen Menschen, 
                            sondern auch gegen alle unschädlichen Tiere vermieden.Im 4. Buch der Tischreden handelt es sich um die Frage, 
                            ob eine vielfache Nahrung besser zu verdauen sei als 
                            eine einfache.
 Der 
                            Unterschied der einfachen - und der vielfachen Nahrung 
                            
 Zu Gunsten der Letzteren spricht Philinus: Philon 
                            sagt uns ja bei jeder Gelegenheit, erstens, dass die 
                            wilden Tiere eine ganz einfache und einförmige 
                            Nahrung genießen und daher viel gesunder sind, 
                            als die Menschen; diejenigen dagegen, welche in Ställen 
                            eingeschlossen gefüttert werden, sind häufigen 
                            Krankheiten ausgesetzt und leiden an Verdauungsbeschwerden, 
                            weil sie eine gemischte und künstlich bereitete 
                            Nahrung erhalten. Zweitens sagt er, noch niemals sei 
                            ein Arzt so verwegen und neuerungssüchtig gewesen, 
                            dass er einem Fieberkranken eine vielfache Nahrung 
                            verordnet habe; in solchen Fällen werden nur 
                            einfache, leicht verdauliche Speisen ohne Fett gestattet. 
                            Jede Speise muss doch durch die Kraft der inneren 
                            Organe verarbeitet werden.
 Einfache Farben färben 
                            die eingekochten Stoffe am leichtesten und kräftigsten; 
                            geruchloses Öl schickt sich am besten zur wohlriechenden 
                            Salbe. Ebenso lässt sich auch eine einfache Speise 
                            am leichtesten verdauen. Wenn 
                            aber vielerlei Stoffe, oft von entgegen gesetzter 
                            Beschaffenheit zusammenkommen, so geraten sie in Kampf 
                            und verderben und es geht damit wie mit dem gemischten 
                            und zusammengelaufenen Gesindel in einem Staate: sie 
                            gelangen zu keinem ruhigen, gleichförmigen Zustand, 
                            weil jedes sich mit dem Gleichartigen zu vereinigen 
                            strebt und die Verbindung mit dem Fremdartigen meidet.
 Dieser Auseinandersetzung 
                            widerspricht Marlion, indem er bestreitet, dass die 
                            Tiere eine einfachere Nahrung genießen als die 
                            Menschen; von der Diät der Kranken lasse sich 
                            ferner kein Schluss ziehen, denn beim Gesunden werde 
                            die Verdaulichkeit der Speisen durch Körperübung 
                            und andere Umstände gefördert. Unser Körper 
                            bestehe aus verschiedenartigen Bestandteilen und bedürfe 
                            daher auch verschiedenartiger Stoffe, deren Eigenschaften 
                            eben durch die Verdauungskraft umgewandelt werden. 
                            Das Mannigfaltige sei angenehm und das Angenehme lasse 
                            sich auch leicht verdauen, wenn nur das Übermaß 
                            vermieden werde. Marlion schließt mit den Worten:Solche Dinge hingegen, welche die Esslust nicht reizen, 
                            lassen sich schwer verdauen und treiben sich im Körper 
                            umher. Die Natur verwirft sie entweder ganz oder nimmt 
                            höchstens damit vorlieb, wenn ihr nichts Besseres 
                            geboten wird. Übrigens sind unter Mannigfaltigem 
                            keineswegs jene aus vielerlei Stoffen zusammengesetzte 
                            Pasteten und Brühen zu verstehen, welche ganz 
                            überflüssig und entbehrlich sind. Aber auch 
                            Platon gestattet seinen braven und edlen Bürgern 
                            verschiedene Speisen, indem er ihnen Zwiebeln, Oliven, 
                            Kohl, Käse und allerhand andere Gerichte vorsetzt, 
                            ihnen nicht einmal den Genuss des Zuckergebäcks 
                            untersagt.
 
 Erste 
                            Rede - eine beredte Anklageschrift gegen das karnivore Menschengeschlecht
 
 Höchst wichtig 
                            sind Plutarch's 2 Abhandlungen über das Fleischessen, 
                            eine beredte Anklageschrift gegen das karnivore Menschengeschlecht, 
                            worin er in ergreifender Rede die barbarischen Greuel 
                            des Schlachthauses und die aus dem Fleischgenusse 
                            entspringenden Übel schildert.  
                             
                              | Du fragst 
                                  mich, aus welchem Grunde wohl Pythagoras sich 
                                  des Fleischessens enthalten habe:  ich dagegen 
                                  möchte wohl wissen, welche Leidenschaft, 
                                  welche Seelenverfassung oder welcher Grund zuerst 
                                  den Menschen verleitet haben möge, Blut 
                                  mit dem Mund zu berühren und das Fleisch 
                                  eines toten Tieres an seine Lippen zu bringen; 
                                  wie er darauf verfiel, Leichname als Zukost 
                                  oder Speise auf seine Tafel zu setzen und Glieder 
                                  zu verzehren, welche kurz vorher noch brüllten, 
                                  schrieen, sich bewegten und sahen; wie er den 
                                  Anblick ertrug, das arme Tier schlachten, abhäuten 
                                  und zerstückeln zu sehen; wie die Nase 
                                  den üblen Geruch davon ertragen konnte 
                                  und wie es dem Gaumen nicht vor der Verunreinigung 
                                  ekelte, fremde Geschwüre zu berühren 
                                  und den Eiter aus tödlichen Wunden zu saugen. 
                                  Wenn es heißt: 
                                  Ringsum krochen 
                                  die Häute, es brüllte das Fleisch 
                                  an den Spießen. Rohes zugleich und gebratenes 
                                  und laut wie Kindergebrüll scholl's. 
                                  (Olyssee, XII. 395)
 |  So ist das allerdings nur eine Fabel und Erdichtung. 
                            Aber ein schauerliches Gastmahl muss es doch gewesen 
                            sein, da man nach Tieren hungerte, die noch brüllten; 
                            da man ein Beispiel gab, wie noch lebende und schreiende 
                            Tiere sich verzehren ließen, und anordnete, 
                            wie sie bereitet, gebraten und aufgetragen werden 
                            sollten. Man müsste also nach dem fragen, der 
                            das zuerst anfing, nicht nach dem, der es später 
                            wieder unterließ.
 
