FRANZ SUSMAN - KIRCHENHISTORIKER
"Und die Erde wird neu erblühen"



Die Pflichten des Menschen
gegenüber den Tieren



Der Mensch steht in einer langen Kette von Entwicklungsgliedern, die vom Höchsten bis zum Niedrigsten reichen. Wie er den unter ihm stehenden Lebewesen in Ihrer Entwicklung hilft, so wird auch ihm in seinem Fortkommen geholfen, und zwar von jenen Wesen, die über ihm stehen. Jede Stufe auf dieser Entwick-lungsleiter ist in ihrer Bedeutung gleichwertig. Jede besteht für sich selbst aber auch zum Wohle der andern Sprossen über und unter ihr.

Die Entwicklungsleiter hat weder einen Anfang noch ein Ende. Dennoch sind die unter dem Menschen liegenden Reiche bekannt, das Tier-, das Pflanzen- und das Mineralreich. Letzteres wird von manchen Menschen immer noch für leblos gehalten, jedoch weisen gerade neueste Forschungen in der Physik und der Chemie nach, dass dies keineswegs der Fall ist.

Wenn der Mensch nun unsterblich Ist, so muss sein künftiger Fortschritt endlos sein, gibt es doch keine endgültige Stagnation in einer Entwicklung. Das aber bedeutet, dass es unzählige Wesenheiten über dem Menschen geben muss, die sich schon in der Vergangenheit entwickelt haben, und deren Entwicklungsgang noch vor dem Menschen liegt.

Das Ziel der Entwicklung besteht in allen Reichen darin, dass das göttliche Leben seine eigene Natur erkenne und dann fähig werde, diese Göttlichkeit zu offenbaren. Das "Erkenne dich selbst" der griechischen Philosophie war von diesem tiefen Sinn erfüllt.
Jedes Glied in der Entwicklungskette ist unentbehrlich, denn würde es fehlen, so entstünde eine Lücke in der Kette; das Leben der oberen Reiche würde höher steigen während unten die Entwicklung an einem bestimmten Punkt aufgehalten würde. Dann ginge die Kontinuität der Reiche verloren.

Die spirituelle Aufgabe des Menschen besteht darin, die Tatsache seiner Einheit mit allem Lebendigen zu erkennen und sich danach zu verhalten. Dies kann nur in Liebe und Zusammenarbeit geschehen. Denn Liebe ist für jede Entwicklung äußerst wesentlich. Jede Grausamkeit dagegen, sei es nun Menschen oder Tieren oder der Natur gegenüber bildet ein verhängnisvolles Hindernis in der Entwicklung.
Immer mehr Menschen erkennen ihre Verantwortung gegenüber der Pflanzen- und der Tierwelt, und die von den Kirchen proklamierte Pseudowahrheit, die Tiere seien für den Menschen geschaffen worden, stoßen besonders bei Tierschützern immer mehr auf Unverständnis.

Die bisher geübte Praxis, die Natur auszurauben, zu schädigen zu verstümmeln und mit den Tieren umzugehen, wie man will, stützte sich in ihrer ethischen Rechtfertigung auf die kirchlichen Deutungen der Heiligen Schrift.


Der englische Dichter, Alexander Pope (1688 - 1744)
,
geißelt diese überhebliche Haltung den Menschen in einem Gedicht:

Fragst du, für wessen Dienst die Sterne scheinen,
Die Erde steht? Stolz sagt der Mensch: für meinen!

Für mich die gütige Natur erwacht,
Säugt jedes Gras, streut aus der Blumen Pracht.

Mir schenken Nektar Jahr für Jahr die Trauben,
Stets neuen Balsamtau die Rosenlauben,

Für mich im Bergwerk Schatz um Schatz erglüht,
Aus tausend Quellen mir Gesundheit sprüht.

Mir wogt die See, für mich die Sonnen ziehn,
Die Erd' mein Schemel, Himmel Baldachin.


