Maurice wurde am 29.08.1862
in Orlamonde bei Nizza geboren - und starb am 06.05.1949
Es ist noch gar nicht lange
her, dass man der Menschheit offenbart hat, wie sehr
sie sich bisher in der Wahl ihrer Nahrungsmittel wahrscheinlich
vergriffen hat; dass einige Gemüse, einige Früchte,
einige Mehle, etwas Milch hinreichend sind, um die
Glut des schönsten und wichtigsten Lebens zu
nähren. Es kann nicht meine Absicht sein, auf
die Frage des Vegetarismus
hier tiefer einzugehen, noch
den Einwendungen, die man dagegen machen kann, näher
zu begegnen.
Aber das muss gesagt werden,
dass nicht einer dieser Einwände der redlichen
und aufmerksamen Prüfung standhält, und
ich für meinen Teil kann nur versichern, dass
ich bei allen, die sich dieser Lebensregel unterwarfen,
die Kräfte zunehmen, die Gesundheit wiederkehren
oder sich verbessern und den Geist reiner und leichter
werden sah, gleich als ob er aus jahrhunderte langer
ekelhafter und kläglicher Gefangenschaft. endlich
befreit würde. ("Der
begrabene Tempel", Seite 136)
Alle unsere Gerechtigkeit und
Moral, all unser Denken und Fühlen gehen im Ganzen
genommen auf zwei oder drei Grundbedürfnisse
zurück, unter denen das Ernährungsbedürfnis
die erste Stelle einnimmt.
Die geringste Veränderung
eines dieser Bedürfnisse würde zu bedeutenden
Verschiebungen in unserem moralischen Leben führen.
Wenn die Gewissheit, dass der
Mensch auch ohne Tierfleisch leben kann, eines Tages
allgemein würde, so würde das nicht nur
eine große wirtschaftliche Umwälzung zur
Folge haben, denn ein Rind braucht hundert Pfund Futter,
um ein Pfund Fleisch zu liefern, sondern auch eine
große moralische Verbesserung, die
wahrscheinlich ebenso von Belang und wahrscheinlich
aufrichtiger und dauernder sein wird, als wenn der
Erlöser noch einmal auf Erden erschiene, um die
Irrtümer und Vergess-lichkeiten seines ersten
Erdenwallens abzustellen. ("Der
begrabene Tempel", Seite 137)
Die Gewissheit derer, die davon
überzeugt sind, dass unsere Rasse sich bisher
in der Wahl der Nahrungsmittel vergriffen hat,
wird, vorausgesetzt,
dass alle Erfahrungen sie bestätigen, ganz wie
jede andere Gewissheit eine ewige Zeit brauchen, um
in die dumpfe Masse, der sie Licht bringen und aufhellen
soll, hinab zu dringen.
Doch wer weiß, vielleicht
liegt hier der Ausweg, den die Natur sich offen hält,
wenn der Kampf ums Dasein, der heute der Kampf um
das Fleisch und den Alkohol ist, diese doppelte Quelle
aller Vergeudung und Ungerechtigkeit, die alle anderen
speist, eines Tages ganz unerträglich wird. ("Der
begrabene Tempel", Seite 138)
Der 1911 mit dem Nobelpreis
für Literatur ausgezeichnete belgische Dichter
Maurice Maeterlinck hat für die Dokumente des
Vegetarismus sein Bild geschickt. Er ist, wie auch
Ellen Key in einem Feuilleton der Hamburger Nachrichten
(14.11.1911) ausführt, Vegetarier, wenn auch
nicht ausnahmslos strenger. Wie er über den Vegetarismus
denkt, zeigen deutlich genug einige Stellen aus seinen
Werken. über seine Lebensweise orientieren einige
briefliche Zeilen, die der Herausgeber vor einigen
Jahren von Maeterlinck erhielt.
Abtei
St. Wandrille, 24. September 1908.
Mein Herr!
Ich bin fast ausschliesslich Vegetarier, aber
ohne Unnachgiebigkeit.
Ich finde, dass die blutige Unterwanderung absolut
nicht nur mit Fleisch, sondern auch mit Eiern
eine unnötige und kindische Übertreibung
Ihres Lehrstuhls ist.
Ich trinke Bier zu meiner Beruhigung und sonst
nichts weiter. Ich rauche zehn Pfeifen am Tag,
aber ich rauche Tabak ohne Nikotin (der hier
in Frankreich "Caporal doux" genannt
wird, der zwar nicht lecker ist, aber auch nicht
schadet.
Agriez, mein Herr, mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen
Hochachtung.
Maeterlinck.
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Original
- Abbaye de St. Wandrille, 24. September 1908
Monsieur!
Je suis presque exclusivemene vegetarien; mais
sans aucune intransigeance. Je trouve, que la
suffusion absolue non seulement de la viande
mais aussi des oeufs est une inutile et puerile
exagiration de ce chaire.
Je bois de la bière à mes repos
et riens en dehors de ceux-ci.
Je fume une dizaine de pipes par jour, mais
ne fume que du tabac sans nicotine (celui qu'on
appelle en France, le "caporal doux"),
qui n'est pas délicieux mais ne fait
aucune mal.
Agriez, Monsieur, l'expression de mes sentiments
distingués.
Maeterlinck.
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