 Griechischer Text 
                            Opp. Lips. 1866. V. pag 507, Latein. De Esu Carnium 
                            part 1 u. 2. - Welche Stellung unsere Philologen, 
                            Physiologen und philosophische Kulturhistoriker von 
                            jeher gegen den Lehrsatz gefasst haben, den wir in 
                            dem vorliegenden Werk als Basis der ethischen Fortbldung 
                            des Menschengeschlechts darlegen: das beweist der 
                            Umstand, dass diese beiden Abhandlungen des Plutarch 
                            ganz unbeachtet blieben, 1797 zum ersten Male in's 
                            Deutsche übersetzt erschienen und dass bei dieser 
                            Gelegenheit der Übersetzer, Professor Kaltwasser 
                            sie für eine vermutliche Jugendarbeit und "Übungs-Deklamation" 
                            des Plutarch erklärt, indem darin bewiesen werde, 
                            dass der Mensch sich des Fleisch-Essens gänzlich 
                            enthalten müsse.
 Allerdings lässt 
                            sich annehmen, dass die Menschen, die zuerst Fleisch 
                            zu essen wagten, durch Mangel und Not dazu bewogen 
                            wurden. Denn diese Menschen waren noch nicht so sehr 
                            von unerlaubten Begierden beherrscht, lebten auch 
                            nicht in solchen Überfluss, dass sie aus bloßem 
                            Übermut auf jene seltsame und unnatürliche 
                            Lust verfallen wären; sie könnten im Gegenteil, 
                            wenn sie in jetziger Zeit Bewusstsein und Sprache 
                            bekämen, uns zurufen: "O, ihr seligen, beglückten 
                            Menschen, ihr Günstlinge der Götter! In 
                            welchem glücklichen Zeitalter seid ihr geboren! 
                            Welches Überflusses an allen Arten von Gütern 
                            könnt ihr genießen! Wie vieles wächst 
                            euch zu! Welchen Reichtum könnt ihr von den Fluren, 
                            welche Wonne von den Pflanzen ernten! Es ist euch 
                            vergönnt, etwas vom Leben zu haben, ohne euch 
                            zu besudeln; aber unser Leben fiel gerade in die traurigste 
                            und schrecklichste Zeit, wo die Schöpfung noch 
                            neu war und wir mit dem äußersten Elend 
                            und Mangel zu kämpfen hatten. 
 Noch war der Himmel 
                            durch düstere Luft verborgen, die Sterne noch 
                            mit trüber, undurchdringlicher Feuchtigkeit, 
                            mit Feuer und tobenden Stürmen umhüllt. 
                            Die Sonne hatte noch nicht ihren bestimmten unveränderlichen 
                            Lauf; sie schied weder die Morgenröte von der 
                            Abenddämmerung, noch brachte sie die Wiederkehr 
                            der wechselnden Jahreszeiten, geschmückt mit 
                            fruchtreichen Ährenkränzen. Durch das Austreten 
                            schrankenloser Stürme war die Erde verwüstet, 
                            viele Gegenden waren durch brausende Gewässer 
                            entstellt oder durch Sümpfe, unfruchtbare Gebüsche 
                            und Waldungen verwildert. Man konnte nicht daran denken, 
                            genießbare Früchte zu erzeugen: es gab 
                            keine künstlichen Werkzeuge und Maschinen. Der 
                            Hunger gönnte dazu keine Zeit und wenn selbst 
                            das Säen bekannt gewesen wäre, so ließ 
                            sich doch nicht auf die gewisse Rückkehr der 
                            Jahreszeiten rechnen, welche die Reife zu fördern 
                            hatten. So ist es kein Wunder, wenn wir uns, der Natur 
                            zuwider, des Tierfleisches bedienten, da man sogar 
                            Schlamm aß, Baumrinden benagte und es für 
                            ein großes Glück schätzte, grünes 
                            Gras oder eine saftige Wurzel zu finden. Die Menschen, 
                            welche Eicheln oder Buchenecker zu kosten oder zu 
                            essen fanden, tanzten vor Freude um den Eichenbaum 
                            oder die Buche und nannten den Baum einen Vater des 
                            Lebens und einen Ernährer. Das war das einzige 
                            Fest, welches die Menschen jener Zeiten kannten; alles 
                            Übrige war traurig, unlustig und schmerzensvoll. 
                            Aber welche Wut treibt denn euch zur Mordsucht an, 
                            bei dem jetzigen Überfluss? Warum lügt ihr, 
                            die Erde sei nicht im Stande, euch zu ernähren? 
                            Was bewegt euch, die Gesetzgeberin Gottes so zu beleidigen 
                            und den holden, liebreichen Bacchus so zu beschimpfen, 
                            als bekämet ihr von beiden keine hinlängliche 
                            Nahrung? Schämt ihr euch nicht, die milden, genießbaren 
                            Früchte mit Blut und Mord zu verunreinigen? Ihr 
                            nennt Schlangen, Panther und Löwen grausam, und 
                            mordet doch selber ohne Scheu und stehet ihnen an 
                            Grausamkeit nicht im Mindesten nach. Denn Jene morden, 
                            um sich zu ernähren, ihr aber bloß der 
                            Schwelgerei wegen."
 Wir 
                            essen freilich keine Löwen und keine Wölfe, 
                            um uns an ihnen zu rächen. Derartige Tiere lassen 
                            wir in Ruhe: aber die unschädlichen und zahmen, 
                            die weder Stacheln noch Zähne haben, uns zu verletzen, 
                            fangen und töten wir: Tiere, welche die Natur 
                            wirklich nur der Zierde und Schönheit wegen hervorgebracht 
                            zu haben scheint.
 Nichts vermag uns 
                            zu rühren, weder die Schönheit der Farben 
                            noch die Anmut der melodischen Stimme, noch die geistige 
                            Fähigkeit, weder die saubere, reine Lebensart 
                            noch die vorzügliche Klugheit der armen Tiere. 
                            Um eines Bissen Fleisch willen rauben wir ihnen Seele, 
                            Sonne, Licht und Leben, zu deren Genuss sie doch geschaffen 
                            und bestimmt sind. Ist ihr Geschrei, ihr Girren, das 
                            wir für eine unverständliche Stimme halten, 
                            nicht eine flehentliche Bitte und eine Mahnung, 
                            welche uns sagt: "Ich habe nichts gegen deine 
                            Bedürfnisse, aber gegen deine Schwelgerei. Töte 
                            mich immerhin, wenn du dich nähren musst, morde 
                            mich aber nicht, um deinen Genuss zu erhöhen!" 
                            Welche Grausamkeit! Es ist schon grässlich, die 
                            Tafel der reichen Leute zu sehen, die von Fleischern 
                            und Köchen mit Leichnamen besetzt wird: aber 
                            noch größeren Abscheu erregt es, die Tafel 
                            wieder abtragen zu sehen. Denn es bleibt immer mehr 
                            übrig, als verzehrt worden ist.
 Manche scheuen sogar 
                            das aufgetragene Fleisch, indem sie es nicht aufschneiden 
                            oder zerstücken lassen: der lebenden Tiere aber 
                            wollen sie nicht scheuen   
                            