Es entspricht zwar der Wahrheit" dass die Erde als Garten für den Menschen von Anbeginn gedacht war. Doch war dies nicht so gemeint, dass er mit ihr machen könnte, was ihm beliebte. Am allerwenigsten aber hatte er das Recht, seine Jüngeren Brüder, die Tiere zu schädigen und zu töten, denn sie waren ihm anvertraut worden, damit er sie liebe und beschütze.

Brutale Grausamkeiten werden heute unter den Begriff "wissenschaftliche Experimente" ausgeübt. Ohne Vivisektion wären all die Arzneimittel, Impfstoffe und operativen Methoden nicht denkbar, die scheinbar ein Segen der Menschheit sind.
Doch macht man sich klar, dass einem unschuldigen Wesen Krankheiten künstlich eingeimpft werden, dass es zu Tode gemartert und gequält wird, nur um an ihm die Wirkungsweisen von Giften zu erproben?

Das öffentliche Gewissen wird durch die Massenmedien beruhigt, und es wird immer wieder für die Nützlichkeit der hergestellten Medikamente geworben.
Immerhin wagen es mehr und mehr couragierte Redakteure, den Mantel den Schweigens zu lüften und freimütig über Unverantwortbarkeit solchen Tuns zu berichten.
Denn der Mensch bleibt verantwortlich für seine Taten. Alles, was er den Tieren an Unrecht, Leid und Tod auferlegt, muss er in diesem oder in einem nächsten Leben selbst erleiden. Das geistige Entwicklungsgesetz, auch Karmagesetz genannt, folgt dieser inneren Notwendigkeit.


Wie anders wäre sonst auch der Ausspruch:

"Was der Mensch sät, das wird er ernten"

(Gal. 6,7) zu verstehen?

Von diesem Gesetz sagt die "Leuchte Asiens":

Nicht Zorn noch Gnad kennt's: es misst sein Maß
Untrüglich, fehlerlos ist seine Wag';

Zeit gilt ihm nichts: es richtet morgen wohl,
Vielleicht nach manchem Tag.

Des Mörders Dolch kehrt's gegen ihn allein,
Wer richtet falsch, verliert das Heil im Leben!

Den Lügner straft die Lüge selbst,
der Dieb Raubt nur, zurückzugeben.


Die Ausdrücke "Morgen" oder "nach manchem Tag"
beziehen sich auf andere Inkarnationen. Wann die Gerechtigkeit ihren Ausgleich fordert, ist unbedeutend für das Karmagesetz. Aber die Unmenschlichkeit gegenüber den Tieren wird gesühnt werden.
Dass der Mord an Tieren beim Jagen, Fischen und beim Stierkampf nicht als Sport angesehen werden kann, das muss erst einmal das menschliche Bewusstsein durchdringen. Aber auch das Töten um der Nahrung willen ist Mord. Und das einzusehen wird wohl der schwerste Akt eines Umdenkungsprozesses sein.

Die große Mehrheit der Menschen wächst in dem Glauben auf, dass Töten um der Nahrung willen auch moralisch erlaubt sei, weil doch der Mensch angeblich ohne tierisches Eiweiß nicht leben kann. Dass schon Millionen diesen Aberglauben widerlegt haben, indem sie vorlebten, wie gut man ohne tierische Leichenteile zu verzehren, leben kann, liest man nur in einschlägiger Literatur. Die breite Öffentlichkeit weiß nichts davon. Welche geschäftlichen Einbußen würden auch die Fleisch- und Fischproduzenten erleiden, wenn diese Tatsache bekannt würde!

Aber auch die kanonischen Evangelien sagen nichts über ethischen Maßstäbe den Fleischessens. Ja sie wurden gerade in Bezug auf diesen Punkt entstellt, so dass die Priester gegen diesen Brauch nicht nur nichts einzuwenden haben, sondern selber auch Fleisch essen. Dass hierbei gegen das Gesetz der Liebe verstoßen wird, geht niemandem mehr auf, weil der Jahrhunderte lange Brauch das moralische Gefühl völlig abgestumpft hat.