                              | Anmerkung 
                                Regina: in Frankreich 
                                ist es ein beliebter "Fress-Sport" unter 
                                den Reichen, lebenden Affen die Köpfe aufschlagen 
                                zu lassen, um das Gehirn frisch herauszulöffeln |  Die Ausflucht: "Der Mensch sei
 von Natur zum Fleischesser bestimmt"
 Wir wollen nun die 
                            Ausflucht jener Leute betrachten, welche behaupten, 
                            der Mensch sei von der Natur zum Fleischessen bestimmt. 
                            Dass der Genuss des Fleisches dem Menschen nicht natürlich 
                            ist, zeigt sich schon zuerst in der Einrichtung und 
                            dem Bau seines Körpers. Denn der Leib des Menschen 
                            hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Tieren, 
                            die zum Fleischessen bestimmt sind. Er ist nicht versehen 
                            mit gebogenem Schnabel, nicht mit scharfen Krallen 
                            und spitzigen Zähnen, nicht mit der Stärke 
                            des Magens und der inneren Wärme, welche die 
                            schweren Fleischspeisen verwandeln und verdauen kann. 
                            Die Glätte der Zähne, die Kleinheit des 
                            Mundes, die Weichheit der Zunge und die schwache Verdauungskraft 
                            beweisen hinlänglich, dass die Natur uns von 
                            vorn herein nicht zu Fleischessern bestimmte. Behauptest 
                            du dennoch, du seist zu solchen Speisen geschaffen, 
                            so töte selber eigenhändig, was du verzehren 
                            willst, aber ohne ein Schlachtmesser, eine Keule oder 
                            ein Beil zu gebrauchen, so wie Wölfe, Bären 
                            und Löwen die Tiere töten, die sie fressen. 
                            Erwürge einmal einen Stier durch einen Biss, 
                            oder zerreiße ein Schwein, ein Lamm, einen Hasen 
                            mit dem Rachen und verzehre, wie jene, deine Beute 
                            noch halb lebend! Wartest du aber, bis das Tier, das 
                            du essen willst, eine Leiche geworden ist, schreckt 
                            dich die noch im Fleisch wohnende Seele zurück, 
                            weshalb isst du dann, der Natur 
                            zuwider, was eine Seele hat?
 Aber auch das entseelte 
                            und tote Tier isst niemand so, wie es ist, sondern 
                            es muss erst gesotten, gebraten, durch Feuer und Gewürze 
                            verwandelt und der Mord durch tausenderlei Brühen 
                            versteckt und verwischt werden, damit der getäuschte 
                            Geschmack das Widernatürliche ohne Widerwillen 
                            annehme.Treffend war die Antwort jenes Lacedämoniers. 
                            Als er sich in einem Wirtshaus einen Fisch kaufte 
                            und der Wirt zur Zubereitung Käse, Essig und 
                            Öl verlangte, rief er aus: Ei, wenn ich das hätte, 
                            so brauchte ich keinen Fisch zu kaufen." Wir 
                            hingegen schweifen in der Mordlust dermaßen 
                            aus, dass wir das Fleisch nur eine Zukost nennen und 
                            alsdann zum Fleisch wieder andere Zukost gebrauchen, 
                            indem wir Öl, Wein, Honig, Salzlake, Essig, syrische 
                            und arabische Gewürze dazu mischen und es wie 
                            einen wirklichen Leichnam einbalsamieren. Das Fleisch, 
                            welches auf diese Weise aufgelöst, erweicht und 
                            gewissermaßen in Fäulnis geraten ist, lässt 
                            sich äußerst schwer verdauen, und selbst 
                            wenn der Magen stark genug ist, es zu bewältigen, 
                            so verursacht es dennoch oft Unverdaulichkeit und 
                            andere unangenehme Beschwerden
 O.C 412 + 323 Kyniker, Schüler des Antiochones 
                            455-36? D. Laertios und des tollgewordenen Sokrates?
 
 Diogenes 
                            wagte es, 
                            einen Tintenfisch roh zu verzehren, um die Zubereitung 
                            durch Kochen entbehrlich zu machen. Da viele Priester 
                            und andere Leute herum standen, hüllte er sich 
                            in seinen Mantel, hielt ein Stück Fleisch vor 
                            den Mund und rief: "Seht, um euretwillen setze 
                            ich mich der Gefahr aus!" - Wahrlich, eine rühmliche 
                            Gefahr! Denn der Philosoph wagte sein Leben nicht, 
                            wie Pelopidas für die Freiheit der Thebaner, 
                            nicht um der Athener willen, wie Harmodius und Aristogeiton, 
                            sondern er kämpfte mit einem rohen Tintenfisch, 
                            um das menschliche Leben zu der vorigen Urnatur zurückzuführen.Das Fleischessen widerstrebt aber nicht bloß 
                            der Natur unseres Körpers, sondern 
                            es macht auch die Seele dumm durch Überladung.
 
 Durch Wein und reichlichen 
                            Fleischgenuss wird zwar 
                            der Körper stark und kräftig, aber 
                            die Seele wird entkräftet; und um mich 
                            nicht mit den Athleten zu verfeinden, will ich unsere 
                            Landsleute als Beispiel anführen. Früher 
                            nannten die Athener uns Böotier dumme und gefühllose 
                            Dickköpfe, vorzugsweise wegen der Gefräßigkeit. 
                            Andere nannten uns böotische Schweine und Menander 
                            hieß uns: die mit den tapferen Kinnbacken. Pindarus 
                            sagt in der 6. Sieges-Hymne: "Auf, treibe deine 
                            Genossen, Aeneas, damit wir der alten Schmähung 
                            entgehen, die uns böotische Eber schimpft."
 Eine 
                            dürre Seele ist die weiseste, meint Heraklit: 
                            Leere Fässer klingen, wenn man daran schlägt: 
                            die vollen aber antworten nicht auf die Schläge. 
                            Dünne kupferne Gefäße verbreiten einen 
                            Schall weithin, bis man die Schwingung durch Auflegen 
                            der Hand dämpft. Ein Auge, das mit zu viel Feuchtigkeit 
                            angefüllt ist, wird dunkel und untauglich zum 
                            Sehen. Sehen wir die Sonne durch eine feuchte, mit 
                            dicken Dünsten angefüllte Luft, so erscheint 
                            sie uns, anstatt in reinem Glanz, nur in düsterem, 
                            nebligem und gebrochenem Licht. Durch einen dicken, 
                            übersättigten und mit fremdartiger Nahrung 
                            angefüllten Körper muss auf gleiche Weise 
                            die Heiterkeit, das Licht der Seele, in dem Maß 
                            geschwächt und verdunkelt werden, dass sie alle 
                            Kraft verliert, über seine und schwierige Dinge 
                            richtig zu denken.
 Wenn wir aber auch 
                            dieses Alles nicht hervorheben wollen, in Anschlag 
                            bringen wollen, ist nicht die Gewöhnung zur Menschenliebe 
                            etwas herrliches und Bewundernswertes? Denn wer würde 
                            einen Menschen kränken wollen, der mild und liebreich 
                            gesinnt ist gegen fremde Geschöpfe, die mit ihm 
                            in seiner Verbindung stehen? Ich bemerkte schon in 
                            meinem Vortrag über Xenokrates, dass die Athener 
                            einst jemanden bestraften, weil er ein Schaf lebendig 
                            geschunden hatte. Ein lebendiges Tier martern ist 
                            aber in meinen Augen nicht streitbarer, als es zu 
                            töten und des Lebens zu berauben. Wie es aber 
                            scheint, so haben wir nicht Empfindung für das 
                            Gewohnheitsmäßige, als für das Naturwidrige.
 Die bisher angeführten 
                            Gründe sind freilich etwas gewöhnlich und 
                            bekannt, aber ich trage Bedenken, in meiner Rede den 
                            geheimnisvollen und erhabenen Ursprung jenes Lehrsatzes 
                            über das Enthalten vom Fleischessen zu berühren, 
                            in der Weise, wie der Steuermann das Schiff im Sturm 
                            bewegt oder wie der Dichter auf dem Theater plötzlich 
                            vermittelst einer Maschine einen Gott erscheinen lässt: 
                            denn dieser Ursprung würde stumpfsinnigen und 
                            - wie Platon sagt - nur auf das Vergängliche 
                            gerichteten Menschen unglaublich erscheinen. Ja 
                            dessen ist es vielleicht nicht ganz überflüssig, 
                            wenn ich mich vorläufig auf jene Stelle des Empedokles 
                            (490-430 - 4 Ehemaliges Werden und Vergehen) 
                            berufe, wo er in Sinnbildern erzählt, dass die 
                            Seelen an sterbliche Körper gefesselt werden, 
                            zur Strafe dafür, dass sie gemordet, Fleisch 
                            gegessen und einander verzehrt haben.  Diese Erklärung 
                            scheint aber weit älter zu sein als Empedokles, 
                            dem die Fabeln von der Zerstückelung des 
                            Bacchus, von den Vergehen, welche die Titanen 
                            an ihm begingen, von ihrer Bestrafung und Zerschmetterung 
                            durch den Blitz, weil sie von seinem Leichnam gegessen 
                            hatten, - dies alles sind nur eine dunkle Anspielung 
                            auf die Wiedergeburt: denn 
                            das Unvernünftige, Ungeordnete und Gewaltsame 
                            in uns, das nicht göttlichen Ursprungs ist, nannten 
                            die Alten "Titanen" 
                            und dies ist es, was gestraft und gezüchtigt 
                            wird. Zweite 
                            Rede - über das Essen von Tieren Die Wichtigkeit der 
                            Sache erfordert es, zu der angefangenen Untersuchung 
                            über das Fleischessen mit neuem, frischen 
                            Eifer und Nachdenken zurückzukehren: denn, wie 
                            Cato sagte: es 
                            ist schwer, zu Bäuchen zu reden, die keine Ohren 
                            haben. Wir alle haben aus dem Becher der Gewohnheit 
                            getrunken, der, wie der Weinmost der Circe mit Betrug, 
                            mit Jammer und Weh und Schmerzen gemischt ist (Odyssee 
                            10, 230), und die Angel des Fleischgenusses ist durch 
                            die Lüsternheit so tief eingedrungen und steckt 
                            so fest, dass sie sich nichtleicht herausziehen lässt. 
                            