Wenn ein Mensch plötzlich entdeckt, dass er Barbar ist, solange andere Geschöpfe um seiner Gaumenfreuden willen leiden müssen, und er seinen Speiseplan verändert, hat er über kurz oder lang auch keinen Gefallen mehr an alkoholischen Getränken und schließlich ist er auch in der Lage, sein geschlechtliches Verlangen unter Kontrolle zu bringen (Der unaushaltbare Druck verschwindet). Erst dann erwirbt er die Fähigkeit, aus Liebe zu dem Geschöpf, das bei ihm inkarnieren will, den geschlechtlichen Akt auszuführen.

Die Reform der Ernährung Ist also am vordringlichsten, wenn man die spirituelle Entwicklung der Mensch-heit betrachtet. Die Kraft der Liebe Gottes kann erst dann voll in die Menschheit als Ganzes einströmen, wenn sie nicht mehr länger an dem grausamen Aberglauben festhält, dass sie des Fleisches als Nahrung bedürfe.
Diese Überlegungen machen es mehr als verständlich, dass in der Botschaft der Zwölf kontinuierlich auf die Enthaltung von allem Lebendigen hingewiesen wird.

Die Verantwortung des Menschen den Tieren gegenüber

Es ist die Pflicht des Menschen, die Tiere zu schützen oder ihnen zu helfen, wenn sie in Not sind. Es ist gut, wenn es sich jemand zur Hauptaufgabe macht, sich im Tierschutz zu engagieren. Allerdings ist es nicht nötig, dass alle Welt dies tue. Es gibt unzählige Arten von nützlicher Arbeit, doch sollte jedermann, wenn er irgend kann, irgendeiner humanitären Arbeit seine Unterstützung zusagen und sich von allem fernhalten, was Tieren Schmerz, Leid oder Tod bringen könnte.

Ob man nun für das Wohl von Menschen oder Tieren arbeitet, stets sollte man darauf achten, weder die einen noch die andern zu schädigen. So kann jemand gut zu Tieren sein und grausam gegenüber seinem Nachbarn, indem er ihn bei anderen Menschen verleumdet.
Man sollte sich mehr über die Tugenden anderer Menschen unterhalten als über ihre Untugenden. Denn alles, was man denkt, verstärkt man mit seinen Gedanken, geschweige denn mit seinem Reden.

Somit ist deutlich gesagt, dass der Mensch wie bisher bekannt seinen Mitmenschen als Nächsten lieben soll, darüber hinaus aber auch die Tiere als die Geschöpfe lieben soll, die seiner Entwicklungsstufe am nächsten sind.

Dann versteht man die Stelle in der Botschaft der Zwölf
leicht, in der gesagt wird:

"Ein neues Gebot habe ich euch gegeben,
dass ihr einander und alle Geschöpfe liebt....

Daran sollen alle Menschen erkennen, dass ihr meine Jünger seid,
so ihr Liebe untereinander habt und Barmherzigkeit und Liebe zeigt allen Geschöpfen Gottes, besonders jenen, welche schwach und bedrückt sind und Unrecht leiden.

Denn die ganze Erde ist erfüllt von dunklen Stätten der Grausamkeit, von Pein und Kummer durch die Selbstsucht und Unwissenheit der Menschen.

Ich sage euch, liebt eure Feinde, segnet die, die euch fluchen, und gebt ihnen Licht für ihre Dunkelheit; und lasst den Geist der Liebe in euren Herzen weilen und überströmen auf alle.

Und nochmals sage ich euch, liebt einander und Gottes ganze Schöpfung. Und als er geendigt hatte, sagten sie: Gesegnet sei Gott.