 Freilich wäre 
                            es gut, wenn wir, so wie die Ägypter dem Verstorbenen 
                            bei Sonnenschein den Leib aufschneiden und die Eingeweide 
                            als Ursache aller Sünden wegwerfen, uns selber 
                            die Gefräßigkeit und Mordsucht wegschnitten 
                            und künftighin ein reines unschuldiges Leben 
                            führten. Denn der Bauch ist keineswegs der Sitz 
                            der Mordbegierde, sondern wird nur durch unsere Unmäßigkeit 
                            damit verunreinigt. Wenn es jedoch ganz unmöglich 
                            wäre, jene Sünde gänzlich zu vermeiden, 
                            so wollen wir dieselbe wenigstens aus Scham auf eine 
                            vernünftige Art begehen. Wenn wir Fleisch essen, 
                            so geschehe es aus Hunger, nicht aus Völlerei; 
                            wenn wir Tiere töten, so geschehe es mit Bedauern 
                            und einem Gefühl des Mitleids, nicht aus Mitwillen 
                            und unter grausamen Worten, wie es heute vielfach 
                            stattfindet.
 Denn Einige stoßen 
                            den Schweinen glühende Bratspieße in die 
                            Gurgel, damit das im Körper verbrei-tete Blut 
                            durch das heiße Eisen gelöscht und das 
                            Fleisch zarter und weicher werde; Andere treten den 
                            trächtigen Säuen, die bald gebären 
                            würden, mit Gewalt auf das Euter, um Blut, Milch 
                            und den Eiter von den getöteten Jungen unter 
                            einander zu mischen und alsdann - welch ein Greuel! 
                            - diese entzündeten Teile des Tieres zu verzehren. 
                            Noch Andere nähen den Kranichen und Schwänen 
                            die Augen zu, sperren die Tiere ein, mästen 
                            sie in der Finsternis und suchen durch Fasten 
                            (für die Tiere) und allerlei gemischte 
                            Kost das Fleisch zu Leckerbissen zu machen. Daraus 
                            ergibt sich deutlich, dass man das Unrecht zu einem 
                            Vergnügen macht, nicht der Nahrung wegen sondern 
                            aus Übermut, Gaumenkitzel und Schwelgerei.
 So wie sich die Wollust, 
                            wenn sie sich mit dem natürlichen Genuss nicht 
                            begnügt, alles versucht und zuletzt in die schändlichsten 
                            Ausschweifungen verfällt, so hat auch die Unmäßigkeit 
                            im Essen den natürlichen und notwendigen Zweck 
                            überschritten und die Esslust vermehrt durch 
                            Grausamkeit und Verbrechen. Die Sinneswerkzeuge teilen 
                            einander ihre Krankheit mit und sobald eines aus den 
                            natürlichen Schranken gewichen ist, so werden 
                            auch die anderen leicht zu Ausschweifungen und Vergehen 
                            hingerissen. Auf diese Weise hat ein krankes Gehör 
                            die Musik verdorben und das verweichlichte Gefühl 
                            schändliche Betastungen und Kitzel eingeführt. 
                            Ebenso erfreut sich das Gesicht nicht mehr an kriegerischen 
                            Tänzen oder an künstlichen Gebärden 
                            und Pantomimen, nicht an Bildsäulen und Gemälden, 
                             sondern macht Blut und 
                            Tod von Menschen, Wunden und mörderische Kämpfe 
                            zu einem ergötzlichen Schauspiel. 
                            So folgen auf schwelgerische Tafeln schamlose Vergewaltigungen, 
                            auf schändliche Ausbrüche der Wollust unsittliche 
                            Belustigungen des Gehörs, auf unzüchtige 
                            Gesänge und Unterhaltungen unnatürliche 
                            Schauspiele, und auf die grausame Augenlust endlich 
                            Härte und Gefühllosigkeit gegen andere Menschen.
 Aus diesem Grunde 
                            verordnete der göttliche Likurg 
                            (Sparta 11-8, Herodot) in den Gesetzen, dass die Türen 
                            und Decken der Häuser bloß mit Säge 
                            und Beil gearbeitet und keine andern Werkzeuge dazu 
                            gebraucht werden sollen: damit wollte er nicht die 
                            Bohrer, Hobel und andere nützliche Arbeitsgeräte 
                            verbannen, sondern er beabsichtigte, dass durch solche 
                            Türen kein mit Gold ausgelegtes Ruhebett getragen 
                            würde, dass man in ein einfaches Haus nicht silberne 
                            Tische, purpurne Teppiche und kostbare Steine brächte 
                            und dass ein Haus, Bett, Tisch, Becher von schlichter 
                            Art auch zu einem einfachen Abendessen und einem gewöhnlichen 
                            Mittagstisch führen werde. Dem Anfang zur ausschweifenden 
                            Lebensart folgt gar bald die ganze Üppigkeit 
                            und Schwelgerei nach, wie ein säugendes Füllen 
                            der Mutter folgt.
 Wo gäbe es jetzt 
                            noch ein kostbares Gastmahl, wobei nicht irgendein 
                            beseeltes Geschöpf ums Leben gebracht würde? 
                            Halten wir denn eine Seele für einen so geringen 
                            und unbedeutenden Aufwand? Ich will nicht sagen, vielleicht 
                            die Seele des Vaters, der Mutter, eines Freundes oder 
                            eines Kindes, wie Empedokles behauptete, aber doch 
                            immer eine Seele, welche Empfindung, Gesicht, Gehör, 
                            Vorstellungskraft und Verstand besitzt, womit die 
                            Natur jedes Tier versehen hat, damit es suche, was 
                            ihm dienlich, und fliehe, was ihm schädlich ist. Überlege 
                            einmal, welche Philosophen uns menschlicher und sanftmütiger machen!
 Diejenigen, welche 
                            uns lehren, unsere verstorbenen Kinder, Freunde, Eltern 
                            und Gattinnen zu essen; oder vielmehr Pythagoras und 
                            Empedokles, die uns gewöhnen auch gerecht zu 
                            sein gegen Arten von Geschöpfen? Du lachst über 
                            denjenigen, der nicht von einem Schaf essen will; 
                            Jene aber werden sagen: Wir können nicht lachen, 
                            wenn wir sehen, dass einer von seinen verstorbenen 
                            Eltern Stücke abschneidet, sieden abwesenden 
                            Freunden zuschickt und die gegenwärtigen einlädt, 
                            von dem aufgetragenen Fleisch reichlich zu essen!
 Wir verständigen 
                            uns vielleicht schon, wenn wir die Schriften jener 
                            Philosophen berühren, ohne unsere Augen, Ohren, 
                            Hände und Füße zu reinigen, es müsste 
                            denn für eine Reinigung gelten, dass man nur 
                            davon spricht und, wie Platon sagt, sich das salzige 
                            Gehör mit süßem Wasser ausspült. 
                            Vergleicht man aber die Schriften und Bücher 
                            miteinander, so ist jenes die Philosophie der Skythen, 
                            der Svadianer und Melanchlaner, von welchen Herodot 
                            (484-424 vor Christus: Skythen: Iranisches Reitervolk 
                            8. Jh. vor Christus zwischen Don und Aman; im 3. Jh. 
                            vor Christus von den Sarmaten verdrängt) erzählt 
                            und an die niemand glaubt; die Lehren des Pythagoras 
                            und des Empedokles hingegen sind Gesetze, Verordnungen 
                            und Sitten der alten Hellenen, welche den Grundsatz 
                            hatten, dass man auch den unvernünftigen Tieren 
                            Pflichten schuldig sei. Wer sind nun aber 
                            diejenigen, welche späterhin jene andere Lebensart 
                            einführen, welche zuerst zum Schlachten das mordende 
                            Messer geschmiedet, und es wagten zuerst, den pflügenden 
                            Stier zu verzehren?Gewöhnlich machen die Tyrannen 
                            den Anfang mit ihren Hinrichtungen, wie jene in Athen, 
                            die zuerst den nichtswürdigen Fuchsschwänzer 
                            töten ließen, von dem die Leute sagten: 
                            Es geschieht ihm recht. Dann 
                            folgte der zweite und dritte und endlich wurden Athener 
                            der Sache so gewohnt, dass sie 
                            auch müßig zuschauten, als man Nileratus, 
                            den Sohn des Nilias, 
                            den Feldherrn Theremenes 
                            und den Philosophen Polemarchus 
                            hinrichtete. In 
                            gleicher Weise wurde auch zuerst ein wildes, schädliches 
                            Tier verzehrt, 
                            dann ein Vogel oder Fisch. Die Mordsucht, an diesem 
                            Geschöpf erregt und ausgeübt, ging dann 
                            über auf den arbeitenden Stier, auf das Schaf, 
                            das uns kleidet, und auf den wachsamen Haushahn, 
                            in dieser Art verstärkten die Menschen mehr und 
                            mehr ihre Unersättlichkeit, bis sie endlich gar 
                            zum Kriege schritten, zum Schlachten und Würgen 
                            ihrer Mitmenschen.
 
 Angenommen selbst, 
                            es ließe sich nicht beweisen, dass sich bei 
                            der Wiedergeburt die Seelen der Körper ohne Unterschied 
                            bedienen, dass dasjenige, was jetzt zahm ist, ein 
                            anderes Mal unvernünftig und wild werde und dass 
                            die Natur alles verändere und versetze und die 
                            Seelen mit einem wilden Fleischgewande bekleide, so 
                            müsste es doch uns von dem unmäßigen 
                            Genusse getöteter Tiere abbringen, - schon als 
                            hinreichender Grund gelten, dass derselbe nicht nur 
                            dem Körper Krankheiten und Beschwerden zufügt, 
                            sondern die Seele, die zu ungerechtem Krieg verleitet 
                            wurde, gänzlich verdirbt, - indem wir uns gewöhnen, 
                            ohne Blut und Mord keinen Gastfreund zu bewirten, 
                            keine Hochzeit zu feiern, mit keinem Freund in Gesellschaft 
                            zu verkehren. Gäbe es indessen 
                            auch keinen sicheren und überzeugenden Beweis 
                            für die Meinung, dass die Seelen einmal wieder 
                            in andere Körper versetzt werden, so erfordert 
                            doch die Ungewissheit größere Vorsicht 
                            und Behutsamkeit.
 Zöge z.B. jemand 
                            bei einem nächtlichen Gefecht das Schwert gegen 
                            einen auf der Erde liegenden, unter der Rüstung 
                            verhüllten Mann und er hörte jemanden sagen, 
                            er wisse es zwar nicht gewiss, vermute aber, der liegende 
                            Mann sei sein Sohn, Bruder, Vater oder Zeitgenosse 
                            - was ist in diesem Fall wohl ratsam? Soll er der 
                            ungewissen Vermutung glauben und dem Feind das Leben 
                            schenken, als ob es sein Freund wäre, oder soll 
                            er die zweifelhafte Nachricht unbeachtet lassen und 
                            seinen Verwandten wie einen Feind niederstechen? Wahrlich, 
                            höre ich euch rufen, das Letztere würde 
                            äußerst hart und grausam sein! Bedenke, 
                            wenn Merope in der Tragödie gegen ihren eigenen 
                            Sohn, den sie für den Mörder ihres Sohnes 
                            hält, das Beil erhebt und ausruft: "Von 
                            heil'ger Rach' empfange hier den Todesstreich!", 
                            welche Erschütterung erregt sie unter den Zuschauern 
                            und wie werden alle in Furcht und Spannung versetzt, 
                            dass sie dem Greis, der sie hindern will, zuvorkommen 
                            und dem Jüngling den tödlichen Streich versetzen 
                            könnte! Wenn ein Greis 
                            neben ihr stünde und riefe: "Schlage zu! 
                            es ist dein Feind!"; ein anderer aber riefe: 
                            "Schlage nicht! Es ist dein Sohn!": - welches 
                            Verbrechen wäre alsdann größer: die 
                            Bestrafung eines Feindes um des Sohnes Willen zu unterlassen 
                            oder aus Erbitterung gegen einen Feind sich des Kindermordes 
                            schuldig zu machen?  Da es weder Hass noch 
                            Grimm ist, der uns zum Mord anreizt, ebenso wenig 
                            Sorge um unser eigenes Leben, sondern da das Schlachtopfer 
                            bloß zu unserm Vergnügen bereit steht, 
                            mit aufgerichtetem Hals den tödlichen Stoß 
                            zu empfangen, wenn dann der eine Philosoph uns zuruft: 
                            "Stoße zu! es ist ja nur ein unvernünftiges 
                            Tier!" - der andere aber: "Halte ein! In 
                            dem Tier könnte die Seele eines Freundes oder 
                            Verwandten leben!"; - 
                            ist es da für mich wohl gleichgültig, ob 
                            ich sein Fleisch essen "kann", falls 
                            ich dem ersteren nicht folge, oder ob ich einen Sohn 
                            oder anderen Verwandten des Lebens beraube, falls 
                            ich dem zweiten keinen Glauben schenke?
 Es gibt über 
                            diesen Gegenstand noch einen ungleichen Streit mit 
                            den Stoikern, welche das Fleischessen verteidigen, 
                            obgleich sie so heftig gegen den Bauch und die Küche 
                            eifern. Wie erklärt es sich, dass sie sonst die 
                            Wollust verdammen und sie weder als etwas Gutes noch 
                            Naturgemäßes ansehen, und dennoch so eifrig 
                            verteidigen, was die Wollust fördert. Da sie 
                            Salben und Zuckergebäck von den Gastmählern 
                            verbannen, so müssten sie doch folgerichtig Blut 
                            und Fleisch noch mehr verabscheuen: als ob ihre Philosophie 
                            aber nur eine Verminderung der Haushaltskosten beträfe, 
                            so verbannen sie von der Tafel nur den Aufwand in 
                            unnützen und überflüssigen Dingen, 
                            gegen die Grausamkeit und Mordsucht der Verschwendung 
                            haben sie hingegen nichts einzuwenden. "Ganz 
                            recht, - sagen sie - denn wir haben keine Gemeinschaft 
                            mit unvernünftigen Tieren." Wir könnten 
                            ihnen aber antworten: "Wir haben auch keine Gemeinschaft 
                            mit Salben und ausländischen Gewürzen und 
                            doch verabscheuet ihr dieselben und wollt alles verbannen, 
                            was weder nützlich noch notwendig ist, sondern 
                            bloß zum Vergnügen dient."Letzte Seite 250-251 "Griechisch-römischeWelt"
 
                             
                              | Anmerkung 
                                Regina:  wäre 
                                da nicht auch zur Antwort angebracht: Ihr 
                                sagt, ihr habt keine Gemeinschaft mit unvernünftigen 
                                Tieren - aber ihr einverleibet sie euch und macht 
                                ihre Zellen zu den euren. Wollt ihr denn sagen, 
                                dass ihr euch zu ihresgleichen - von euch als 
                                unvernünftig, dumm und seelenlos ausgesprochenen 
                                - machen wollt ?!" |  
 