Dann erhob er seine Stimme und sie sprachen mit ihm: Wie der Hirsch nach den Wasserbächen lechzt, so lechzt meine Seele nach dir o Gott." (Botschaft der Zwölf 75,5-8)


Das Verhältnis des Menschen zu den Haustieren

Die Beziehung des Menschen zu seinen Haustieren ist sowohl für ihn wie für die Tiere von großer Bedeutung. Behandelt er sie richtig und ist er auf ihr Wohlergehen bedacht, so hilft er den Tieren, sich zu entwickeln.

Er kann ihren Verstand und ihren Willen schulen und sie zu einer größeren Individualität führen. Tatsächlich können sich besonders Hunde oder Katzen, die in unmittelbarem Kontakt mit dem Menschen stehen, in ihrer Anhänglichkeit und Liebe zu ihm soweit entwickeln, dass für sie der Schritt bis ins Menschenreich nicht mehr weit ist.

Genauso nehmen sich die Meister der Weisheit der vorgeschrittenen Menschen als ihrer Mitarbeiter an und führen sie auf dem Pfade der Vollkommenheit. Doch wenn der Mensch sich die höher entwickelten Tiere zu Sklaven seiner Launen nacht und seine eigene Intelligenz dazu benutzt, sie zu drangsalieren, dann verzögert er sowohl die Entwicklung der ihm anvertrauten Tiere als auch seine eigene.

Die Vergebung der Sünden

In den herkömmlichen Evangelien wird die Vergebung der Sünden als von einer Autorität abhängig angesehen. Spricht Jesus: "Deine Sünden sind dir vergeben", so sind sie vorgeben. So lesen wir ja bei Johannes, 20,22f
"Da er dies gesagt hatte, hauchte er seine Jünger an und sprach zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten."

In der Botschaft der Zwölf klingt das jedoch anders.

"Und ein anderer sagte: Meister, wenn jemand eine Sünde begangen hat, kann ein Mensch sie ihm erlassen oder behalten? Und Jesus sprach: Gott vergibt alle Sünden denen, die bereuen, aber wie ihr sät, so müsst ihr auch ernten. Weder Gott noch Mensch kann die Sünden denen erlassen, die nicht bereuen und von ihren Sünden nicht abstehen; noch sie denen behalten, die von ihnen abstehen." (Botschaft der Zwölf 93,1)


Hier wird deutlich, dass nicht das Lossprechen von einer Schuld die Schuld tilgte sondern die (weitere) Haltung dessen, der die Schuld begangen hat, ist wichtig. Ist seine innere Haltung so, dass er die Schuld als Schuld erkennt und von ihr frei worden möchte, dann wird ihm die Chance gegeben. Doch ist der Wille zur Besserung maßgebend und nicht das Wort irgendeiner äußeren Autorität. Auch wird durch den Akt der Besserung schon ein neuer Same gesät, der die Frucht guten Karmas in sich trägt, und so werden die üblen Folgen zum Abklingen gebracht.

Die Behauptung in Joh.20,22, dass Christus seinen Jüngern die Macht, Sünden zu erlassen oder zu behalten, verliehen habe, muss von Menschen eingefügt worden sein, die die wahre Bedeutung der Absolution nicht begriffen.

So kann die eigene Entschlusskraft, vom Üblen zu lassen, höchstens von einem Lehrer oder Ältesten der Gemeinde unterstützt worden sein, jedoch nie die Vorbedingung für die Absolution gewesen sein.

Nicht das Trauern Über eine Fehlhandlung, sondern der Wille zur Änderung ist maßgebend, ob man die Folgen des Fehlers überwindet oder nicht (z.B. Krankheit, Schicksal...). Bleibt man in Gedanken bei einem Fehlverhalten stehen, so stärkt man dieses Verhalten noch. Wichtig allein ist, den Fehler zu erkennen und sich in der Überzeugung zu stärken, ihn zu überwinden. Sodann tut man gut daran, nur noch an die zu erstrebende positive Haltung zu denken, mit der Entschlusskraft, sie zu erringen.

In diesem Sinn ist das Wort zu verstehen:
"Ändert eure Gesinnung, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen." (Mt. 4,17)