 Griechisch-römische 
                            WeltPhilo Judaeus, der hellenische Jude
 Mit Alexander dem 
                            Großen war die antike Welt in ihrem echten 
                            Glauben abgelaufen, dahin geschwunden das Nationale 
                            in Wissenschaft, Kunst, Religion und Poesie, die geistige 
                            Schöpfung aus unbewusstem, natürlichem Antrieb. 
                            Nach Alexander's Tod erwachte die sogenannte alexandrische 
                            Zeit. Die Griechen waren mit den Orientalen in Berührung 
                            gekommen und ihre heimische moralische Welt hatte 
                            nach dieser Berührung eine neue Richtung erhalten. 
                            In Kleinasien, Syrien, Ägypten und Cyrenaika 
                            sprach man griechisch und belehrte sich aus der griechischen 
                            Literatur, aber man wich zugleich von den Lehren der 
                            alten Denker ab. Einer starken Kraft begegnete das 
                            Griechentum im Judentum, welches seinen Sitz in Ägypten 
                            und im griechisch-römischen Asien hatte und welches, 
                            wie es in den Makkabäer-Kämpfen einen physischen 
                            Widerstand geleistet hatte, auch auf dem geistigen 
                            Gebiete fortkämpfte, und den alten Glauben wie 
                            einen Schatz zu bewahren suchte. Aber trotz dieser 
                            Übermacht hatte auch das Judentum Veränderungen 
                            erlitten.  Der Mosaismus, nur 
                            noch auf zwei Stämme beschränkt, hatte die 
                            Kraft gefunden, sich zu organisieren, während 
                            er nach der Wiederherstellung durch Esra (ein Priester 
                            des Alten Testamentes) sich festsetzen konnte und 
                            die heidnischen Einflüsse nicht zu fürchten 
                            brauchte. An die Stelle der Prophetenstimmen war die 
                            Predigt getreten, die sich weit über Judäa 
                            hinaus, nach allen Wohnsitzen der Judengemeinden verbreitete. 
                            In Jerusalem selber lebten viele Sekten, der Tempel 
                            trat zurück gegen die Synagogen, aber zu den 
                            großen religiösen Festen strömten 
                            aus aller Welt, aus den fernsten Städten und 
                            aus allen Himmelsgegenden die Scharen unzähliger 
                            Gläubiger, die sich zur Lehre der Synagoge bekehren 
                            ließen, ohne auf ihr Vaterland zu verzichten 
                            (Denis, Théorien et idées morales dans 
                            l'antiquité). An den strengen Sinn des Pentateuch 
                            und an das nationale Prinzip des Mosaismus hielten 
                            sich nur noch die Sadduzäer; die Rabbiner erhielten 
                            das Übergewicht über die Priester; man wurde 
                            dem nationalen Geiste untreu und strebte nach Befreiung 
                            und Gleichheit; es kamen neue Grundsätze auf, 
                            im Widerspruch mit dem engen, ausschließenden 
                            Geist des Mosaismus, der andersgläubige Nationen 
                            für unrein hielt und sich selber gehässig 
                            gemacht hatte.
 Mehr noch als in Judäa 
                            selber fand dieser Umschwung statt überall, wohin 
                            sich jüdische Gelehrte verbreiteten und - wie 
                            es schon in Ev. Matthäi 
                            23,15 heißt: "Meer (Wasser) und das Trockene 
                            (Land) umzogen, um Judengenossen zu machen" 
                            1): 
                            in Antiochien, auf den Inseln des Mittelmeeres, in 
                            Alexandrien.Letztere, die von Alexander angelegte Stadt, blühte 
                            empor unter den gebildeten Königen, den ersten 
                            Ptolemäern, und gewährte den griechischen 
                            Gelehrten ein sorgenfreies Dasein und die Mittel zum 
                            Studium der älteren Literatur. Durch das berühmte 
                            Museum wurde Alexandria die Weltstadt aller Wissenschaft 
                            und Bildung, die das alte Athen weit überragte 
                            (Vergl. Dr. M. Joël, Über den wissenschaftlichen 
                            Einfluss des Judentums auf die nichtjüdische 
                            Welt.). Die Schätze der älteren Literatur 
                            wurden hier gehoben und kritisch beurteilt.
 
 An diesem literarischen 
                            Leben beteiligten sich auch die Juden, welche dort 
                            bis zur Römerherrschaft einen politisch und bürgerlich 
                            freien Wohnsitz genossen. Der heimischen Sprache fast 
                            entfremdet, suchten sie ihr Studium in griechischer 
                            Literatur und Philosophie, in einer künstlichen 
                            Auslegung ihrer eigenen heiligen Schriften und in 
                            Aneignung von allem, was der griechische Geist ersonnen 
                            hatte; sie eigneten sich aus den ihnen zugänglichen 
                            Büchern die Ideen des Platon, des Aristoteles 
                            und der Stoiker an und dieser hellenische Synkretismus 
                            fasste alles zusammen, was die morgenländische 
                            und abendländische Weisheit zu Tage gefördert 
                            hatte. (Vergl. Ed. Erdmann, Grundriss der Geschichte 
                            der Philosophie) Die Juden wollten nun ihre heilige 
                            Schrift in Übereinstimmung setzen mit der griechischen 
                            Philosophie, welche damals alle Gemüter beherrschte; 
                            sie schufen sich sogar die Vorstellung, die Griechen 
                            hätten ihre Weisheit aus dem alten Testament 
                            geschöpft, als seien die Erzählungen jener 
                            Schriften nur allegorisch aufzufassen.
 
                             
                              | 1) 
                                  (Hier zum Vergleich 
                                  das Evangelium zu Matthäi 23,15)  
                                   Dann 
                                  redete Jesus zu den Volksmengen und zu seinen 
                                  Jüngern2 und sprach: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer 
                                  haben sich auf Moses' Stuhl gesetzt. 3 Alles 
                                  nun, was irgend sie euch sagen, tut und haltet; 
                                  aber tut nicht nach ihren Werken, denn sie sagen 
                                  es und tun's nicht. 4 Sie binden aber schwere 
                                  und schwer zu tragende Lasten und legen sie 
                                  auf die Schultern der Menschen, 
 5 Alle 
                                  ihre Werke aber tun sie, um sich vor den Menschen 
                                  sehen zu lassen; denn sie machen ihre Denkzettel 
                                  breit und die Quasten groß. 6 Sie lieben 
                                  aber den ersten Platz bei den Gastmählern 
                                  und die ersten Sitze in den Synagogen 7 und 
                                  die Begrüßungen auf den Märkten 
                                  und von den Menschen Rabbi, Rabbi! genannt zu 
                                  werden.
 13 Wehe aber euch, Schriftgelehrten und Pharisäer, 
                                  Heuchler! denn ihr verschließet das Reich 
                                  der Himmel vor den Menschen; denn ihr gehet 
                                  nicht hinein, noch laßt ihr die Hineingehenden 
                                  eingehen. (Anmerkung: da sie darinnen Taten 
                                  begehen, die sie nur mit Lügen aufrecht 
                                  halten und verteidigen können) 
 15 
                                  Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, 
                                  Heuchler! denn ihr durchziehet 
                                  das Meer (das Wasser) und das Trockene (das 
                                  Land), um einen Proselyten (Judengenossen) zu 
                                  machen; und wenn er es geworden ist, 
                                  so machet ihr ihn zu einem Sohne der Hölle, 
                                  zwiefältig mehr als ihr. 
 20 Wer 
                                  nun bei dem Altar schwört, schwört 
                                  bei demselben und bei allem, was auf ihm ist. 
                                  21 Und wer bei dem Tempel schwört, schwört 
                                  bei demselben und bei dem, der ihn bewohnt. 
                                  22 Und wer bei dem Himmel schwört, schwört 
                                  bei dem Throne Gottes und bei dem, der darauf 
                                  sitzt. 23 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, 
                                  Heuchler! denn ihr verzehntet 
                                  die Krauseminze (Anmerkung: im 
                                  Original steht Münze - es muss aber Minze 
                                  heissen) und 
                                  den Anis und den Kümmel, und habt die wichtigeren 
                                  Dinge des Gesetzes beiseite gelassen: das Gericht 
                                  und die Barmherzigkeit und den Glauben; diese 
                                  (Barmherzigkeit)  hättet 
                                  ihr tun und jene (Steuern) 
                                  nicht 
                                  lassen 
                                  (müsste heißen erlassen) 
                                  sollen. 24 Blinde Leiter, die ihr die Mücke 
                                  sehet, das Kamel aber verschlucket! 25 Wehe 
                                  euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! 
                                  denn ihr reiniget das Äußere des 
                                  Bechers und der Schüssel, inwendig aber 
                                  sind sie voll von Raub und Unenthaltsamkeit.
 26 Blinder Pharisäer! reinige zuerst das 
                                  Inwendige des Bechers und der Schüssel, 
                                  auf daß auch das Auswendige derselben 
                                  rein werde.
 27 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, 
                                  Heuchler! denn ihr gleichet übertünchten 
                                  Gräbern, die von außen zwar 
                                  schön scheinen, inwendig aber voll von 
                                  Totengebeinen und aller 
                                  Unreinigkeit sind. 28 Also scheinet auch 
                                  ihr von außen zwar gerecht vor den Menschen, 
                                  von innen aber seid ihr voll Heuchelei und Gesetzlosigkeit. 
                                  29 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, 
                                  Heuchler! denn ihr bauet die Gräber der 
                                  Propheten und schmücket die Grabmäler 
                                  der Gerechten
 32 und ihr, machet voll 
                                  das Maß eurer Väter! 
 wie solltet 
                                  ihr dem Gericht der Hölle entfliehen? 34 
                                  Deswegen siehe, ich sende zu euch Propheten 
                                  und Weise und Schriftgelehrte; und etliche von 
                                  ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, und 
                                  etliche von ihnen werdet ihr in euren Synagogen 
                                  geißeln und werdet sie verfolgen von Stadt 
                                  zu Stadt;
 35 damit über euch komme alles gerechte 
                                  Blut, das auf der Erde vergossen wurde, von 
                                  dem Blute Abels, des Gerechten, bis zu dem Blute 
                                  Zacharias', des Sohnes Barachias', den ihr zwischen 
                                  dem Tempel und dem Altar ermordet habt.
 36 Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird 
                                  über dieses Geschlecht kommen. 37 Jerusalem, 
                                  Jerusalem, die da tötet die Propheten und 
                                  steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe 
                                  ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine 
                                  Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre 
                                  Flügel, und ihr habt nicht gewollt!
 38 Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen;
 39 denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt 
                                  an nicht sehen, bis ihr sprechet: "Gepriesen 
                                  sei, der da kommt im Namen des Herrn!"
 
                                   
                                    | Anmerkung 
                                        von Regina:  warum 
                                        wohl wird hier erwähnt, dass sie 
                                        die Krauseminze, den Anis und den Kümmel 
                                        verzehnteten? Sie 
                                        haben alles unkäuflich gemacht, was 
                                        grün war - und was die Leute rein 
                                        ernährte. Warum wohl wird erwähnt, dass 
                                        sie übertünchten Gräbern 
                                        gleichen, die außen schön erscheinen 
                                        und inwendig voll von Totengebein und 
                                        Unreinheit sind? Weil sie die Gebeine 
                                        und das Fleisch der Tiere in ihren Bäuchen 
                                        tragen...
 ich dagegen 
                                        möchte wohl wissen, welche Leidenschaft, 
                                        welche Seelenverfassung oder welcher Grund 
                                        zuerst den Menschen verleitet haben möge, 
                                        Blut mit dem Mund 
                                        zu berühren und das Fleisch eines 
                                        toten Tieres an seine Lippen zu bringen; 
                                        wie er darauf verfiel, Leichname als Zukost 
                                        oder Speise auf seine Tafel zu setzen 
                                        und Glieder zu verzehren, welche kurz 
                                        vorher noch brüllten, schrieen, sich 
                                        bewegten und sahen; wie er den Anblick 
                                        ertrug, das arme Tier schlachten, abhäuten 
                                        und zerstückeln zu sehen; wie die 
                                        Nase den üblen Geruch davon ertragen 
                                        konnte und wie es dem Gaumen nicht vor 
                                        der Verunreinigung ekelte, fremde Geschwüre 
                                        zu berühren und den Eiter aus tödlichen 
                                        Wunden zu saugen. Wenn es heißt: 
                                        Ringsum 
                                        krochen die Häute, es brüllte 
                                        das Fleisch an den Spießen. Rohes 
                                        zugleich und gebratenes und laut wie Kindergebrüll 
                                        scholl's. 
                                        (Olyssee, XII. 395)
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